Ein Junge, 15 Jahre alt, liebt ein Mädchen. Nix besonderes. In der Raucherecke himmelt er sie an. Sie ist vier Jahre älter, scheint unerreichbar, doch dann finden die beiden zueinander. Nach drei Tagen größter Ekstase trennt sich das Mädchen von dem Jungen. Er ist untröstlich. Wie erzählt man von so einer ersten, sehr profan scheinenden und doch einzigartigen Liebe. Navid Kermani findet Bilder bei arabisch-persischen Mystikern, die vom „Bleiben im Entwerden“ in der Liebesleidenschaft erzählen. Im Moment der Verzückung, im Eins-sein mit der Geliebten scheint die unendliche Liebe auf. „In der ersten Liebe ist die Utopie, die Liebesleidenschaft ein Leben lang ausdehnen zu können, noch durch nichts relativiert“, sagt der Autor.
Für den Jungen ist die Vereinigung zweier Körper, die Sexualität ein Geheimnis. Deshalb hat er sich vorgenommen, auf eine Verbindung zu warten, die den Namen Liebe verdient. Der Orgasmus, schreibt Kermani, ist „christlich gesehen vergleichbar nur dem Vorgang der Eucharistie, physisch im Menschen gegenwärtig“. Denn in der Eucharistie nehme der Mensch Gott in sich physisch auf – in Fleisch und Blut, erläutert der Autor das Bild des Eins-werdens in der Sexualität. „Im Augenblick der Liebesekstase atmet Gott durch die Menschen hindurch“, sagt Kermani: „Die Beliebigkeit und vollkommene Verfügbarkeit vernichtet das Sakrale in der Sexualität“.
In dem Roman „Grosse Liebe“ erzählt Kermani eine weltliche Liebesgeschichte, indem er auf religiöse Erfahrungen aus der arabisch-mystischen Literatur zurückgreift. Ein spannendes Buch – so hat noch niemand über die große, über die erste Liebe geschrieben.
Veranstaltungshinweis: Navid Kermani spricht am 11.02. (20 Uhr) in der Kölner Kulturkirche mit Sibylle Lewitscharoff über die "Grosse Liebe".