Ärzte kritisieren Einführung mobiler Sterbehelfer in Niederlanden

Über die Grenzen ärztlicher Behandlung

Die niederländische "Lebensendeklinik" beginnt am Donnerstag ihre Arbeit mit ambulanten Sterbehilfeteams. In Deutschland stößt sie auf scharfe Kritik. Caritas-Präsident Prälat Dr. Peter Neher äußert sich im domradio.de-Interview entsetzt. Auch in den Niederlanden, wo Sterbehilfe rechtlich nicht verfolgt wird, ist die Klinik umstritten.

 (DR)

Mehr als 70 Niederländer haben sich bereits bei der neuen "Lebensendeklinik" für aktive Sterbehilfe als Patienten angemeldet. Die Klinik nehme an diesem Donnerstag offiziell ihren Betrieb auf, teilte die "Vereinigung für ein Freiwilliges Lebensende" am Mittwoch in Amsterdam mit. Zunächst sollen sechs ambulante Teams mit jeweils einem Arzt und einer Pflegekraft den Todeswunsch sterbenskranker Patienten erfüllen. In Deutschland übten Bundesärztekammer und Hospiz-Stiftung scharfe Kritik an dem Angebot.



Seit zehn Jahren wird Sterbehilfe in den Niederlanden nicht mehr verfolgt

Die Klinik will vor allem Menschen behandeln, deren Ärzte aktive Sterbehilfe ablehnen. Nach dem niederländischen Sterbehilfegesetz sind Ärzte dazu nicht verpflichtet. Viele weigern sich aus religiösen oder ethischen Gründen. Manche fürchten auch strafrechtliche Verfolgung. In den Niederlanden wird aktive Sterbehilfe zwar seit zehn Jahren nicht mehr verfolgt, es gelten aber strenge Voraussetzungen: Der Patient muss unerträglich leiden, aussichtslos krank sein und selbst ausdrücklich und mehrfach um Sterbehilfe gebeten haben. Ein zweiter Arzt muss zurate gezogen und jeder Fall gemeldet werden.



Caritas-Präsident Neher sieht in dem ambulanten Angebot den "Gipfel des Unerträglichen und Menschenverachtenden" erreicht. Sterbende Menschen bräuchten Zuwendung und die Begleitung statt Hilfe beim Sterben.



Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sprach sich strikt gegen die "Lebensendeklinik" aus. Es gehöre niemals zum Arztberuf, den Tod herbeizuführen, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe). "Wir wollen den Tod zulassen, wenn die Zeit da ist, wir wollen ihn aber nicht zuteilen", unterstrich der Mediziner.



Montgomery: Zahl der Hospize erhöhen

Die Palliativmedizin könne dazu beitragen, das Vertrauen der Menschen in eine fürsorgliche Medizin am Lebensende zu stärken. Daher müsse die Zahl der Palliativstationen und Hospize in Deutschland dringend weiter erhöht werden. "Eine gute und flächendeckende Palliativmedizin wird den Ruf nach aktiver Sterbehilfe sicher verhallen lassen", betonte der Ärztepräsident.

Auch die Deutsche Hospiz-Stiftung übte Kritik an den ambulanten Sterbehilfe-Teams. "Das Konzept der Euthanasielobby lautet: Tod muss überall und für jeden verfügbar sein", sagte der Geschäftsführende Vorstand Eugen Brysch. Das übe Druck auf schwerstkranke und sterbende Menschen aus, die oft Abhängigkeit und Einsamkeit fürchteten. "Aus ihrem Recht auf Tötung wird die Pflicht zum Sterben." Die Stiftung forderte für Deutschland stattdessen eine Ausweitung palliativer Angebote für todkranke Menschen.



Zuvor hatte bereits Vizepräsident Friedrich Hauschildt vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit Blick auf die niederländische "Sterbe-Klinik" aktive Sterbehilfe abgelehnt. "Wir betrachten das Leben als Gabe von Gott, über die wir nicht einfach verfügen können", sagte Hauschildt.



Auch Niederländischer Ärzteverband äußert Bedenken

Auch beim Königlichen-Niederländische Ärzteverband gibt es starke Bedenken gegen die "Lebensendeklinik". Damit werde aktive Sterbehilfe propagiert, auch wenn es noch andere Therapien gebe. "Man kann das Leiden von Menschen in vielen Fällen auch auf andere Weise beenden, als den Tod schnell herbeizuführen", argumentierte der Verband.



Die "Vereinigung für ein Freiwilliges Lebensende" schätzt, dass jährlich rund 1.000 Patienten das Klinikangebot in Anspruch nehmen wollen. Dabei handele es sich vor allem um Krebspatienten in der Endphase. Insgesamt werden in den Niederlanden bei den regionalen Kommissionen jährlich rund 2.500 Euthanasie-Fälle gemeldet.



Im Laufe des Jahres will die "Lebensendeklinik" in Den Haag ein eigenes Haus beziehen. "In den meisten Fällen wollen die Patienten zu Hause sterben", sagte Klinikleiter Jan Suyver. Er betonte, dass die mobilen Teams sich strikt an die gesetzlichen Vorgaben halten würden.

Das niederländische Gesundheitsministerium hat gegen die Eröffnung der Klinik beziehungsweise der mobilen Sterbehilfeteams keine Einwände.