Willibert Pauels über Terror, Traditionalismus und Träume

Einmal Nordkorea – und zurück

Er ist einer der beliebtesten Künstler im Karneval und wohl der bekannteste Diakon Deutschlands: Willibert Pauels, DOMRADIO.DE seit langem eng verbunden. Im Interview spricht er über seinen Glauben und Lachen in Zeiten des Terrors.

Willibert Pauels / © Michael Schopps (privat)
Willibert Pauels / © Michael Schopps ( privat )

Der gebürtige Wipperfürther Willibert Pauels ist Kabarettist und Büttenredner, Diakon und Diaclown, Humorist und einer, der gelernt hat, den "Schwarzen Hund" der Depression zu zähmen. Im Interview mit der unabhängigen Wochenzeitung "Neues Ruhr-Wort" sprach der 61-Jährige jetzt über seinen Glauben, Lachen in Zeiten des Terrors, seine konservativen Ansichten und einen ungewöhnlichen Wunsch. domradio.de veröffentlicht eine eigens erstellte Fassung des Interviews:

Neues Ruhr-Wort: Diakon Pauels, Sie zitieren am Ende Ihrer Auftritte als "Diaclown" oft die Figur des Pater Brown mit dem Ausspruch "Humor ist, wenn man trotzdem lacht". Brauchen wir das in diesen Zeiten besonders nötig?

Willibert Pauels: Es stimmt fast, es heißt: "Humor ist ein Teil der Religion". Nur wer über den Dingen steht, kann sie belachen. Das unterscheidet auch die gesunde Religion von der fundamentalistischen. Fundamentalisten können nie über sich lachen. Für mich ist das der Lackmus-Test: Kannst du über dich lachen? Kannst du über deine Religion lachen? Fundamentalisten können das nicht. Die verfolgen die Witzemacher, angefangen von Umberto Ecos Mördermönch Jorge, der sagt: "Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furcht kann es keinen Glauben mehr geben. Wer keine Furcht vor dem Teufel hat, der braucht keinen Gott mehr." Auch Erdogan, Hitler und Stalin verfolgen die Witzemacher. Mein Vater hat mir erzählt: Wer über Hitler einen Witz machte, konnte vors Standgericht gestellt werden. Denn der schlimmste Gegner der Angst ist der Humor. Und die Angst ist das probateste Mittel, um den Menschen gefügig zu machen. Religion darf niemandem Angst machen – das gilt auch für die Drohung mit der Hölle.

Neues Ruhr-Wort: Viele Menschen haben heute Angst. Sie verlieren zumindest ein bisschen die Leichtigkeit in ihrem Lebensgefühl – obwohl die Welt nicht gefährlicher oder gefährdeter ist als ohnehin seit ewigen Zeiten. Können Sie die Menschen als Seelsorger und Humorist leichter abholen?

Willibert Pauels: Das denke ich schon. Ich möchte auch an eine Serie des "Spiegel" erinnern, "Früher war alles schlechter". Der Welt ging es noch nie so gut wie heute. Aber das Gefühl ist für viele ein anderes. In Zeiten des RAF-Terrors war das anders. Da lief man kaum Gefahr, Opfer des Terrors zu werden, wenn man kein Politiker war. Der islamis­tische Terror aber ist nihilistisch und verbreitet dadurch mehr Schrecken. Jeder könnte zum Opfer werden. Ich bin überzeugt: Man kann nur frei leben, wenn man die österliche Perspektive hat.

Neues Ruhr-Wort: Was heißt das?

Willibert Pauels: Dann können wir auch in Zeiten des Terrors lachen. Der heilige Laurentius soll der Legende zufolge gesagt haben, als er auf dem Rost lag und verbrannt wurde: "Ihr könnt mich jetzt umdrehen – auf dieser Seite bin ich durch." Das ist der österliche Triumph! Der Triumph über die Angst vor dem Tod. Die tröstliche Gewissheit, dass es weitergeht. Am schönsten zusammengefasst ist das in dem Satz: "Wenn der Arzt sagt ,Exitus’, sagt der Gläubige ,Introitus’." Woody Allen hat einmal gesagt, seit er sich für den Atheismus entschieden hat, ist er ein unglücklicher Mensch. Wer empfänglich ist für die österliche Perspektive, lebt freier.

