Finanzdirektor Schon warnt vor Aus der Kirchensteuer

Gebende und nehmende Kirche

Ein Ende der jüngsten Austrittswelle in der Kirche ist in Sicht, urteilt Hermann-Josef Schon, Finanzdirektor im Erzbistum Köln. Er warnt: "Die Kirche in Deutschland steht und fällt mit der Kirchensteuer."

Kirchensteuer (dpa)
Kirchensteuer / ( dpa )

domradio.de: Ein Zankapfel im Finanzsystem der Kirchen in Deutschland sind die Staatsleistungen als Entschädigung für die Enteignung vor gut 200 Jahren. Laut Verfassungsauftrag sollen diese abgelöst werden. Nur getan hat sich bisher nichts. Der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff plädiert für einen Vorschlag seitens der katholischen Kirche, eben weil die Akzeptanz für diese Staatsleistungen immer mehr im Schwinden ist. Was müsste denn Ihrer Meinung nach die Kirche hier vorschlagen?

Hermann-Josef Schon (Finanzdirektor des Erzbistums Köln): Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie die fehlende Akzeptanz ansprechen, weil man es heute wirklich niemandem mehr vermitteln kann, dass wir für Enteignungen von vor 200 Jahren heute immer noch jährlich Geld einnehmen. Das ist zwar vertraglich alles sauber und rechtlich abgesichert, aber es ist politisch nicht mehr vermittelbar. Für uns kommt dann aus Kölner Sicht hinzu, dass diese Staatsleistungen hier im Erzbistum Köln ja in Relation zum Haushaltsvolumen ausgesprochen gering sind. Wir nehmen knapp drei Millionen ein. Das ist viel Geld, aber es sind dann wiederrum auch nur 0,3 Prozent unseres Haushaltsvolumens, also es ist relativ wenig.

Deshalb haben wir, wenn man es rein politisch betrachtet, ein wirklich großes Interesse daran, dass wir uns mit dem Land in dem Fall über eine Beendigung dieser Staatsleistungen unterhalten. Die Gesetzeslage ist ja so - das steht schon im Grundgesetz - dass der Bund eigentlich die Grundsätze verabschieden soll, unter denen eine Ablösung stattfinden kann. Das ist eigentlich gar nicht so schwer. Es gibt durchaus in einschlägigen Gesetzen Regelwerke, an denen man sich orientieren könnte, aber der Bund hat es bisher nicht getan und das Land lässt auch kein Interesse an der Frage erkennen - aus welchen Gründen auch immer. Insoweit halte ich den Vorschlag von Dompropst Feldhoff für sehr gut, einfach mal einen Diskussionsbeitrag zu leisten, wie man sich so etwas denn vorstellen könnte.

domradio.de: Kommen wir zur Kirchensteuer, zum wohl wichtigsten Standbein der Finanzierung. Die Kirchensteuer wird nur von Mitgliedern bezahlt, aber die Mitglieder werden immer weniger. Momentan ist es die Kirchensteuer auf Kapitalertragssteuer, die vielen Mitgliedern der Kirche den Rücken zukehren lässt. Was meinen Sie, hat die Kirche hier versäumt, ihren Mitgliedern das Verfahren zu erklären oder wird sich die Austrittswelle wieder in Zukunft legen?

Schon: Die Grundidee, die das Ganze ausgelöst hat, war ja die Entscheidung der Bundesregierung, die Erträge aus Kapitalien geringer zu versteuern als Erträge aus anderen Einkünften, beispielsweise aus Vermietung oder aus nichtselbstständiger Arbeit. Wir hatten seinerzeit die Diskussion über einen gespaltenen Steuersatz, gegen die wir uns damals gewendet haben, weil wir es für ordnungspolitisch falsch halten, Einkunftsarten unterschiedlich zu besteuern. Wir konnten uns dem aber nicht widersetzen.

Der Staat wollte aber zugleich sicherstellen, wenn er schon die Steuersätze reduziert, dass er dann auch möglichst alle Kapitalerträge zur Besteuerung abgreifen kann, weil er wohl Erfahrungswerte dahingehend hatte, dass nicht alle Kapitalerträge in den Steuererklärungen angegeben wurden. Also ist dann die Entscheidung zu dieser sogenannten Abgeltungssteuer getroffen.

