Der südliche Nachbar der Vereinigten Staaten ist die erste Station der Papstreise nach Lateinamerika vom 23. bis zum 29. März. Angesichts der großen Aufmerksamkeit, die Fidel Castro und die schwierige Lage der katholischen Kirche auf der Karibikinsel erhalten, gerät leicht außer Acht, dass auch in Mexiko das Verhältnis zwischen Staat und Kirche bis in jüngste Zeit alles andere als unkompliziert war. Schon die Unabhängigkeitserklärung Mexikos 1821 stand kirchlich unter einem ungünstigen Stern. Die katholische Kirche unterstützte die Kolonialmacht Spanien und exkommunizierte zwei führende Gestalten der Unabhängigkeitsbewegung: die Priester Miguel Hidalgo und Jose Maria Morelos. Vor diesem historischen Hintergrund hatte es für mexikanische Katholiken eine besondere Symbolkraft, dass Benedikt XVI. seine Reise im Dezember bei einem Gottesdienst ankündigte, der dem Gedenken an die Unabhängigkeitserklärungen der lateinamerikanischen Staaten gewidmet war.
Ein "Gottesdienststreik" und ein anschließender Bürgerkrieg von 1926 bis 1929 bildeten nur einen der Höhepunkte in dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen dem von einem aggressiven Antiklerikalismus geprägten mexikanischen Staat und der Kirche. Aus Protest gegen kirchenfeindliche Maßnahmen der Regierung ordneten die Bischöfe 1926 die Aussetzung aller Gottesdienste an. Daraufhin griffen Tausende Katholiken zu den Waffen, um die Regierung zu stürzen. Nach verlustreichen Kämpfen endete der sogenannte "Bürgerkrieg der Cristeros" 1929 mit einem Kompromiss: Die Kirche erhielt die eingezogenen Kirchengebäude und Pfarrhäuser zurück, den Aufständischen wurde Amnestie zugesichert.
Wende im Verhältnis 1979
Wie dramatisch die Situation der Kirche in Mexiko in den 1920er und 30er Jahren war, belegen nicht zuletzt auch drei Enzykliken, in denen Papst Pius XI. (1922-1939) die Gewalt gegen Priester und die Unterdrückung der katholischen Kirche in dem lateinamerikanischen Land anprangerte. "Ich bin gläubig": Erst mit diesem schlichten Bekenntnis des mexikanischen Staatspräsidenten Avila Camacho in einem Interview kündigte sich 1940 eine Entspannung im Verhältnis zwischen Staat und Kirche an. Es war das erste Mal überhaupt in der Geschichte des Landes, dass sich ein Staatoberhaupt als gläubig bezeichnete.
Schließlich brachte der erste Besuch von Johannes Paul II. 1979 eine Wende im Verhältnis zwischen Staat und Kirche: Der junge Papst aus Polen mobilisierte Hunderttausende Mexikaner; die Reise geriet geradezu zum Triumphzug für den Katholizismus in dem lateinamerikanischen Land. In den folgenden Jahren trat die Kirche zunehmend selbstbewusst auf, begann das autoritäre politische System in Frage zu stellen und nahm verstärkt zu sozialen Fragen wie etwa der Lage der Indios Stellung.
Eine Verfassungsreform führte Anfang der 90er Jahre zu einer weiteren Normalisierung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche: Erstmals seit ihrer Verbannung aus dem öffentlichen Leben infolge der Revolution vor 75 Jahren erhielt die katholische Kirche den Status einer Rechtspersönlichkeit.
Das Verhältnis blieb jedoch auch nach dem Ende der jahrzehntelangen Herrschaft der "Partei der Institutionellen Revolution" und den ersten echten demokratischen Wahlen im Jahr 2000 heikel: Als Staatspräsident Vicente Fox Johannes Paul II. im Juli 2002, zu Beginn seines fünften und letzten Besuchs in Mexiko, auf dem Flughafen von Mexiko-Stadt den Fischerring küsste, gab es Proteste. Bleibt abzuwarten, ob auch der gegenwärtige Präsident Felipe Calderon den päpstlichen Ring küssen wird.
Das lange schwierige Staat-Kirche-Verhältnis in Mexiko
"Ich bin gläubig"
Benedikt XVI. besucht in wenigen Tagen ein Land mit katholischer Bevölkerungsmehrheit, an dessen Spitze 120 Jahre lang fast ausschließlich Atheisten, Agnostiker oder Personen standen, die ein öffentliches Bekenntnis zu ihrem Glauben scheuten. Und dieses Land heißt nicht Kuba - sondern Mexiko.
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