Anschläge verleihen "Tag der verfolgten Christen" traurige Aktualität

Heiliger Stephanus, bitte für uns

Der Ruf nach Religionsfreiheit war eine der zentralen Botschaften der Tage vor und zu Weihnachten. Wie aktuell diese Forderung führender Kirchenvertreter und Politiker ist, zeigen Anschläge in Nigeria und auf den Philippinen. Der blutige Abschluss eines Jahres, in dem An- und Übergriffe auf Christen weltweit weiter zunahmen.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

In der nigerianischen Stadt Jos in Zentralnigeria kamen an Heiligabend mindestens 32 Menschen ums Leben, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Insgesamt vier Bomben gingen in der Altstadt von Jos in die Luft, eine Bombe ganz in der Nähe einer katholischen Kirche. Als sie explodierte, starben mehrere Menschen, die auf dem Weg zum Gottesdienst waren. Wer hinter den Anschlägen steckt, darüber wird in Nigeria noch spekuliert. Beobachter gehen davon aus, dass es sich möglicherweise um radikale Muslime handeln könnte. Dafür würde sprechen, dass alle vier Bomben in vorwiegend christlichen Gebieten der Stadt deponiert waren.



Jos ist die Hauptstadt von Plateau State und gilt seit Jahren als Pulverfass. Erst im Januar und März wurden bei Kämpfen mehrere hundert Menschen getötet. Noch Anfang der Woche starben acht Menschen bei Unruhen. Betont wird allerdings immer wieder, dass die Anschläge nur bedingt religiöse Motive haben. Stattdessen geht es hauptsächlich um Zugang zu Land, Ressourcenverteilung und ethnische Konflikte.



Bei einem Bombenattentat auf eine katholische Kirche auf der südphilippinischen Insel Jolo wurden sieben Menschen am Ersten Weihnachtstag verletzt. Das Attentat habe sich am frühen Morgen während eines Weihnachtsgottesdienstes ereignet, meldete am Samstag das Nachrichtenportal der Bischofskonferenz der Philippinen. Über die Täter gibt es noch keine Informationen. Jedoch ist die Insel Jolo eine Hochburg der Terrororganisation Abu Sajaf, die mit dem Terrornetzwerk Al Kaida verbunden ist. Die Bombe ging im Altarraum der Kirche Sacred Heart of Jesus hoch. Unter den Verwundeten sei auch der Priester, der zum Zeitpunkt der Explosion das Evangelium gelesen hatte.



Keine Mitternachtsmessen im Irak

Im Irak fanden aus Angst vor Terroranschlägen in diesem Jahr erst keine Mitternachtsmessen zu Weihnachten statt. Im Irak wurden in der Vergangenheit Christen immer wieder Opfer von Anschlägen.



Wegen der unsicheren Lage sei der Nahe Osten für die dort lebenden 17 Millionen Christen eine unsichere Heimat geworden, sagte der Religionsbeauftragte der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Walter Flick, im Interview mit domradio.de. Gewaltsame Übergriffe nahmen auch in Ländern wie Ägypten, wo zwischen 5 und 8 Millionen Kopten leben, und Pakistan, das noch immer etwa 2,5 Millionen Christen beheimatet, weiter zu. So häuften sich im Herbst des Jahres gewalttätige islamistische Übergriffe auf christliche Gemeinden in Pakistan sowie gezielte Aktionen gegen Einzelne.



Zwischen 100 und 200 Millionen Verfolgte

Wie hoch die Zahl der verfolgten Christen weltweit ist, bleibt umstritten. Während die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte von rund 200 Millionen Verfolgten unter den gut zwei Milliarden Christen ausgehen, vermutet die Hilfsorganisation "Open Doors", dass die Zahl bei 100 Millionen liegt. Von dieser Zahl geht auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, aus. Christen seien gegenwärtig die am meisten bedrängte Religionsgruppe, schreibt der Freiburger Erzbischof in einem Gastkommentar für die "Bild am Sonntag". 100 Millionen seien von Diskriminierung, Schikanen und Gewalt betroffen, unter anderem in Pakistan, Indien und China. Am schlimmsten sei die Lage jedoch im Irak, wo die Hälfte der christlichen Bevölkerung durch Gewalt ins Ausland vertrieben worden sei.



Der Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte erst vor wenigen Tagen im Interview mit domradio.de, Christen seien die Religionsgruppe, die derzeit "weltweit mit am stärksten bedrängt oder verfolgt" werde.



"Tag der verfolgten Christen"

Die katholische Kirche begeht den Zweiten Weihnachtstag auch als "Tag der verfolgten Christen". An diesem Tag erinnert sie traditionell an den heiligen Stephanus, der als erster Märtyrer verehrt wird. Zollitsch betonte, in die Weihnachtsfreude mische sich angesichts der Situation vieler Christen auch Wehmut und Trauer. Religionsfreiheit für alle Menschen sei Voraussetzung für Frieden in der Welt.



"Christen fordern für sich keine Vorrechte, aber verlangen Religionsfreiheit für sich und für alle Menschen", betonte der Erzbischof. Die verfolgten Christen benötigten Zeichen der Solidarität und das Gebet.