Neues Ruhr-Wort: In unserer Kirche geht es oft mit "hochheiligem Ernst" zu. Wie bekommen wir mehr Lo­ckerheit und Leichtigkeit in die katholische Kirche? Schließlich verkünden wir ja eigentlich die Frohe Botschaft…

Willibert Pauels: Ich möchte es erstmal rheinländisch sagen: Nix üvverdrieve, nichts übertreiben. Mir ist die Feierlichkeit sehr wichtig. Das "tremendum et faszinosum", das ehrfürchtige Erschauern vor dem Göttlichen. Wenn Furcht – dann Ehrfurcht! Das Liturgische darf auch nicht verflachen. Harald Schmidt hat es als Zyniker einmal so gesagt: "Ich kann es nicht mehr ertragen, in einen Gottesdienst zu kommen, wo mir die PastoralreferentIN unter Absingen von Rolf-Zukowski-Liedern den Klimawandel tanzt." Die Liturgie muss vom Anderen erzählen – nicht im Sinne von Angst, sondern in ehrfürchtiger Faszination.

Neues Ruhr-Wort: Sie bezeichnen sich selbstironisch auch schonmal als "konservativen katholischen Sack". Wie konservativ sind Sie?

Willibert Pauels: In gewissem Sinne bin ich auch für den Vorschlag von Kardinal Robert Sarah, dass sich der Priester in bestimmten Momenten gemeinsam mit dem Volk gen Osten wendet, auch wenn mir der Kardinal sonst viel zu konservativ und zu homophob et cetera ist. Aber in dem Punkt gebe ich ihm recht: Wenn der Priester gemeinsam mit dem Volk ausgerichtet ist auf das mys­tische Licht hin, das nach der Nachtmesse aus dem Osten kommt – das versteht jeder! Wenn das Licht unbesiegbar aus der Dunkelheit kommt – das braucht man keinem zu erklären. Ich bin aber nicht für die Extremform, sondern für eine liturgische Mischform: Dass sich die Gemeinde schon gemeinsam um den Tisch versammelt, aber dass es dann eben auch das Element gibt, wo einer spürt: Das ist was anderes als ein Stuhlkreis im Kindergarten. Ich möchte Liturgie nicht vergagen oder vermariobarthen. Das Hochamt sollte man ernst nehmen. Wie Augustinus sagt: "Wenn du ihn begreifst, ist es nicht Gott."

Neues Ruhr-Wort: Da spricht dann eher der Diakon als der Diaclown aus Ihnen…

Willibert Pauels: Aber ich habe auch in meinen Büttenreden immer ein bisschen gepredigt. Das geht für mich gar nicht anders. Der Humor ohne die Tiefe, ohne Sinn – das ist für mich nicht möglich. Wer für die österliche Perspektive empfänglich ist, hat das verstanden. Aber natürlich habe ich auch oft Kritik dafür bekommen.

Neues Ruhr-Wort: Vermissen Sie eigentlich  manchmal Ihren früheren Chef, den "Kanalmeister", wie sie Kardinal Meisner legendär in der Bütt genannt haben? Oder klappt es mit Kardinal Woelki genauso gut?

Willibert Pauels: Nein… Mein Freund Jürgen Becker hat es mal so gesagt: "Scheiße, dass der Kardinal Meisner weg ist! Der Woelki ist viel zu nett." Die einzigen, die bedauern, dass Kardinal Meisner weg sind, sind also die Kabarettisten.

