DOMRADIO.DE: Hätten Sie von Maria 2.0 sich denn eigentlich ein klares „Ja“ zu den „Viri Probati“ gewünscht, also den verheirateten Männern, die dann in Ausnahmefällen Priester hätten sein können?
Maria Mesrian (Katholische Fraueninitiative "Maria 2.0" Köln): Nein, im Gegenteil, wir sind sehr erleichtert, dass es nicht zu den "viri probati" gekommen ist, weil es ein weiterer Schlag gegen die Frauen gewesen wäre. Es gab auch im Vorfeld in der Amazonassynode von den Abgeordneten den Wunsch nach "personae probatae" (erprobte Menschen). Und da wurden ganz schnell die "viri" (Männer) draus. Keiner wusste warum, jedenfalls gibt es sie jetzt nicht, und das ist auch gut so. Das wäre keine Lösung gewesen.
DOMRADIO.DE: Ich höre daraus, Weiheämter für Frauen sind auch keine Lösung?
Mesrian: Ich habe von dem Dokument nichts erwartet, so dass ich nicht groß enttäuscht sein konnte. Im Gegenteil: Der Schwerpunkt dieses Dokuments liegt ja auf der Bewahrung der Umwelt, der Existenzbedingungen dieser Menschen, die da in Amazonien leben, deren Existenzgrundlage massiv durch den Raubbau an der Natur bedroht sind. Und das sollten wir uns aus unserem Eurozentrismus auch mal klarmachen, dass es da wirklich um Existenzen geht.
DOMRADIO.DE: Es ging jetzt nicht in erster Linie um Frauen in der Kirche, sondern um Umweltthemen und friedliches Zusammenleben...
Mesrian: Genau, und die Rolle der Kirche dabei. Die Kirche hat darauf als Meinungsgeberin einen großen Einfluss drauf und dem wird sie in diesem Schreiben absolut gerecht. Was jetzt die Rolle der Frauen betrifft: Der Papst schreibt da in Artikel 99, es gebe in Amazonien Gemeinden, die seien jahrzehntelang ohne Priester ausgekommen. Frauen hätten da die Gemeinden geleitet. Was sagt das über die Funktion des Priesters? Das ist eigentlich die konsequente Fortführung, dass der Papst gegen Klerikalismus ist. Und das gibt uns natürlich eine große Offenheit zu sagen: Macht einfach!
DOMRADIO.DE: Aus dem päpstlichen Schreiben lässt sich herauslesen, dass Weiheämter für Frauen keine Lösung sind. Schauen wir mal auf die Argumente - den Klerikalismus hatten Sie schon angesprochen... "Wer die Bedeutung und Beteiligung von Frauen in der Kirche nur mit ihrer Zulassung zur Weihe stärken wolle, greife zu kurz und klerikalsiere Frauen. Kommen da die Frauen nicht dann doch zu kurz in der Kirche?
Mesrian: Wenn wir immer eine Legitimation für das brauchen, was wir tun - da sind die Deutschen vielleicht auch immer sehr stark mit vorne - dann ist es natürlich für die Frauen zu kurz gedacht. Aber in Amazonien tun seit Jahrzehnten Frauen - mit dem Wissen Roms - die diakonischen Dienste. Sie stehen Eucharistiefeiern vor, sie taufen, sie tun das einfach. Sie kamen auch nicht mit der Intention nach Rom, da um Erlaubnis zu bitten. Ich glaube, wir sollten die Sakramente von innen heraus begreifen und auf dem Boden des Evangeliums handeln, also in der Logik des Evangeliums für die Menschen da zu sein. Davon spricht auch hier Franziskus. Und wenn Krankenhausseelsorgerinnen am Bett eines Sterbenden sind, der um die Krankensalbung bittet, dann segnen sie ihn. Dann ist das ein Zeichen des Heils Gottes. Dann ist das ein Sakrament. Man muss die Sakramententheologie in dieser Logik begreifen.
DOMRADIO.DE: Sie fühlen sich also von Papst Franziskus nicht ausgebremst, sondern eher ermutigt?
Mesrian: Ich fühle mich durch dieses Schreiben auch ermutigt, weil es genau das ist, was Maria 2.0 tut. Wir feiern Wortgottesdienste. Wir leben die Kirche, die wir uns vorstellen. Wir heißen die Menschen willkommen, und ich sehe auch für den synodalen Weg da überhaupt keinen Rückschritt. Da muss ich den Kritikern wirklich vehement widersprechen. Wir hatten in Frankfurt ein Gebet mit 600 Frauen und Männern im Frankfurter Dom veranstaltet. Das war ein Fest, und auf dem Weg gehen wir weiter. Und Kirche hat sich jetzt geöffnet. Ich appelliere nur an die deutschen Bischöfe, dass sie dem zukünftigen DBK-Vorsitzenden den Rücken stärken, falls er aus dem Reformlager ist. Papst Franziskus sagt das auch in diesem Schreiben: Er wünscht sich eine synodalen Kirche. Und eine synodale Kirche entscheidet vor Ort. Es muss natürlich rechtliche Absicherungen geben, da sind wir dafür. Aber dass Leitung nicht an das Weiheamt gebunden ist, das ist ein erster wichtiger Schritt.
DOMRADIO.DE: Klerikalismus hin oder her - die Leitung einer Gemeinde hat damit erst mal nichts zu tun?
Mesrian: Genau das. Nicht automatisch der Pfarrer ist Chef einer Gemeinde, weil er ein Weiheamt innehat. Dasselbe gilt für die Diözesen: dass Weihe nicht gleich Leitungshoheit bedeutet und dass es Berufungsinstanzen gibt, dass man eine Sicherheit hat... Aber wir müssen auch nicht alles, was mit dem Innersten unseres Glaubens zu tun hat, bis ins Letzte regeln, sondern wir müssen einfach machen!