DOMRADIO.DE: Viele haben überrascht auf diesen Brief reagiert. Sie auch?
Prof. Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ZdK): Ja, ich bin schon sehr überrascht darüber, aus vielen Gründen. Es handelt sich hier um ein sehr ernstes und wichtiges Thema. Das ist auch allen immer bewusst gewesen. Nur ist es ein Thema, das wirklich nicht erst seit ein paar Tagen diskutiert wird, sondern seit vielen Jahrzehnten. Es ist ein Thema, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz einen extrem behutsamen Beschluss gefasst hatte, mit großer Mehrheit.
DOMRADIO.DE: Können Sie die inhaltlichen Zweifel von Kardinal Woelki und seinen Mitunterzeichnern verstehen?
Sternberg: Ja, aber nur zum Teil. Das, was die Bischofskonferenz beschlossen hat, ist in einem Text nachzulesen, der sogar noch modifiziert werden kann. An ihm sieht man, wie vorsichtig das alles formuliert ist. Diese Vorsicht hat eine Entsprechung in der pastoralen Praxis, wo das in den meisten Gemeinden in Deutschland längst gelöst ist.
Das heißt da, wo der evangelische Partner, die evangelische Partnerin das anerkennt und anerkennen kann, was in der Eucharistiefeier und bei der Überreichung des Leibes Christi gesagt wird, da ist auch die Zulassung und das Zutreten zur Eucharistie längst gängige Praxis. Diese Praxis sollte man jetzt nicht durch einen Streit umterminieren, der, glaube ich, letztlich um die Frage des Charakters der Deutschen Bischofskonferenz geht.
DOMRADIO.DE: Inwiefern?
Sternberg: Die Bischofskonferenzen sind nach Kirchenrecht von 1983 eigentlich nur informelle Zusammenschlüsse zur Abfassung von Beschlüssen, die bei allen wichtigen Fragen eigentlich einstimmig sein müssen. Nach Kirchenrecht ist es so, dass der Bischof fast unmittelbar dem Papst zugeordnet ist. Das ist aber nicht die Sicht des Zweiten Vatikanischen Konzils und auch nicht die Sicht unseres gegenwärtigen Papstes. Die Bischofskonferenzen haben eine Eigenständigkeit. Die Frage ist hier: Wie weit geht eine solche Eigenständigkeit auch der Bischofskonferenz?
Man fühlt sich bei der ganzen Geschichte sehr erinnert an den wahrscheinlich tragischsten Fall, den wir in der Bischofskonferenz erlebt haben: Als sich damals in Lingen bei dem Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz zum Charakter der Beratung in Schwangerschaftskonfliktfällen der damalige Kardinal von Köln, Meisner, nach Rom gewandt hat und damit einen jahrzehntelangen Streit in der katholischen Kirche in Deutschland produziert hat.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet auf dem Hintergrund jetzt dieser Vorstoß für die Ökumene?
Sternberg: Das ist für die Ökumene ein sehr unschönes Zeichen. Denn ich hatte eigentlich gehofft, dass als Antwort auf das große, wichtige, ökumenisch gefeierte Jahr "500 Jahre Reformation in Deutschland" 2017 schon in der Herbstvollversammlung der Beschluss gekommen wäre, der jetzt im Frühjahr gemacht worden ist. Dass das jetzt mit der Verspätung kam – nun gut. Aber ich denke, das sind wir den evangelischen Glaubensgeschwistern auch geradezu schuldig, dass wir hier in dieser Frage weiterkommen.
Allerdings auch in einer Frage – das sei eben auch noch mal deutlich gesagt –, die in der pastoralen Praxis in nahezu allen Gemeinden, die ich zumindest kenne, gelöst ist. Die konfessionsverschiedenen Paare – und da reden wir nicht über eine kleine Zahl, sondern mittlerweile über eine riesige Größenordnung – haben das in der Regel für sich gelöst und sind da auch mit ihren Geistlichen, mit ihren Pfarrern in einer sehr guten Übereinstimmung.
Noch im Herbst letzten Jahres sagte Kardinal Kasper auf einer Veranstaltung von Sant’Egidio im Rahmen des Friedenstreffens in Münster, dass ein Christ, der nach reiflicher Prüfung – natürlich nicht einfach nur obenhin – das, was in der Eucharistiefeier gesagt und gelehrt wird und das, was bei der Überreichung gesagt wird, nachvollziehen kann, dass der eingeladen ist, zum Tisch des Herrn zu treten. Das ist die theologische Auffassung und ich hoffe, dass diese theologische Auffassung jetzt auch durch Rom unmissverständlich klargestellt wird.
Das Interview führte Heike Sicconi.