Mexiko rechnet bei Parlamentswahlen mit geringer Wahlbeteiligung

Aktives Nichtwählen

In Mexiko sind am Sonntag Parlamentswahlen - doch vermutlich werden sich nur wenige beteiligen. Enttäuscht über Korruption, Mauscheleien und den zunehmenden Einfluss der Drogenmafia wenden sich die Wähler von der jungen Demokratie ab.

Autor/in:
Matthias Knecht
 (DR)

Mehr als zwei Drittel der 74 Millionen Wahlberechtigten werden am Wochenende laut offiziellen Schätzungen kein Wahllokal besuchen. Und beim kleinen Rest der Wahlwilligen wird die sogenannte Nullstimme immer populärer. Prominente, Medien und auch Politiker rufen dazu auf, leere Wahlzettel in die Urnen zu werfen.

Nach der Hälfte der Amtszeit des amtierenden Präsidenten Felipe Calderón stehen Zwischenwahlen an. Neu besetzt werden die 500 Mandate der Abgeordnetenkammer, die Gouverneursposten in sechs der 32 Bundesstaaten und die Bürgermeisterämter in 565 der 2.438 Kommunen des Landes.

Die Wähler sind frustriert
Doch die Wähler sind frustriert. Der konservativen "Partei der Nationalen Aktion" (PAN) von Präsident Calderón droht laut Umfragen ein Verlust. Die Wirtschaftskrise schlägt durch, die Kriminalitätsrate steigt. Zwar mobilisierte Calderón 36.000 Soldaten gegen die Mafia. Doch die Welle der Gewalt ist nicht aufzuhalten. Seit Calderóns Amtsantritt Ende 2006 kamen mehr als 12.000 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und der Mafia um.

Alternativen zur PAN bieten sich den Wählern kaum. Die stärkste Oppositionskraft, die einst regierende Partei der Institutionalisieren Revolution (PRI), gilt als vorbelastet. 71 Jahre lang führte sie Mexiko weitgehend autoritär. Zur Mehrparteiendemokratie ging das Land erst im Jahr 2000 über, mit dem Wahlsieg von Calderóns ebenfalls konservativem Amtsvorgänger Vicente Fox.

Ein Wahldebakel sagen Umfragen der linken Oppositionspartei PRD voraus. Deren früherer Präsidentschaftskandidat Andres Manuel López Obrador weigert sich bis heute, seine knappe Niederlage gegen Calderón 2006 anzuerkennen. Stattdessen tourt er als "legitimer Präsident" durchs Land und spaltet mit seinem Verhalten die eigene Partei.

Streit um staatliche Finanzierung der Parteienlandschaft
Auch die staatliche Finanzierung der Parteienlandschaft stößt vielen Wählern sauer auf. Rund sieben Milliarden Euro gab das Land seit dem Jahr 2000 dafür aus. Mancher beklagt zudem, dass keine unabhängigen Kandidaturen zugelassen werden.

Anfang Juni brachte darum die führende Tageszeitung "El Universal" erstmals einen Vorschlag, der zuvor nur im Internet kursierte: die Nullstimme. Das sonst konservative Blatt prangerte die "korrupten Eliten" des Landes an. Den Haken an der Nullstimme machte hingegen die Wirtschaftszeitung "Reforma" aus: "Die Enthaltung ermöglicht den Triumph von Parteien, die die größte Fähigkeit und das meiste Geld haben, ihre Anhänger an die Urnen zu treiben."

"Schaden für die mexikanische Demokratie"
Selbst die frühere Gouverneurin des Bundesstaats Yucatán, Dulce María Sauri, warb für die Nullstimme. Dabei betonte die PRI-Politikerin den Unterschied zwischen simpler Wahlenthaltung und aktivem Nichtwählen: "Das ist kein Aufruf zur Enthaltung, sondern zur aktiven Beteiligung."

Abgeordnete und Führer aller zehn kandidierenden Parteien verurteilten den Aufruf. Der Führer der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Jesús Ortega, sprach von einem "demagogischen und gefährlichen Vorschlag". Und der PRI-Gouverneur Eugenio Hernández warnte vor einem "Schaden für die mexikanische Demokratie."