Bei der Nachwahl in Birma bleibt Aung San Suu Kyi die Hoffnungsträgerin

Prinzessin der Freiheit

Zart und zerbrechlich steht sie auf der Bühne: In Birma kommen Hunderttausende, um eine strahlende Aung San Suu Kyi zu sehen. Die lange eingesperrte Oppositionsführerin will bei der Wahl Anfang April endlich ins Parlament einziehen.

Autor/in:
Ruth Fend
Aung San Suu Kyi - frühere Regimegegnerin im Wahlkampf (KNA)
Aung San Suu Kyi - frühere Regimegegnerin im Wahlkampf / ( KNA )

Die Party beginnt schon auf dem Weg zum Sportplatz. Mopedfahrer haben sich rote Fähnchen an den Lenker gesteckt und hupen rhythmisch. Frauen tanzen lachend auf der Ladefläche offener Pickups. Sie winken, grinsen, lachen. In der Millionenstadt Mandalay sind die Straßen voller Menschen. Sie wollen die "Lady" sehen, Oppositionsführerin und Hoffnungsträgerin Aung San Suu Kyi.



Seit November 2010 ist die Ikone von Birmas Demokratiebewegung frei, nach insgesamt 15 Jahren Haft und Hausarrest. In dem südostasiatischen Land, das die Generäle in Myanmar umbenannt haben, findet nach fünf Jahrzehnten Militärdiktatur ein unerwarteter Wandel statt. Dabei spielt einer der Generäle eine wichtige Rolle. Ausgerechnet nach einer gefälschten Wahl zog Thein Sein die Uniform aus und wurde im März 2011 Präsident einer zivilen Regierung.



Sie mobilisiert ihre Anhänger

Keiner maß dem viel Bedeutung bei - bis der Ex-General im Sommer Verhandlungen mit der einstigen Staatsfeindin aufnahm. Am 1. April nun sollen 48 Parlamentsmandate per Wahl nachbesetzt werden - und Suu Kyi darf für ihre oppositionelle "Nationale Liga für Demokratie" kandidieren. Jetzt reist sie quer durchs Land und mobilisiert ihre Anhänger.



Für die Strecke vom Flughafen zum Stadion in Mandalay braucht ihr Konvoi fast vier Stunden. Die Menschen drängeln sich am Straßenrand, zu viele fahren in die gleiche Richtung. Doch die Hunderttausend, die stundenlang auf dem kargen Gelände warten, scheint das nicht zu stören. Sie klatschen, wünschen ihrer "Suu" im Sprechchor Gesundheit und Glück. "Wenn man sie sieht, bekommt man Gänsehaut", sagt einer.



Und dann steht die 66-jährige leibhaftig auf der Bühne, zart und zerbrechlich - und strahlt wie eine Prinzessin. "Seit 1988 habe ich keine so große Menschenmenge mehr gesehen!" ruft sie. Die Friedensnobelpreisträgerin scheint es selbst kaum zu fassen, dass sie wieder öffentlich auftreten kann. Vor zwei Jahren sind Birmanen für den Besitz eines Bildes von ihr im Gefängnis gelandet. "Weil die Lady kommt, ist die Angst weg", erklärt ein Mandalayer die unverhohlene Euphorie.



Auch in Birmas größter Stadt und ehemaliger Hauptstadt Rangun stehen die Türen des Büros der "Nationalen Liga für Demokratie" weit offen. Unten arrangieren Helfer Aufkleber, Poster, T-Shirts und Suu-Kyi-Bildchen. Im ersten Stock sitzt ein dünner Mann im traditionellen Sarong. U Tin Oo, 83 Jahre, hat 1988 zusammen mit Suu Kyi die Partei gegründet. Auch er hat schon viele Jahre im Gefängnis verbracht.



"Demokratie ist schwer zu erreichen"

Jetzt sieht Tin Oo eine "flackernde Flamme von Demokratie" im System. Die "Lady" hat Präsident Thein Seins ausgestreckte Hand ergriffen und ihm öffentlich ihr Vertrauen ausgesprochen. Dass der ein Vertreter des alten Systems ist, hat für Tin Oo nichts zu sagen. Schließlich war er selbst einst Armeechef des Landes. Bis er sich in den 70er Jahren weigerte, einen Aufstand niederzuschlagen. "Wenn Soldaten mich heute sehen, stehen sie immer noch instinktiv stramm", schmunzelt der Alte.



Wenn man Tin Oo zuhört, klingt der wundersame Stimmungswandel im Regime fast logisch. Er spricht vom warnenden Vorbild des arabischen Frühlings, von den Sanktionen des Westens, die die Wirtschaft abwürgen - und Birma von China abhängig machen. Indem die Regierung im Oktober den Bau eines Mega-Staudamms mit starker chinesischer Beteiligung stoppt, wird die Annäherung an den Westen für Birma noch wichtiger. "Dadurch haben die Moderaten in der Regierung einen Vorteil errungen", sagt Thin Oo.



Am Ziel ist das Volk aber noch lange nicht. "Demokratie ist schwer zu erreichen und schwer aufrechtzuerhalten. Wir müssen alle hart arbeiten", warnt Suu Kyi. Sie mutet sich viel zu. Nach wenigen Minuten zieht sie sich vom Mikrofon zurück, hinter der Bühne muss sie sich übergeben, wie ihre Ärzte später zugeben. Doch enttäuscht wirken die Mandalayer nicht. Mit seligem Lächeln auf den Gesichtern brausen sie zurück gen Stadtzentrum. Als wäre ihr Land gerade Weltmeister gewonnen.