domradio.de: Heute ist Benedikts Rücktritt also ein Jahr her. Wie haben Sie den Rücktritt und die darauf folgenden Wochen erlebt?
Bernd Hagenkord: Als einen einzigen, großen, langen Tag – so kommt mir das in der Rückschau vor. Als die Meldung bei uns einging, da hatte ich schon vorher einen Hinweis bekommen – hatte den zwar nicht verstanden ‑, aber der Vatikansprecher hatte mich gebeten, doch aus dem Interviewbuch Papst Benedikts die Seite zu kopieren, auf der er über den Rücktritt spricht. Und da hatte ich einfach nicht geschnallt, was das andeutete, aber als dann der Techniker sagte, dass wir keinen Papst mehr hätten, war mir sofort klar: OK, jetzt geht’s los! Und das war sozusagen der Startschuss und der Rest dieses langen, langen Monats bis zum 11. März, das war wie gesagt ein einziger langer Tag.
domradio.de: Für Sie war es auch eine besondere Zeit heute vor einem Jahr. Das Konklave, der Papst aus Lateinamerika und zum ersten Mal der Name Franziskus. Was hat sich verändert, hat sich das Papstamt durch Benedikt verändert?
Hagenkord: Ich glaube schon. Ich halte Benedikt durch diesen Amtsverzicht für den wirklichen Revolutionär im vergangenen Jahr. Das ist eine sehr menschliche Art, nichts wirklich großartig Spektakuläres, aber allein die Tatsache, dass es das noch nie vorher gegeben hatte und dass Benedikt klar sagte: Das Amt ist wichtiger als die Person, das Amt ist so wichtig, dass ich sage, ich trete dahinter zurück. Das hat dem Amt noch einmal eine Freiheit gegeben, einen Modernisierungsschub, wenn man so will. Und den kann Franziskus jetzt nutzen. Da hat Benedikt sicherlich Franziskus zugespielt, und das merken wir im vergangenen Jahr: Das Revolutionäre an Franziskus verdankt er auch zum großen Teil Papst Benedikt.
domradio.de: Es gab dann erst einmal ein Herantasten, wer ist der Neue, ist der Name Franziskus Programm? Für viele ist jetzt klar, wie er tickt, denkt man zumindest. Was hat er denn verändert?
Hagenkord: Es sind viele Dinge verändert worden, zunächst einmal die Stimmung, die Sprache, die Art und Weise zu kommunizieren, die Art und Weise, wie der Papst auftritt, wie er Nähe zulässt und sogar will und fördert. Das ist alles natürlich vor allem der Person geschuldet, wie er selbst sich gibt. Aber ich denke, das prägt auch für alle Zukunft das Papstamt. Auch die päpstliche Symbolsprache ist bereinigt worden, also z.B. die roten Schuhe, all diese Dinge, die wir nicht mehr verstehen, von denen wir nicht mehr wussten, warum das so war. Also da hat Papst Franziskus sicherlich diesen Modernisierungsschub, der mit dem Amtsverzicht Benedikts begann, noch einmal weitergetragen. Viele, viele Dinge werden sich noch zeigen müssen: Der Papst gibt sehr viele Anstöße, aber wie wir ist auch der Papst der Meinung, dass das wirkliche kirchliche Leben eben nicht auf dem Petersplatz stattfindet, sondern in den Gemeinden. Und wenn das da ankommt, wenn die Impulse, die er setzt, da ankommen, dann haben wir wirklich eine Reform.
domradio.de: Historische Momente waren das auch, diese seltenen Bilder von zwei Männern in Weiß, zwei Päpsten zusammen. Treffen sich Benedikt und Franziskus denn noch regelmäßig und tauschen sich aus?
Hagenkord: Das sind großartige Bilder, bis jetzt staunt man darüber, ich jedenfalls komme da bis jetzt nicht aus dem Staunen heraus. So wie wir hören, treffen sich die beiden regelmäßig im Sinne von nicht täglich, aber vielleicht monatlich. Bis jetzt hat ja immer Papst Franziskus Papst Benedikt besucht, jetzt hat Anfang Januar Benedikt, der Papst Emeritus, auch einmal Papst Franziskus besucht, sozusagen den Gegenbesuch abgestattet. Wie häufig die beiden miteinander telefonieren, das weiß ich nicht, aber das soll auch ab und zu vorkommen. Insgesamt finde ich es ganz spannend, dass das so problemlos läuft. Das war so ein wenig die Sorge, vor allem im Vatikan, wenn wir einen Zweit-Papst haben, wie ist das dann? Zieht der Unzufriedenheit an usw.? Und das passiert alles überhaupt nicht. Das ist ein ganz großartiges Zusammenspiel und ein gutes Vorbild für alle zukünftigen Päpste, die sich mit dem Gedanken tragen, einmal auf das Amt zu verzichten.
domradio.de: Wie lebt Benedikt jetzt? Wissen Sie, wie ihm die Arbeit / das Auftreten seines Nachfolgers gefällt?
Hagenkord: Das weiß ich nicht, ich habe ihn seitdem nicht mehr getroffen. Man hört so, dass ist er nicht unzufrieden sei, um es vorsichtig zu formulieren. Er lebt zurückgezogen, er ist ja ein älterer Herr. Er geht ihm sehr viel besser, sagen Leute, die ihn besucht haben, als zu dem Zeitpunkt, als er zurückgetreten ist. Das Amt hat ihn auch körperlich sehr belastet, das war nun einmal der Hauptgrund, weswegen er gesagt hat, es reicht. Er betet viel, er schreibt Briefe, er empfängt regelmäßig Gäste. Um Vatikansprecher Lombardi zu zitieren: Der Mann ist ja kein Gefangener. Also hat er selbstverständlich das soziale Leben eines älteren Herrn, aber auch das einen zurückgetretenen Papstes. Er sagt ja auch selbst von sich, er sei kein Privatier geworden. Und seine Art Papst Emeritus zu sein, ist es eben zu beten und den neuen Papst im Gebet zu begleiten – das ist seine Art und Weise, jetzt noch etwas beizutragen.