Zitiert die Islamwissenschaftlerin und Publizistin Lamya Kaddor in ihrer aktuellen Kolumne aus einer Email, die sie erhalten hat. Zur Erklärung schreibt sie: „Ich hatte nur das getan, wozu Altbundespräsident Joachim Gauck diese Woche aufgerufen hatte. Ich wollte mehr Toleranz in Richtung rechts zeigen, zwischen rechtskonservativ und rechtsradikal unterscheiden und habe deshalb den Dialog mit einer Kritikerin gesucht.“
Während ich die Kolumne von Lamya Kaddor lese, fällt mir eine Geschichte von vor fast 30 Jahren ein. Damals brannten viele „Asylantenheime“, wie es damals hieß. Und ich stand mit Freunden in Lichterketten auf der Straße herum.
Wir wollten mehr als Lichter tragen. Wir wollten reden lernen. Und zwar mit denen reden lernen, die damals applaudierten, als Häuser von Asylsuchenden brannten.
Mit meinen Freunden besuchte ich einen Workshop.
Eine Übung hieß: stellt Euch an einer Linie zu Paaren auf. Die eine Hälfte argumentiert, die andere wiederholt stur die immer gleichen Parolen.
Ich stand bei den Argumentierern. Und so wild entschlossen ich war, mein Gegenüber zu erreichen: alle meine Bemühungen prallten einfach ab. Ich erreichte: nichts. Selten habe ich mich so ohnmächtig, selten so sehr die Macht des Gegenübers gefühlt.
Wer nicht reden will, gewinnt. Immer.
Das habe ich damals, ein für alle Mal, verstanden.
An diese Einsicht fühle ich mich erinnert, als ich die Kolumne von Lamya Kaddor lese.
Dann bekomme ich selbst eine Email. Eine Antwort auf einen der letzten Beiträge hier in der WunderBar. In der es mir darum ging, dass Nächstenliebe, immer den meint, der gerade vor mir steht. Auch dann, wenn er von weit herkommt und ich finde, der darf eigentlich gar nicht hier sein.
Die Menschen, die mir die Email schreiben sind nicht einverstanden, mit dem was ich sage. Als ich verstehen will, warum sie das nicht sind, wollen sie es nicht begründen. Sie schreiben: „Suchen Sie weiterhin den Dialog, aber bitte respektieren Sie unsere Entscheidung.“
Jetzt sitze ich ratlos vor meinem Computer. Denke an Trump und die gespaltenen USA, denke an den Brexit und das gespaltene Königreich.
Denke an unsere wunderbare, offene Gesellschaft.
Für die ich mir so sehr wünsche, dass wir es schaffen, ihre Offenheit zu bewahren. Als ganze Gesellschaft.
Das aber geht nur, wenn alle weiterreden wollen.
Manchmal denke ich: dafür braucht es inzwischen ein Wunder.