Die Situation in Syrien spitzt sich weiter zu

Auf dem Weg "in die Hölle"

Der Strom syrischer Flüchtlinge nach Jordanien hat sich nach UN-Angaben verdoppelt, in Deutschland wird der Ruf nach einer Aufnahme der Hilfesuchenden lauter. Der Vatikanbotschafter in Damaskus warnt vor einer Ausweitung des Konflikts im Land mit bislang ungeahnten Folgen.

 (DR)

Zu Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen habe er diese wie einen Tunnel gesehen, an dessen Ende es Licht gebe, sagte der Nuntius in Damaskus Mario Zenari am Dienstag dem römischen Nachrichtendienst Asianews.  Doch nun sei Syrien dabei, "in die Hölle abzugleiten". Bei dem Versuch, den Konflikt zu lösen, seien gravierende Fehler gemacht worden, beklagte der Kirchendiplomat. Die Lage sei nicht mit den Aufständen des so genannten Arabischen Frühlings vergleichbar. "Alle bisherigen Vorhersagen sind über den Haufen geworfen worden." Angesichts der Gewalteskalation herrsche in Syrien Angst vor "tragischen und unvorstellbaren Folgen", sagte Zenari.



Pro Asyl fordert Aufnahmeprogramm für Syrien-Flüchtlinge

Eine Folge: Immer mehr Menschen verlassen das Land. Ein sofortiges europaweites Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Syrien fordert deshalb die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl. Dass syrische Flüchtlinge vor verschlossenen Grenzen stünden, während sich die Staatengemeinschaft über die syrische Tragödie empöre, sei nicht hinnehmbar, betonte Pro Asyl am Dienstag in Frankfurt.



Ein Abstimmungsprozess innerhalb der Europäischen Union (EU) dürfe allerdings nicht dazu führen, dass es zu Verzögerungen komme, so Pro Asyl. So könne Deutschland bereits jetzt Verwandte von hier lebenden syrischen Staatsangehörigen in einem vereinfachten Visumsverfahren aufnehmen. Pro Asyl wies darauf hin, dass die Türkei am Wochenende an ihrer Grenze zu Syrien erstmals Tausende syrischer Flüchtlinge abgewiesen habe. "Wer die Türkei zur Öffnung ihrer Grenze bewegen will, darf sie mit dem Problem der Syrienflüchtlinge nicht allein lassen", betonte die Arbeitsgemeinschaft.



Flüchtlingsstrom nach Jordanien und Türkei steigt dramatisch

n der vergangenen Woche seien im grenznahen Flüchtlingscamp Za"atri 10.200 Neuankömmlinge registriert worden, teilte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag in Genf mit; in der Vorwoche seien es noch 4.500 gewesen. Die syrische Grenze zur Türkei überquerten inzwischen 5.000 Schutzsuchende täglich, zehn Mal mehr als vor zwei Wochen. Die aktuelle Gesamtzahl syrischer Flüchtlinge in den Anrainerstaaten wird mit 214.120 angegeben.



In Jordanien halten sich laut UNHCR jetzt knapp 70.000 Syrer auf, einschließlich 24.700 Flüchtlingen, die noch auf ihre Registrierung warteten. Allein das Camp Za"atri habe seit dem 30. Juli 22.000 Menschen aufgenommen. Mehr als 2.500 seien seit Montag eingetroffen. Zunehmend kämen aus Syrien unbegleitete Kinder nach Jordanien, so das Hilfswerk. Die meisten Flüchtlinge überquerten die Grenze bei Nacht. Einige berichteten, sie seien aus der Luft bombardiert oder vom Boden aus beschossen worden.



Auch in der Türkei sei die Zahl der Neuankünfte dramatisch gestiegen. Allein in den vergangenen 24 Stunden seit Montag hätten 3.000 Syrer im nördlichen Nachbarland Zuflucht gesucht; 7.000 weitere erwarte man in den kommenden Tagen. Die türkische Regierung plane die Errichtung von fünf bis sechs weiteren Camps, um bis zu 150.000 Menschen beherbergen zu können.



Im Libanon seien die Hilfsoperationen nach einer Entspannung der Sicherheitslage in Norden unterdessen wieder zur Normalität zurückgekehrt. Das Registrierungszentrum in Tripoli habe seine Arbeit erneut aufgenommen; auch die Hauptstraße in den Nordlibanon sei wieder offen. Insgesamt seien jetzt 54.000 Flüchtlinge im Libanon registriert oder für eine Registrierung vorgemerkt.



Aus Syrien berichtet UNHCR von Engpässen bei Unterkünften für Binnenvertriebene. Immer mehr Flüchtlinge seien in Schulen untergebracht, in denen am 16. September der Unterricht beginnen solle. Derzeit seien landesweit 350 Schulen durch Flüchtlinge belegt. Nach Schätzungen der syrischen Regierung hätten mehr als eine Million Menschen in öffentlichen Gebäuden Schutz gesucht.