Ein betrübter Blick auf den Zustand der Kirche

Vertrauensverlust ohne Ende?

Es ist schlimmer als befürchtet: Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben im vergangenen Jahr mehr Vertrauen verloren, als alle andere gesellschaftlichen Institutionen. Kein Wunder, meint Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Das Kreuz mit der Kirche / © Walter (DR)
Das Kreuz mit der Kirche / © Walter ( DR )

Im jüngsten RTL-NTV Trendbarometer (siehe Info links) werden die Kirchen nur vom Papst überholt, der in Deutschland um ganze 20 Prozentpunkte abgestürzt ist und jetzt mit 34% Vertrauenswürdigkeit irgendwo im Mittelfeld des Institutionen-Rankings liegt. Im unteren Drittel ist mit nur noch 18% Vertrauen die katholische Kirche gelandet. Der Missbrauch durch zu viele kirchliche Amtsträger lässt grüßen. Aber es ist bestimmt nicht nur die schleppende, oft unzureichende und überdiözesan wenig abgestimmte Aufarbeitung beim sexuellen Missbrauch. Wie oft bleibt jeder Christ hinter den eigenen Ansprüchen zurück? Wo wird nicht überall Wasser gepredigt und dann leider doch der Wein in falschen Schläuchen serviert? Wenn der "Herr Pastor" mehr oder weniger offen in einem eheähnlichen Verhältnis lebt, während gleichzeitig der Zölibat als Dogma verkauft wird, ist das genauso unglaubwürdig wie der "Herr Nachbar", der in Wahrheit ein echter ehebrechender Kotzbrocken ist, aber jeden Sonntag in der Kirche in der ersten Reihe Platz nimmt.

Hilft es bei der Verkündigung des "brüderlichen Miteinanders", wenn reiche Bistümer nicht wissen, wie sie ihre Milliarden aktuell sinnvoll anlegen sollen, während andere Bistümer finanziell längst auf dem Zahnfleisch gehen und kein Geld mehr für den Organisten oder ihre Schulen haben? Wenn seit Jahrzehnten versprochen wird, Frauen in der kirchlichen Führung zu berücksichtigen - Frauen aber nahezu in allen kirchlichen Führungszirkeln immer noch die Minderheit bilden, stärkt das auch nicht gerade das nötige Vertrauen. Die unschöne Liste der Unglaubwürdigkeiten ließe sich ohne Probleme fortschreiben …

Längst geht der immense Vertrauensverlust daher an die Kernsubstanz: Viele Gläubige an der Basis sind inzwischen frustriert und desillusioniert. Da es der Kirche primär um die Weitergabe des Glaubens geht, ist Unglaubwürdigkeit in so hohem Maße besonders desaströs.

Ja, der Herr wird seine Kirche nicht aufgeben, darauf darf man hoffen. Aber die Worte an die frühen Christen aus dem Brief an die Epheser sollte man vielleicht gerade in schweren Zeiten doch wieder mehr beherzigen: "Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden… Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse verbannt aus eurer Mitte! … Vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat!" (Eph 4.25ff)

Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur


Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Edgar Schoepal (DR)
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Edgar Schoepal ( DR )
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DR