Neues Ruhr-Wort: Der eigenwillige und oft unberechenbare Papst Franziskus bringt den Vatikan und seine Mitarbeiter immer wieder ins Schwitzen – und seine Anhänger zum Schmunzeln und Lachen. Hat "die" Kirche heute mehr Humor als früher?

Willibert Pauels: Ja – wenn wir ans 19. Jahrhundert denken. Das Osterlachen wurde erst im 19. Jahrhundert abgeschafft. Und da fing es auch an mit der neurotischen Sexualmoral, von der wir heute noch sprechen, und mit der Strenge. Das Erste Vatikanische Konzil fand statt. Es herrschten das extrem strenge viktorianische Zeitalter und andere Extreme. Davor, in der Renaissance, war das anders. Die Römer sagten: "Peccati de Carne – peccati di niente" – die Sünden des Fleisches sind nichts, sie sind lässlich. Sie liebten Papst Alexander VI., der mehrere Kinder hatte, weil er ein guter Vater war. Es wäre jetzt mal langsam an der Zeit, dass die Kirche wieder mehr Humor und Leichtigkeit bekommt. Aber der jetzige Papst ist jesuitisch schlau. Er macht nichts von oben, sondern er lässt hier und dort verbale Bömbchen fallen und hofft, dass sich in diesem verknöcherten Gebäude das Fundament bewegt und die Tür der Angst aufgesprengt wird.

Neues Ruhr-Wort: Stellen Sie sich vor: Es klingelt. Der Erzengel Gabriel kommt zu Ihnen und sagt: "Willibert, du hast drei Wünsche frei" – welche wären das?

Willibert Pauels: Nur drei? Das wären ja viel zu wenige. (lacht) Ich wünsche mir, dass die österliche Botschaft wahr ist, denn dann ergibt sich alles andere von ganz allein. Das ist wirklich mein sehnlichster Wunsch. Aber wenn der Erzengel Gabriel kommt, dann ist sie ja schon wahr. Wenn ich für mich persönlich schaue, dann hätte ich gerne das Talent zu malen. Ich habe so schöne Bilder im Kopf! Die würde ich gerne malen können – und zwar altmeisterlich. Und ich würde gerne mal mit dem Zug durch Indien fahren – aber das ist ein Wunsch, den man sich selbst erfüllen kann. Was ich auch unbedingt möchte, bevor das System zusammenbricht – und das wird es: einmal nach Nordkorea reisen, in einen Staat der absoluten Kontrolle. Wo sonst kann man das Fegefeuer live erleben? Ich habe gehört, dass es dort sogar Kirchen gibt, die man besuchen kann – doch die "Priester" darin sind Schauspieler. Das spürt man aber sofort. Sie sehen das einfach, wenn einer nicht gläubig ist und nicht mit Herz und Seele, mit Tiefe bei der Sache.

Neues Ruhr-Wort: Vor ein paar Jahren haben Sie mal gesagt, Sie könnten schlecht "Nein" sagen, sich dann aber – auch burn­outbedingt – vom Bühnenmarathon zurückgezogen. Heute gehen Sie offen mit dem "Schwarzen Hund" der Depression um, der Sie seit ihrer Kindheit begleitet hat. Gibt es aus heutiger Sicht eine positive Lehre aus der Zeit der Krise? Und wie klappt es jetzt mit dem Neinsagen?

Willibert Pauels: Ich habe auf jeden Fall etwas Positives mitgenommen! Wenn du so eine Krise durchstehst, bist du ja immer stärker. Mit dem Neinsagen klappt es zwar immer noch nicht. Aber ich fühle mich heute viel besser und es geht mir viel besser als jemals zuvor in meinem Leben. Es gab auch früher schöne Zeiten – aber so unbelastet, wie ich mich jetzt fühle, habe ich mich nie zuvor gefühlt.

Das Interview führte: Hildegard Mathies

Info:

Das vollständige Interview finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Neues Ruhr-Worts - Die unabhängige katholische Wochenzeitung im Internet und auf Facebook.


Quelle:
DR