Das gibt es doch nicht! Illegale Mülldeponien mitten in Deutschland? So dachte der Journalist Michael Billig bis vor etwa fünf Jahren. "In Italien, da habe ich gehört, dass die Camorra mit der illegalen Müllverklappung Geld macht oder dass wir illegalen Elektroschrott nach Afrika exportieren", sagt der Journalist, "aber dass so etwas auch in unseren Breitengraden stattfindet, war für mich völlig neu und schockierend". Bei Recherchen im brandenburgischen Neuendorf stieß Michael Billig auf eine illegale Mülldeponie. Danach recherchierte er weiter. Abgründe taten sich auf. Dabei hatte er ursprünglich Wissenschaftlern und Branchenvertretern geglaubt, die behaupteten, in Deutschland produziere man keinen Müll mehr. Das seien Wertstoffe, die alle wiederverwendbar seien. "Vorher habe ich auch schon ein bisschen in der Branche recherchiert und war eigentlich begeistert von unseren Umweltstandards, von dem, wie wir Abfall betrachten", erzählt er im DOMRADIO.DE Interview. "Wenn ich fragte, was passiert denn mit dem Müll, da fielen die mir schon ins Wort und sagten, das sei doch kein Müll, das sei ein Wertstoff, ein Rohstoff, mit dem wir noch etwas machen. Das werde nicht einfach weggeschmissen bei uns".
Eine Parallelwelt illegaler Müllentsorgung mitten in Deutschland
Doch dann entdeckte Michael Billig immer mehr riesige illegale Müllkippen in Deutschland, eine Schattenwirtschaft, Netzwerke aus zahlreichen Firmen. "Mit riesig meine ich nicht einfach zwei oder drei Lastwagenladungen, sondern tausende von Tonnen, die in Industriebrachen, LPG-Brachen verklappt oder in Kiesgruben geschüttet werden und ich dachte dann, irgendetwas läuft hier faul und habe angefangen zu recherchieren". In seinem Buch 'Schwarz. Rot. Müll. Die schmutzigen Deals der Deutschen Müllmafia' deckt Michael Billig eine Parellelwelt mitten in Deutschland auf, die neben der legalen Entsorgungswirtschaft exisitert. Wenn wir pflichtbewusst unseren Müll trennen, werden Plastik, Pappe, Hausmüll und Industrieabfälle häufig einfach irgendwo verscharrt, in illegalen Deponien. In einer einzigen Kiesgrube entdeckte Billig so 300tausend Tonnen illegal entsorgten Müll. "Das ist das Müllaufkommen, das allein in einer Stadt wie Hannover in einem Jahr anfällt, und das wird einfach in eine Kiesgrube geschoben", hat Billig recherchiert. "Da haben auch Lieferanten, Abfallmakler, Abfallerzeuger aus allen Teilen Deutschlands mitgemacht, die das Zeug dorthin transferiert haben und auch mitverdient haben. Das sind nicht einzelne Leute, das ist ein ganzes Netzwerk, das da aktiv ist".
Die Dunkelziffer liegt bei 90 Prozent
Richtig begonnen habe es in Deutschland mit den großen illegalen Mülldeponien 2005, erzählt der Journalist. Damals wurden die bis dahin üblichen Hausmülldeponien verboten, unter anderem weil diese Deponien die Böden und das Klima massiv verseuchten. "Es gibt keine Hausmülldeponien mehr, weil das Material natürlich arbeitet. Da entstehen Emissionen, Methan entsteht, mittlerweile weiß man, das Methan klimaschädlicher ist als Kohlendioxid", sagt Billig. Genau diese Umweltgifte verseuchen nun über die illegalen Müllkippen die Umwelt. Innerhalb seiner fünfjährigen Recherche ist der Journalist Michael Billig auf immer mehr illegale Müllkippen gestoßen. "Im Internet habe ich eine Karte veröffentlicht mit 130 illegalen Abfalllagern und schwarzen Deponien allein im Bundesland Brandenburg, die bekannt sind". Die Dunkelziffer schätzt der Journalist dabei auf 90 Prozent.
Altlasten, die wir kommenden Generationen aufbürden
Ganz bewußt spricht der Journalist von den Deals einer ganzen Müllmafia, die mit dem illegalen Müllgeschäft Unsummen von Geld verdient. "Da sind hunderte Unternehmen verstrickt, Kiesgrubenbetreiber, Entsorgungsunternehmer, Abfallmakler, Transportunternehmen, Leute aus Behörden, die bestochen worden sind. In einem Fall ist auch ein Landrat verwickelt gewesen. Das sind richtig gut funktionierende Netzwerke, die nicht nur einmalig, vielleicht über zwei, drei LKW-Ladungen zusammengearbeitet haben, sondern die über Jahre hinweg zusammenarbeiten und statt den Abfall eben ordnungsgemäß und in Deutschland eben auch sehr teuer zu entsorgen, wird der eben billig und illegal in irgendwelchen Löchern verkloppt". Polizei und Behörden schauten oft weg, auch weil es bei weitem nicht genug Personal gebe, um die Müllmachenschaften aufzudecken, sagt der Journalist. Dabei werde es höchste Zeit, etwas gegen den organisierten Müllsumpf zu unternehmen. "Die Folgen und Altlasten bürden wir kommenden Generationen auf, weil es heute keiner sanieren will. 30 Millionen kostet die Sanierung einer illegalen Deponie", erklärt Michael Billig und warnt: "Irgendwann muss es aber passieren, sonst bauen wir unsere Häuser, unsere Städte und Dörfer auf Müll".