Overbeck befürchtet außerdem, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet sein könnte. Die Mittelschicht, die über Jahrzehnte hinweg "Garant eines gesellschaftlichen Zusammenhalts" gewesen sei, drohe nach unten abzusinken, so der Sozialbischof am Dienstag in Bergisch Gladbach.
Overbeck beklagte bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ein wachsendes "Auseinanderklaffen von Arm und Reich". 40 Prozent des gesamten Vermögens liege in den Händen von nur 10 Prozent der Bevölkerung. Zugleich schrumpfe die Mittelschicht, die ihre Chancen und die ihrer Kinder gefährdet sehe, so der Vorsitzende der Sozialkommission der Bischofskonferenz.
"Thema soziale Ungleichheit ernst nehmen"
Zugleich wandte sich Overbeck gegen eine "Neiddebatte". In Deutschland sorgten hart arbeitende Menschen in der gesellschaftlichen Mitte für einen breiten Wohlstand und hohen Lebensstandard. Das gelte es wertzuschätzen, ohne dabei jene aus dem Blick zu verlieren, die nicht ausreichend Anteil am Wohlstand hätten.
Die Mitte der Gesellschaft dürfe jedoch nicht den Eindruck haben, dass der von ihr steuerfinanzierte Sozialstaat seiner Aufgabe nicht gerecht werde. Neben den vermeintlich oder tatsächlich zu kurz gekommenen gäben auch Menschen in gefestigten beruflichen und sozialen Verhältnisse ihrem Unmut dadurch Ausdruck, indem sie etwa Pegida und AfD unterstützten: "Wer den Populisten das Wasser abgraben will, sollte das Thema soziale Ungleichheit ernst nehmen", sagte Overbeck.
Caritas-Präsident: Gefahr der Abschottung
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher. Abstiegsängste der Mittelschicht könnten dazu führen, dass sich die Mitte "nach unten" abschotte und die Bereitschaft zur Solidarität mit Schwächeren sinke. Armut und Ausgrenzung könnten begünstigende Faktoren für populistische Tendenzen und diffuse Ängste sein, die oft auch an Flüchtlingen abgearbeitet würden.
Die ungleiche Verteilung der Vermögen erkläre sich auch durch große Erbschaften und die Spreizung der Bruttoeinkommen, so Neher. Er verlangte eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, einen höheren Steuertarif für Zinseinkünfte und eine wirksamere Besteuerung großer Erbschaften.
Der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip führte aus, viele Menschen fühlten sich benachteiligt. Sie hätten den Eindruck, dass es in der Gesellschaft nicht gerecht zugehe und dass sie daran nichts ändern könnten. Ihre Empörung führe sie dazu, sich dazu legitimiert zu sehen, nur noch an sich selbst zu denken. "So erodiert Solidarität", warnte Kruip.