Niederlande vor der Parlamentswahl

Islam-Kritiker Wilders nimmt sich jetzt die EU vor

Geert Wilders polarisiert mit seiner Politik seit Jahren die niederländische Gesellschaft. Sein Lieblingsthema: die Gefahr einer Islamisierung der Niederlande. Für den aktuellen Wahlkampf hat er sich jetzt einen neuen Zugang gesucht. Der Rechtspopulist schürt die Angst vor der Europäischen Union.

Autor/in:
Nina Schmedding
 (DR)

Die EU verfolge eine "unniederländische Politik", die letztlich zum Machtverlust der Niederlande und zu seiner Islamisierung führe. "Die Niederlande haben kaum noch etwas bei ihrer eigenen Immigrationspolitik mitzureden. Brüssel bestimmt über unsere Grenzen", heißt es in Wilders Werbespot zur Wahl einer neuen niederländischen Regierung am Mittwoch (12.09.2012). Jeden Tag kämen ganze "Flugzeugladungen chancenloser Ausländer" in den Niederlanden an. In diesem Zuge nehme auch die Islamisierung der Niederlande immer weiter zu. "Dank der EU, die uns zwingt, die Grenzen offenzuhalten." Einzig mögliche Konsequenz für Wilders: Der Austritt aus der EU.



Dass sein Wahlkampf-Video mit rassistischen Bemerkungen gespickt ist, wird in den Niederlanden kaum thematisiert. Vielleicht ist die Abhärtung zu groß: Immerhin leben die Niederländer seit Jahren mit Wilders und seinen islam- und ausländerfeindlichen Bemerkungen, wurden unter anderem 2008 mit Wilders Anti-Koran-Film "Fitna" konfrontiert.



Stolz auf Debattenkultur

Vielleicht hat es aber auch mit der niederländischen Debattenkultur zu tun. Die Freiheit der Meinungsäußerung - darauf sind viele Niederländer stolz. "Die Mehrheit der Niederländer ist davon überzeugt, dass Religionsfreiheit etwas anderes ist als Respekt vor dem Glauben anderer Bürger. Gott ist keine Rechtsperson im Sinne des Gesetzes und kann deshalb auch nicht beleidigt werden", erklärt Soziologe Albert Benschop von der Universität Amsterdam die Einstellung vieler Niederländer. Für sie gehe es in jeder Diskussion deshalb auch immer prinzipiell um die Wahrung der Meinungsfreiheit.



Seine Meinung sagt auch Geert Wilders klar und deutlich. Nach dem Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh 2004, der für seine Islamkritik bekannt war, wurde auch Wilders unter Polizeischutz gestellt, weil er wegen seiner anti-islamischen Reden immer wieder Morddrohungen erhält.



Wilders provoziert auch Kritik der Juden

Im aktuellen Wahlprogramm seiner Partei für die Freiheit (PVV) erklärt er unter anderem: "Die Niederlande sind kein islamisches Land und das sollen sie auch nicht werden." Deshalb müssten sie nicht nur aus der EU austreten, sondern auch die Beitragszahlungen an die Vereinten Nationen einstellen: Schließlich seien dort auch Länder vertreten, die islamische Gesetze als Ausgangspunkt für Menschenrechte nähmen.



Außerdem solle das rituelle Schlachten in den Niederlanden verboten werden. Eine Forderung, die Wilders nicht nur von muslimischer, sondern auch von jüdischer Seite Ärger einbrachte: So schrieb ihm der israelische Oberrabbiner Jona Metzger einen wütenden Brief, in dem er Wilders aufforderte, diesen Punk aus seinem Wahlprogramm zu entfernen: Sonst wären die Niederlande für Juden kein lebenswertes Land mehr. Eine Kritik, die sich Wilders vermutlich mehr zu Herzen nehmen wird als die Empörung von muslimischer Seite: Denn so sehr sich der ehemalige Katholik Wilders gegen den Islam engagiert, so sehr bekundet er immer wieder öffentlich seine Sympathien für Israel.



Ob der 49-jährige Wilders seinen Wahlerfolg von 2010, als die PVV drittstärkste Kraft in der Zweiten Kammer wurde, wiederholen kann, darf bezweifelt werden. In den letzten Umfragen schnitt er nicht allzu gut ab. Bei einer jüngsten Fernsehdebatte wählten ihn die Zuschauer aber immerhin auf Platz drei - noch vor den zurzeit gehypten Sozialisten Emile Roemer, der auf Platz fünf landete.