Todesschwadronen in Brasilien töten Jugendliche und bedrohen Jesuitenpater

Die Logik der Säuberung

Aus Polizisten gebildete Todesschwadronen sorgen im zentralbrasilianischen Bundesstaat Goias für Angst und Schrecken. Ihre Opfer sind vor allem Jugendliche und Kinder. Nun musste ein Jesuitenpater, der zur Aufdeckung der Bluttaten beigetragen hatte, nach Morddrohungen die Hauptstadt Goiania verlassen.

Autor/in:
Thomas Milz
 (DR)

Polizeiterror gehört seit langem zum Alltag in Goias, wie Angehörige der Bürgerbewegung "Violencia Goias" (Gewalt Goias) berichten; sie kämpfen seit Jahren gegen die Gewalt in ihrem Bundesstaat.

Verantwortlich seien Hardliner innerhalb der Policia Militar, der der Landesregierung unterstellten Schutzpolizei. Deren Logik sei es, dass Jugendliche aus armen Familien, besonders dunkler Hautfarbe, für die Zunahme von Verbrechen wie Diebstahl und Drogenhandel verantwortlich seien.



19 Polizisten von der Bundespolizei unter Mordverdacht wurden festgenommen. Den im Februar Verhafteten, darunter der Vizekommandant von Goias, werden Dutzende von Morden an Jugendlichen zur Last gelegt. Auch politische und polizeiliche Korruption stehe hinter einigen der Fälle, erläutert "Violencia Goias" - wobei die vermeintliche Selbstjustiz der Polizisten die tatsächlichen Tatmotive verschleiern solle.



Jesuit kämpft seit Jahren

Seit Jahren kämpft der Jesuit Geraldo Marcos Labarrere Nascimento bereits gegen Gewalt an Jugendlichen und für eine Bestrafung der Täter. Der 71-Jährige, der das Jugendzentrum "Casa da Juventude" (Haus der Jugend) in Goiania leitet, hatte der Bundespolizei bei den Ermittlungen gegen die Todesschwadronen geholfen. Daraufhin wurde er in eine Kommission zur weiteren Untersuchung der Polizeigewalt berufen - deren Mitglieder seit den Festnahmen in Angst leben. Teils sogar öffentlich werden sie von Polizisten bedroht, ohne dass diese dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Auch Journalisten, die über die Fälle berichten, gerieten ins Fadenkreuz der Polizistenwut.



"Padre Geraldo hat sich die Verteidigung des Lebens auf die Fahne geschrieben", sagt Edmilson Borges da Silva, Erzieher in der "Casa da Juventude". "Er hat in Frage gestellt, ob der Staat seiner Pflicht, das Leben zu verteidigen, auch tatsächlich nachkommt." Nun musste er selbst aus Goiania flüchten, weil sein eigenes Leben bedroht wurde. Und immer noch bedroht ist. In der Nacht zum 25. August setzte sich der Pater, der in seiner Jugendarbeit vom katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat aus Deutschland unterstützt wird, nach einer anonymen Warnung ab. Das Mordkommando sei bereits auf dem Weg zu ihm gewesen, berichten Mitarbeiter.



Auch die Justiz ist ein Problem

"Es ist auffällig, wie gut diese Todesgruppen der Polizei hier organisiert sind", urteilt "Violencia Goias"-Mitarbeiter Eduardo de Carvalho Mota. "Und es fällt auf, wie sehr die Politik die Augen verschließt und dies einfach geschehen lässt." Das gelte auch für große Teile der Gesellschaft, die offenbar dächten, dass solche Polizeiaktionen genau der Aufgabe der Polizei entsprechen. "Man ist der Meinung, dass nur ein toter Bandit ein guter Bandit ist", so Carvalho Mota. "Violencia Goias" vermutet, dass statt der bislang bekannten gut 40 Mordfälle mindestens 200 Jugendliche den Todesschwadronen zum Opfer gefallen sind. Zudem gebe es noch eine Dunkelziffer von spurlos verschwundenen Obdachlosen, die das gleiche Schicksal erlitten haben könnten.



Derweil sinkt die Hoffnung, dass die Greueltaten tatsächlich gesühnt werden. Einer der 18 Polizisten, die noch einsaßen, wurde in der vergangenen Woche aus der Haft entlassen. "Die Frist zur Prozesseröffnung war überschritten", berichtet die deutsche Missionarin Petra Silvia Pfaller, die seit Jahren für die Gefängnispastoral in Goiania arbeitet. Und diese Woche wird entschieden, ob diese Entscheidung nicht auch auf die anderen 17 ausgedehnt wird. Offenbar ist das Problem nicht nur die Polizei, sondern auch die Justiz.