Russisch-orthodoxer Patriarch Kyrill I. wird 65

Zum Priester geboren

Obwohl Kyrill I. erst seit 2009 die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche leitet, kann er bereits eine Reihe von Erfolgen vorweisen. Dass der Moskauer Patriarch einmal ein unerschütterlicher Kirchenmann werden sollte, war quasi in die Wiege gelegt.

Autor/in:
Oliver Hinz
Kyrill I.: Seit 2009 der Moskauer Patriarch (epd)
Kyrill I.: Seit 2009 der Moskauer Patriarch / ( epd )

Schon als er drei oder vier Jahre alt war, wollte der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. nach eigener Aussage zu Hause Gottesdienste zelebrieren. Dazu habe er ein extra für ihn genähtes Priestergewand angezogen. "Als ich sechs oder sieben Jahre war, konnte ich ohne einen einzigen Fehler Andachten und Totenmessen halten", erzählte das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche einmal. Diesen Enthusiasmus verkörpert der Patriarch, der am Sonntag 65 Jahre alt wird, bis heute.



Schon sein Großvater und sein Vater waren orthodoxe Popen - und ließen sich trotz brutaler Verfolgung durch die kommunistischen Machthaber nicht von ihrem christlichen Glauben abbringen. Voller Bewunderung erzählt Kyrill I., dass sein Großvater Wassilij Gundjajew (1879-1969) in den 1920er bis 40er Jahren gegen die Schließung von Kirchen und für das orthodoxe Christentum gekämpft habe. Selbst mehr als 20 Jahre Haft hätten seinen Großvater nicht gebrochen, sondern im Gegenteil darin bestärkt, seinem Enkel zu raten: "Fürchte dich vor keinem - außer vor Gott."



Exzellenter Draht zur Politik

Das hat Kyrill I. zweifellos selbstsicher gemacht. So strotzt er auch als Patriarch der größten orthodoxen Nationalkirche vor Selbstbewusstsein. Kontinuierlich steigert er den Einfluss seiner Kirche auf Politik und Gesellschaft. Mit Staatspräsident Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin setzt er sich fast monatlich zusammen. Der exzellente Draht zu beiden hat sich für Kyrill I. bereits jetzt - gut zweieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt - längst ausgezahlt. Seine größten politischen Erfolge sind bislang, dass an allen russischen Schulen ab 2012 wieder orthodoxe Religion unterrichtet wird und die Kirche fast ihr gesamtes zu Sowjetzeiten verstaatlichtes Kircheneigentum zurückerhält.



Der Patriarch revanchierte sich auf seine Weise: Er lobte Putin über den grünen Klee. "Vor allem dank Ihrer Anstrengungen ist der Trend abgewendet, der unser Land an den Rand des Zusammenbruchs brachte", gratulierte Kyrill I. Putin im Oktober zum 59. Geburtstag. Das Kirchenoberhaupt meidet bislang jede öffentliche Kritik am mächtigsten Politiker des Landes - obwohl dieser bislang alle Forderungen nach einer Verschärfung der Abtreibungsregelung ignoriert.



Deutlich intensiver als sein Vorgänger Alexij II. (1990-2008) bemüht sich Kyrill I. um die orthodoxen Gläubigen in der Ukraine und Moldawien. Schließlich ist er auch deren geistiges Oberhaupt. So besuchte er schon ein halbes Dutzend Mal die Ukraine, während Alexij II. in 18 Jahren nur einmal dort war.



Allianz mit der katholischen Kirche

Symbolisch zollt der orthodoxe Moskauer Patriarch beiden Ländern auch dadurch Respekt, dass die lange Zeit nur russische Internetseite des Patriarchates seit kurzem alle Meldungen ins Ukrainische und Moldawische übersetzt. Seit seinem Amtsantritt steht in der Moskauer Residenz außerdem nicht nur die russische Fahne, sondern auch die ukrainische und die moldawische. 20 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR betont er die Gemeinsamkeiten der ehemaligen Sowjetrepubliken und wirbt für deren Zusammenhalt.



Als eine seiner wichtigsten Aufgaben betrachtet der Patriarch die weitere Stärkung der Kirchenstrukturen in Russland. Allein dieses Jahr gründete er hier mehr als ein Dutzend neue Diözesen. In Moskau wurde mit dem Bau von 200 neuen Kirchen begonnen.



So sehr wie Kyrill I. hat wohl noch nie ein russisch-orthodoxer Patriarch seine Verbundenheit mit dem Papst bekundet. Benedikt XVI. vertrete zur Säkularisierung, Globalisierung und zu moralischen Normen eine "konsequente Position, die dem orthodoxen Standpunkt nahe ist", betonte er. Kyrill I. setzt auf eine Allianz mit der katholischen Kirche zur Verteidigung christlicher Werte. Freilich gibt es noch theologische Unterschiede zwischen beiden Kirchen. Kyrill I. lehnt etwa die Todesstrafe - anders als der Papst - nicht total ab. Dennoch ist eine historische erste Begegnung eines Moskauer Patriarchen mit einem Papst unter Kyrill I. womöglich inzwischen in greifbare Nähe gerückt.