Sprengfallen in Afghanistan fordern viele Opfer

Der heimtückische Tod

Der am Donnerstag bei einem Anschlag in Afghanistan getötete Bundeswehrsoldat starb durch eine Sprengfalle. Auch die drei gefallenen Soldaten, von denen die Bundeswehr heute bei einer Trauerfeier in Hannover Abschied nehmen wird, waren in der vergangenen Woche selbstgebauten Sprengsätzen zum Opfer gefallen. Könnte bessere Ausrüstung Leben retten?

Autor/in:
Steffen Mayer
 (DR)

Die Gefahr durch diese Waffen, die Aufständische meist am Straßenrand legen oder in Schotterpisten vergraben, nimmt zu. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), fordert eine bessere Ausstattung der Bundeswehr zum Aufspüren und Entschärfen von Sprengfallen.



Allein seit Jahresbeginn gab es in Afghanistan nach Angaben des Verteidigungsministeriums mehr als 1800 Anschläge mit Sprengfallen auf Soldaten der internationalen Truppen. Im Schnitt explodieren jeden Tag zwölf Sprengsätze. Sie verletzen, verstümmeln, töten - Opfer sind Soldaten und afghanische Zivilisten. Vier von zehn zivilen Opfern des afghanischen Guerillakriegs sterben durch IED.



Neben den Selbstmordattentaten zählen die selbstgebauten Minen zu den gefährlichsten Waffen, mit denen die Aufständischen die Soldaten der ISAF angreifen. Im offenen Gefecht haben die Taliban und ihre Verbündeten kaum eine Chance, weshalb sie zunehmend IED einsetzen. 60 Prozent der gefallenen US-Soldaten sind Opfer von Sprengfallen.



Zivilisten als Schutzschild missbraucht

Die Taliban wissen auch um den Wert der Minen für die psychologische Kriegsführung. Nichts ist für die ISAF-Soldaten so zermürbend wie das ständige Risiko, auf Patrouille in die Luft gesprengt zu werden. Gleichzeitig machen die Aufständigen es den Soldaten immer schwerer, sie am Legen von Sprengsätzen zu hindern. Sie wissen, dass die Bundeswehr Opfer unter der Zivilbevölkerung vermeiden möchte. Deshalb platzieren sie die Bomben häufig dort, wo sich viele Zivilisten aufhalten. Ein einsatzerfahrener deutscher Soldat erklärte der Nachrichtenagentur dapd, dass die Aufständischen oft nachts aktiv sind. Das seien "aber wegen der großen Hitze am Tag auch viele Bauern. Zivilisten und Aufständische kann man da nicht auseinanderhalten".



Derzeit hat die Bundeswehr kaum Möglichkeiten, gegen Täter in solchem Umfeld vorzugehen, ohne zivile Opfer zu riskieren. Die Panzerhaubitze 2000 beispielsweise, die auch im Feldlager Kundus stationiert ist, kann nur "auf offener Fläche eingesetzt werden, nicht aber in der unmittelbaren Nähe von bewohntem Gebiet", sagt der Wehrbeauftragte Königshaus.



Die Haubitze hat eine Streuung von 20 bis 25 Meter und ist damit für eine gezielte Bekämpfung einzelner Personen, etwa auf einer Dorfstraße, zu ungenau. Die Einsatzvorgaben für die ISAF-Truppen fordern ohnehin besondere Rücksicht auf die Bevölkerung. Von dem Soldaten in Kurzform gebracht heißt das auch: "Jeder tote Zivilist führt zu neuen Gegnern, die den jetzt rächen wollen."



Gefahrengebiete auf Dauer nicht sicher zu überwachen

Die US-Truppen bekämpfen Bombenleger auch aus der Luft, sie fliegen mit Kampfhubschraubern Patrouille und feuern aus der Distanz. Doch zum einen haben die deutschen Truppen keine Kampfhubschrauber, und zum anderen kann in besiedeltem Gebiet auch nicht einfach mit der Bordkanone angegriffen werden.



Die Amerikaner nutzen zur Überwachung von Dorfstraßen, an denen häufig IED vergraben werden, gelegentlich auch kleine Scharfschützentrupps. Sie beobachten die neuralgischen Punkte und schlagen zu, wenn Aufständische Bomben legen wollen. Es ist allerdings nicht möglich, dauerhaft entsprechende Posten für alle gefährdeten Gebiete einzurichten.



Nach Einschätzung des deutschen Soldaten gibt es "einfach nicht genug Soldaten, um die ganzen Gebiete, die ganzen Straßen und Dörfer mit kleinen Posten zu überwachen". Zudem könnten die Aufständischen immer ausweichen und "ihre Sprengsätze außerhalb des Überwachungskreises solcher Posten vergraben".



Bombenleger warten einfach ab, bis Überwachung nachlässt

Ein ähnliches Problem gibt es nach Erfahrung des deutschen Soldaten bei der Überwachung aus der Luft, etwa mit Aufklärungsdrohnen. Er sagt: "Wenn ein Gebiet stark überwacht wird, dann warten die Aufständischen einfach ab, bis die Drohnen und die Patrouillen wieder weg sind. Für sie ist es egal, ob sie die Sprengfalle heute oder morgen legen."



Von der einheimischen Bevölkerung dürfen die internationalen Truppen kaum Hilfe erwarten. Sie warnt die ausländischen Soldaten nicht vor den Sprengfallen, weil viele Dörfer den fremden Truppen zunehmend feindlich gesinnt sind. Wo dies nicht der Fall ist, drohen die Aufständischen den Dorfbewohnern Rache an. "Die Taliban üben massiven Druck auf die Bevölkerung aus, damit die keine Informationen an die Sicherheitskräfte geben", berichtet der Soldat aus dem Einsatz.



Wehrbeauftragter fordert bessere Ausstattung der Truppe

Vor diesem Hintergrund fordert der Wehrbeauftragte eine bessere Ausstattung der Truppe. Die militärischen Vorgesetzten im Einsatz sollten die richtigen Mittel zur Verfügung haben, um, so Königshaus, "zielgerichtet, angemessen und auch verhältnismäßig reagieren zu können". Dazu gehöre unter anderem der bisher noch nicht eingesetzte Kampfhubschrauber Tiger. Er sollte "so schnell wie möglich" nach Afghanistan verlegt werden.



Der Bundeswehr fehlt seit Jahren auch eine Möglichkeit, Sprengfallen aus gepanzerten Fahrzeugen heraus aufzuspüren und zu beseitigen. Dafür verwenden die US-Truppen schon lange kleine Konvois verschieden ausgerüsteter Anti-Minen-Fahrzeuge, sogenannte "Road Clearance Packages".



Königshaus kritisiert, dass deutsche Soldaten dagegen noch immer aus ihren gepanzerten Fahrzeugen aussteigen müssen, um per Hand die Sprengfallen zu suchen und zu entschärfen. "Das ist unverantwortlich", sagt er. Eine deutsche Lösung solle nächstes Jahr kommen. Auch deswegen lautet das ernüchternde Fazit des Soldaten: "Letztendlich ist man gegen die Sprengsätze fast machtlos."



Das Bundesverteidigungsministerium antwortete auf Fragen der Nachrichtenagentur dapd zum Umgang mit den IED-Gefahren nicht.