Weltweit rund 560 Millionen protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Christen repräsentiert der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), der am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet wurde. Mitglieder sind heute 349 Kirchen und kirchliche Gemeinschaften aus mehr als 110 Ländern. Doch sie alle zu einer gemeinsamen Haltung zu bringen, um als eine ökumenische Stimme sprechen zu können, ist oft genug eine Herkulesaufgabe. In den vergangenen Jahren war es vor allem der Dissens zwischen Protestanten und Orthodoxen, der die Arbeit im Weltbund lähmte. Manche Brücken wurden dabei eingerissen.
Vom neuen Chef der Genfer ÖRK-Zentrale werden daher vor allem Eigenschaften als Brückenbauer erwartet. Die Findungskommission hat zwei durchaus unterschiedliche Charaktere nominiert: Olav Fykse Tveit (48) leitet den Auslands- und Ökumenerat der norwegischen lutherischen Kirche, Park Seung-won (62) ist reformierter Theologieprofessor am Youngnam College in Gyeongsan. Er wäre neben UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon ein weiterer Südkoreaner an der Spitze einer internationalen Großorganisation. Der Ausgang der Wahl im rund 150 Mitglieder zählenden ÖRK-Zentralausschuss, der von Mittwoch an bis 2. September tagt, gilt als offen.
Das betont auch der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte. Als Mitglied des Findungsausschusses hat er einen «sehr nachhaltigen» Eindruck von beiden Bewerbern erhalten: «Es ist nichts entschieden.» Park stehe als Mitglied des ÖRK-Zentralkomitees eher in der Kontinuität des Weltbundes, so Schindehütte. Fykse Tveit weise zwar die größere strukturelle Distanz auf; aber der internationalen ökumenischen Bewegung sei er sehr verbunden und habe als Lutheraner nicht zuletzt großes Verständnis für die Anliegen der Orthodoxie.
Schindehütte erwartet die Wahl als «undramatischen Prozess».
Wichtiger als Personalfragen ist aus seiner Sicht, den Weltkirchenrat im 21. Jahrhundert neu zu positionieren. Die «Achillesferse» sei dabei das Verhältnis zu den rund 500 Millionen charismatischen und pfingstlerischen Christen. «Wir haben zu ihnen noch keine Beziehung gefunden.» Auch müsse der ÖRK das interreligiöse Gespräch vertiefen und sich stärker in die öffentlichen politisch-kulturellen Debatten einbringen. «Wir wollen», so der Geistliche, «ein Konzert des christlichen Zeugnisses anstimmen, das vielstimmig, aber aufeinander bezogen ist.»
Ob nun der Lutheraner Fykse Tveit oder der Reformierte Park - der neue Generalsekretär wird auch im Dialog mit der katholischen Kirche eine wichtige Aufgabe vorfinden. Man wolle die bislang gute Zusammenarbeit mit dem Vatikan «weiterentwickeln», so der EKD-Auslandsbischof. Die Sorge um Wirtschaft, Umwelt oder soziale Gerechtigkeit trenne Christen nicht, sondern eine sie. Das bringt auch der scheidende ÖRK-Chef Kobia zum Ausdruck, wenn er mit Blick auf die jüngst veröffentlichte Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. über einen großen Konsens der großen kirchlichen Traditionen in diesen Fragen spricht.
Ökumenischer Rat der Kirchen wählt neuen Generalsekretär in schwierigen Zeiten
Brückenbauer gesucht
Am Donnerstagnachmittag wird es spannend in Genf. Dann bestimmt der Ökumenische Rat der Kirchen einen neuen Generalsekretär. Der bisherige Amtsinhaber, der kenianische Methodistenpfarrer Samuel Kobia, hatte im vergangenen Jahr überraschend auf eine Wiederwahl verzichtet - und damit zugleich auf die nicht ganz einfache Situation der Organisation aufmerksam gemacht: Die Finanzmittel sind knapp, die Strukturen veraltet, die Ziele unklar.
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