Es ist nun leider so, dass sehr viele unserer Mitglieder es so verstanden haben als sei eine neue Steuer eingeführt worden. Dem ist mitnichten so. Kapitalerträge waren schon immer steuerpflichtig, ergo auch schon immer kirchensteuerpflichtig. Insoweit ist das überhaupt keine neue Steuer, sondern es ist nur eine neue Erhebungsform für diese Steuer. Man braucht es nicht mehr in einer Steuererklärung angeben, sondern es wird direkt bei der Bank oder wo auch immer, werden die Steuern und damit auch die Kirchensteuer abgeführt. Das hat viele irritiert.

Wir müssen uns in der Kirche schon selbstkritisch sagen, wir hätten die Information darüber nicht den Banken überlassen dürfen, sondern wir hätten selber uns an unsere Mitglieder wenden müssen. Das haben wir wohl getan im Sommer mit einem Schreiben des Generalvikars an alle katholischen Haushalte, wo in sehr gut verständlichem Deutsch dieser Sachverhalt erläutert wurde, aber es war offensichtlich zu spät, weil diese Irritationen schon entstanden waren.

domradio.de: Glauben Sie denn, dass der "Exodus" anhält oder wird das wieder abebben?

Schon: Nein, ich glaube, dass das abebbt. Das meiste der Irritationen haben wir jetzt gesehen. Wir haben auch sehr viele Gespräche geführt. Überall da, wo wir Gelegenheit hatten, am Telefon oder wo auch immer haben wir die Dinge richtig gestellt. Es gibt auch Gespräche mit den Bankenverbänden, die künftigen Erläuterungen in diesen Kontoauszugstexten so zu gestalten, dass das der Normalbürger auch verstehen kann. Insoweit glaube ich, dass das Schlimmste jetzt hinter uns liegt.

domradio.de: Wenn Sie als Finanzdirektor des Erzbistums Köln in die Zukunft schauen - werden denn langfristig andere und neue Modelle der Kirchenfinanzierung entwickelt werden müssen? Wird sich die Kirche dann auch in ihrer Organisationsstruktur auch wesentlich ändern?

Schon: Die Kirche in Deutschland steht und fällt mit der Kirchensteuer, das ist überhaupt keine Frage. Etwa 80 Prozent unserer Ausgaben bestreiten wir aus der Kirchensteuer heraus. Insoweit ist es vollkommen klar: Wenn es keine Kirchensteuer mehr gäbe, dann müsste die Organisation Kirche vollkommen umgebaut und auf einen absoluten Kern, der dann spendenfinanziert oder wie auch immer, wie das auch in anderen Ländern heute schon ist, sozusagen zurückgefahren werden. Ich kann mir das bei heute gar nicht vorstellen.

Ich kann mir auch nicht ein spendenfinanziertes Modell für deutsche Verhältnisse vorstellen. Ich kann mir auch das italienische Modell nicht vorstellen, in dem jeder Steuerpflichtige einen Beitrag bezahlt und er dann gleichzeitig entscheiden kann, an welche Gruppierung - ob für Kultur, für Religion oder für andere Dinge, er diesen Betrag dann jeweils zugewendet haben möchte. Das wäre nämlich eine staatliche Subvention den Kirchen gegenüber, auch dies kann ich mir für deutsche Verhältnisse nicht vorstellen.

Nein, ich bin dafür, dass wir mit Nachdruck für die Kirchensteuer eintreten, wie wir sie in Deutschland haben. Das ist ohne Frage die beste Finanzierungsform, die man sich wünschen kann. Da kann man unseren Mitgliedern auch noch gar nicht genug danken für diesen hohen finanziellen Beitrag, den sie für uns leisten.

Im Letzten ist es eine Frage, inwieweit möchte die Gesellschaft Angebote durch Organisationen wie die Kirche haben. Möchte man in einer pluralen Gesellschaft unter verschiedenen Angebotsformen und Angebotsträgern wählen? Wenn man dies möchte, dann soll man doch bitte mit Nachdruck für die Kirchensteuer eintreten und wir werden in der Zukunft weiterhin alles daran setzen, dann auch sehr gute Leistungen für unsere Gesellschaft zu erbringen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens


Quelle:
DR