Begeisterung und Skepsis angesichts der Reformpolitik

Birma im Wandel

In Birma finden am Sonntag die Parlamentsnachwahlen statt. Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi befürchtet Unregelmäßigkeiten, von einem fairen Urnengang sei nicht auszugehen. Noch nicht lange ist es her, da war das bloße Aussprechen des Namens der Ikone der Demokratiebewegung tabu.

Autor/in:
Harald Bach
 (DR)

Auf den ersten Blick herrscht in den Straßen des quirligen Rangun das ganz gewöhnliche, für westliche Beobachter chaotische Treiben einer asiatischen Großstadt. Garküchen, Verkaufsstände, fliegende Händler, Geldwechsler und Betelnussverkäufer bestimmen das Bild. Vieles jedoch in Rangun ist neu und geradezu revolutionär für die Jahrzehnte lang von einer brutalen Militärdiktatur unterdrückten und von der Außenwelt weitgehend isolierten Birmanen.



An immer mehr Häusern sprießen plötzlich Satellitenschüsseln; in Restaurants und Cafes liegen die aktuellen Ausgaben internationaler Zeitungen aus; WiFi ist in vielen Hotels und Cafes neuerdings Standard. Das deutlichste Zeichen des Wandels aber ist die allgegenwärtige Präsenz von Aung San Suu Kyi. Taxifahrer haben Fotos der Oppositionsführerin auf dem Armaturenbrett ihres Wagens; smarte Souvenirverkäufer bieten Aung-San-Suu-Kyi-Schlüsselanhänger feil. Raubkopien des Films "The Lady" über das Leben der Friedensnobelpreisträgerin von Luc Besson werden an jeder Straßenecke für umgerechnet etwa 1,70 Euro angeboten.



Glücklich, aber auch verunsichert

Noch nicht lange ist es her, da war das bloße Aussprechen des Namens der Ikone der Demokratiebewegung tabu. Die Birmaner sind glücklich, aber auch verunsichert angesichts dieser Entwicklung, die Präsident Thein Sein zur Überraschung fast aller Beobachter nach seiner Amtsübernahme vor einem Jahr eingeleitet hat.



Erzbischof Charles Bo, Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz Birmas, ist einer der vielen Birmaner, die die Reformpolitik mit Zurückhaltung bewerten: "Der Grad der Freiheit hat sich schon verbessert. Aber es bleibt abzuwarten, wie ernst sie es meinen." Zu oft wurden in den vergangenen Jahrzehnten Versprechungen der Generäle von mehr Demokratie und Freiheit gebrochen, das Volk unterdrückt, Demokratiekämpfer eingesperrt und gefoltert.



Aung Shwe ist ein junger Mann mit warmherzigem Lachen, der sich dank buddhistischer Meditation nicht so leicht aus dem Gleichgewicht bringen lässt. Den Schirm aufgespannt zum Schutz vor der heißen Sonne, spaziert der 30-Jährige in seinem traditionellen Longyi, dem in Birma von beiden Geschlechtern getragenen Wickelrock, zur Arbeit in einem Ingenieursbüro. Die Straße ist voller Schlaglöcher; Gullideckel fehlen, die ramponierten Häuser rechts und links erinnern an Leipzig am Ende der DDR-Zeit. "Schauen Sie sich das an", sagt Aung Shwe und fügt lachend hinzu: "Kann ja sein, dass sie es mit den Reformen ernst meinen. Aber die Regierung hat keine Ahnung, wie es an der Basis aussieht."



Erdrutschsieg der Oppositionspartei erwartet

Im Hauptquartier der Oppositionspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD) herrscht Hochbetrieb. Im Parterre des schäbigen Gebäudes im Schatten der Shwedagon Pagode verpacken Helfer T-Shirts mit dem goldgelben Parteilogo des kämpfenden Pfaus, Broschüren und anderes Wahlkampfmaterial für den Einsatz in den 45 Wahlkreisen, in denen am 1. April Nachwahlen anstehen. Die NLD, die die Parlamentswahlen 2010 noch boykottiert hatte, tritt in allen Wahlkreisen an. An einem Erdrutschsieg der Oppositionspartei und ihrer Spitzenkandidatin Aung San Suu Kyi gibt es kaum Zweifel.



Abgesehen von einigen kleineren Zwischenfällen ist der Wahlkampf bislang störungsfrei verlaufen. Es sind die Behörden vor Ort, die der NLD gelegentlich Steine in den Weg legen. "Die werden aber schnell von "oben" zur Ordnung gerufen", sagt NLD-Sekretär Hantha Myint. Die Wahl wird nichts an der überwältigenden Parlamentsmehrheit der USDP von Thein Sein ändern. Die dem Militär nahestehende Partei muss sich aber an eine selbstbewusste Opposition gewöhnen.



Hantha Myint hat keine Zweifel, dass die NLD nach den nächsten regulären Wahlen in vier Jahren Birmas Regierungspartei sein wird. "Keiner muss vor uns Angst haben, wenn wir an der Macht sind", sagt der enge Vertraute von Parteichefin Aung San Suu Kyi auf Englisch. Und er verwendet dabei nicht etwa das Unsicherheit ausdrückende "if", sondern das keinen Raum für Zweifel lassende "when".