"Viel Glück und gutes Gebet!" Über Pater Andrews Gesicht huscht ein Lächeln. Mit einer kurzen Einweisung verabschiedet er sich. Stunden später, wenn sich die schweren Türen der Grabeskirche wieder öffnen werden, wird mancher nächtliche Gast die Geste des Franziskaners mit anderen Augen sehen. 19.00 Uhr - die Tore sind gerade erst hinter den wenigen Besuchern zugefallen. 15 Katholiken dürfen sich jede Nacht zu den Auserwählten zählen, die in der Kirche eingeschlossen werden. Hinzu kommt eine ähnliche Zahl Gläubige anderer Konfessionen.
Sie alle sind auf der Suche nach Ruhe an einem Ort, der tagsüber eher einem Rummelplatz gleicht als einem Ort des Gebets. Müde werden die Eingeschlossenen am nächsten Morgen das Gotteshaus im Herzen Jerusalems verlassen - und nicht selten verstört: Nach festen Regeln reichen sich die Konfessionen auch nachts den Stab weiter - mit einer an solch heiliger Stätte unerwarteten Aggressivität.
Ein kurzer Gang zur Sakristei seiner Konfessionsgruppe und ein bisschen Glück, dass die Liste der Kandidaten noch nicht zu lang ist - mehr braucht es nicht, um zu den Auserwählten für eine Nacht in der Grabeskirche zu gehören. Die eigentliche Herausforderung beginnt danach, wenn es kein Zurück mehr gibt. Ein Blitzlichtgewitter eröffnet den Abend. Der magische Moment der Türschließung, ein Schauspiel nach jahrhundertealten Regeln, will festgehalten werden.
Strenge Andachtsszeiten für jede Religion
Dann beginnt die lange Nacht zwischen Alltag und Anspruch, mit Andacht in engen Grenzen.
Bis 23.00 Uhr sollen alle in der Kirche freien Zugang zum engen Allerheiligsten der Grabeskirche haben, durch das tagsüber im Sekundentakt die Pilger gejagt werden. Gemischte Stunde sozusagen; erst dann übernehmen die Griechisch-Orthodoxen mit ihrer mehrstündigen Liturgie als erste das Zepter über die Rotunde. Doch heute Abend lassen sich zunächst die Armenier Zeit, putzen betont langsam die großen Leuchter am Eingang des Grabes.
"Es ist unsre Gebetszeit", fordert Robert Zugang. Die Spannung zwischen den Mönchen und dem britischen Katholiken ist greifbar. Dabei, sagt Robert, sind die Armenier "noch ganz OK, die Griechen sind viel tougher!" Der in Kairo lebende Laienmissionar ist ein Wiederholungstäter. Die erste Nacht in der Grabeskirche war als Auftakt seiner Pilgerreise geplant - und verlief "sehr enttäuschend".
Es geht um Macht, um Präsenz
Die Armenier geben schließlich das Grab frei, und die wenigen Pilger wechseln sich im stillen Gebet ab. Noch herrscht Ruhe, unterbrochen nur durch Mönche, die die Öllampen auffüllen. Im griechischen Mittelschiff der Kirche putzt eine Ordensschwester andächtig den Boden.
Schlag 23.00 Uhr wird der Ton rau. "Dies ist kein Zirkus", mahnt ein griechisch-orthodoxer Geistlicher einen fotografierenden Pilger mit schneidender Schärfe. Seinem Sitznachbarn droht er mit der Polizei. Das Vergehen: Er hat im Sitzen die Beine übergeschlagen - ein Tabu in der orthodoxen Tradition. Der langen Liturgie der Griechen folgen die Armenier, die Kopten, die Franziskaner. Zeitgleich, gegeneinander, manchmal feindlich. Es geht um Macht, um Präsenz, um angestammte Rechte. Wer zur "falschen" Konfession gehört, muss aufpassen, wo er bleibt.
Keine "einzigartige Erfahrung der Stille"
"Tagsüber ist dieser Ort ein Disneyland, nachts ist er Kriegsgebiet", sagt Robert. Das Verhalten der Konfessionsvertreter steht für ihn "in allem der heiligen Stätte entgegen". Eine "friedliche und heilige Nacht für Gebet und Reflexion" hatte auch Marcin erwartet; "eine einzigartige Erfahrung der Stille". Auch der polnische Erstbesucher wird enttäuscht. Die Grabeskirche erschließt sich auch nachts nicht auf Anhieb. Dass das schon früher so war, darauf deutet ein Pilgerbericht aus dem Jahr 1460: Erst in der zweiten Nacht wurden die Pilger am Heiligen Grab zu Rittern geschlagen.
Robert klingt jetzt versöhnter. "Ruhig" sei es gewesen im Vergleich zum letzten Mal. Und die Erlösung von der anstrengenden Nacht kommt früher als erwartet. Ein griechischer Bischof hat sich mit seinen Pilgern angemeldet; die Türen öffnen ausnahmsweise schon vor Mitternacht. Es ist eine kleine Niederlage. Aber der Pole Marcin will wiederkommen: "Jetzt weiß ich, was mich erwartet, und ich kann mich anders darauf einstellen."