Am 25. Januar 1959, vor 50 Jahren, kündigte er - zum Entsetzen mancher Vatikan-Prälaten - ein allgemeines Konzil an. Anlass und Ort waren unscheinbar: die römische Basilika Sankt Paul vor den Mauern, nach einem Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen. Vor den versammelten 18 Kardinälen hielt der Papst, entgegen seiner sonst fast sprichwörtlichen Gemütsruhe offenbar angespannt, eine umständliche Ansprache über die vielschichtigen Probleme der derzeitigen Weltlage, über die Konfrontationen des Kalten Krieges - und ließ dann am Ende die Katze aus dem Sack: "Gewiss ein wenig zitternd vor Bewegung, aber doch mit demütiger Entschlossenheit, sprechen wir vor euch den Namen und den Plan einer doppelten feierlichen Veranstaltung aus: einer Diözesansynode der Stadt Rom und eines Ökumenischen Konzils für die Gesamtkirche."
Beklommenes bis verblüfftes Schweigen statt der erhofften Begeisterung war die Reaktion, so will es die Überlieferung. Ein Schweigen, das den dickfelligen Papst Johannes dann doch kränkte: "Menschlich gesehen hätten wir eigentlich erwarten können, dass sie sich um uns gedrängt hätten, um uns ihre Zustimmung und ihre guten Wünsche auszusprechen", merkte er später an. Selbst von Kardinal Giovanni Battista Montini, als sein geistlicher Ziehsohn und späterer Nachfolger Paul VI. auf dem Stuhl Petri des Defätismus unverdächtig, ist die Einschätzung eines Telefonates vom selben Abend überliefert, der Papst wisse offenbar nicht, in welches "Wespennest" er da steche.
Frings: Ich habe das Gefühl, es muss jetzt stattfinden
Viele hatten in den Jahrzehnten zuvor die Idee allgemeiner Konzilien bereits für tot erklärt - zu aufwendig, zu ineffizient, zu unwägbar. Nur wenige wagten so zu denken wie der Kölner Kardinal Josef Frings, der bereits bei seiner Rückkehr vom Konklave 1958 äußerte: "Ich habe das Gefühl, es muss jetzt bald ein allgemeines Konzil stattfinden." Schließlich seien fast 100 Jahre seit dem letzten vergangen, und außerdem, so Frings in seinen Lebenserinnerungen, hätten "die beiden Päpste Pius XI. und Pius XII. die päpstliche Lehrautorität ziemlich stark strapaziert, und ich meinte, es sei jetzt bald an der Zeit, dass auch die Bischöfe wieder einmal ihre Stimme erheben könnten".
Kein Verurteilungs-Konzil wollte Johannes XXIII., kein Lehrkonzil mit neuen Dogmen, sondern ein von der Seelsorge geprägtes; dialogisch, nicht autoritär: eine Denkfabrik für die Fragen, die die Christen im 20. Jahrhunderts bewegten. Der Bedenken gab es freilich viele. Es sei unmöglich, hieß es, die umfangreichen Vorbereitungen - Arbeitsdokumente, Unterkunft für Konzilsväter - bis 1963 ins Werk zu setzen. "Dann werden wir eben schon 1962 beginnen", entgegnete der Papst ungerührt. Weniger aus Naivität, die man ihm unterstellte, als vielmehr mit realistischem Blick auf die wenige Zeit, die ihm noch blieb.
Das gewaltige Räderwerk in Gang gesetzt
So wurde also, mit den Worten des Konzilienforschers Giuseppe Alberigo, "das gewaltige Räderwerk der römischen Kirche in Gang gesetzt", dessen Umwälzungen bis heute zu spüren sind. Der prächtige Einzug der 2.450 Konzilsväter in den Petersdom am 11. Oktober 1962 wurde auch zum Triumphzug für die Idee des 80-jährigen Papstes, dessen tödliche Krebserkrankung bereits deutliche Schatten voraus warf. Für das letzte Stück Wegs verließ er die Sänfte - ein Symbol des kirchlichen Feudalismus, das sein Nachfolger abschaffte - und ging zu Fuß: auf Augenhöhe mit den Problemen der Welt und der Weltkirche, die hier zur Sprache kommen sollten.
Die dreijährige Kirchenversammlung machte Geschichte und führte zu atemberaubenden Veränderungen: eine tiefgreifende liturgische Erneuerung mit der Zurückdrängung der lateinischen Messe, ein verstärktes Selbstbewusstsein der Ortsbischöfe gegenüber Rom, aber auch der Laien gegenüber den Bischöfen, die Bewusstwerdung von Weltkirche und eine ökumenische Öffnung ohne Vorbild. Wohl niemand - auch nicht Johannes XXIII. selbst - konnte im Januar 1959 ahnen, wie viel Aktenstudium, wie viel theologisches und kirchenpolitisches Ringen und wie viel Wehen des Heiligen Geistes dafür noch notwendig sein würde.
Vor 50 Jahren kündigt Johannes XXIII. ein ökumenisches Konzil an
"Macht die Fenster der Kirche weit auf!"
Für viele klang es wie eine Befreiung, für andere wie eine Bedrohung: "Macht die Fenster der Kirche weit auf!" Das Motto, das Papst Johannes XXIII. (1958-1963) laut einer nie bestätigten Anekdote nach seinem Amtsantritt ausgegeben haben soll, ging als Weckruf durch die katholische Welt. Zu stark hatte sich die Kirche in den 19 Amtsjahren des entrückt wirkenden Asketen Pius XII. von einer Welt in Aufruhr abgekoppelt. Nun forderte der greise Antonio Giuseppe Roncalli, eigentlich als Kompromisskandidat und "Papst des Übergangs" gedacht, die Sensation: ein "aggiornamento", eine Wiederannäherung der Kirche an die Erfordernisse der Zeit.
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