In seinen Tagebüchern von 1946 beschreibt Kardinal Faulhaber unter anderem Differenzen zwischen katholischen Medizinern und Geistlichen über die Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen bei vergewaltigten Frauen. Außerdem geht er auf die dramatische Lage russischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter ein, die sich der Rückholung in die Sowjetunion widersetzten.
Dokumentiert werden auch die verbreitete Furcht vor der Ausbreitung des Kommunismus in Deutschland und Bayern sowie Faulhabers Ansichten zur Zukunft der Juden in Deutschland. Weitere Themen sind die Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und der bayerischen Sozialdemokratie und die Kontakte des Kardinals zur US-amerikanischen Besatzungsmacht. Bei den Aufzeichnungen aus dem November steht ein Konflikt um einen Weihbischof des Erzbistums im Vordergrund, dem unter anderem vorgeworfen wurde, mit der Gestapo kollaboriert und das Domkapitel unterwandert zu haben.
Zwölfjähriges Projekt
Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten, zwölfjährigen Projekts "Kritische Online-Edition der Tagebücher von Michael Kardinal von Faulhaber (1911-1952)" machen das Erzbischöfliche Archiv München, das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und das Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte in Münster die Tagebücher in einer umfangreich kommentierten Leseversion im Internet zugänglich.
Verfasst wurden die Einträge zum größten Teil in der Kurzschrift "Gabelsberger", die heutzutage nur noch wenige Experten entziffern können. Die Tagebücher fielen erst 2010 an den Erzbischöflichen Stuhl zurück, seit April 2012 sind sie der Forschung zugänglich. Bereits vollständig online abrufbar sind die Jahrgänge 1911 bis 1919, 1933 bis 1935 und 1945. Faulhaber war von 1917 bis 1952 Erzbischof von München und Freising.