Im Iran gibt es immer weniger Christen

Das größte Problem ist die Auswanderung

Nur knapp ein Prozent der Bevölkerung im Iran sind christlichen Glaubens. Die Verfassung des Iran garantiert ihnen die freie Ausübung ihres Glaubens, Anschläge gibt es fast nie. Dennoch verlassen sie ihre Heimat.

 (DR)

"Gäste sind seltener geworden", sagt Ilyas, während er eine aramäische Bibel aufschlägt. Der 48-Jährige Pastor in der St. Johannes-Kirche in Urmia spricht ruhig und bedacht. Früher hat die kleine assyrisch-protestantische Gemeinde im Nordwesten Irans mehr Besucher aus dem Ausland bekommen als in diesen Tagen, in denen der Iran vor allem wegen Wirtschaftssanktionen und seinem Atomprogramm in den Schlagzeilen ist.

St. Johannes steht mitten im Zentrum von Urmia, einer 1,2 Millionen Einwohner großen Stadt am Rande des Urmiasees, einem Salzsee siebenmal so groß wie das Tote Meer. Die Stadt ist vermutlich eine assyrische Gründung. Urmia bedeutet so viel wie "Stadt am Wasser" auf aramäisch. Anfang des 20. Jahrhunderts waren noch mehr als 40 Prozent der Einwohner Urmias Christen - hauptsächlich ethnische Armenier und Assyrer. Die assyrische Gemeinschaft hatte hier seit den frühen Anfängen des Christentums gelebt - bekannt als assyrische Kirche des Ostens.

Gleich neben St. Johannes steht die winzige Kirche Mart Maryam (St. Maria), die im 5. oder 6. Jahrhundert nach Christus erbaut wurde. Doch zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 begann der Niedergang der religiösen Gemeinschaft. Osmanische Truppen verübten vier Jahre lang systematische Massaker an Christen in Urmia und Umgebung - viele wurden getötet, andere flohen.

Anschläge gibt es fast nie
Wir sind eine Minderheit; das ist nie einfach", sagt Pastor Ilyas in tadellosem Englisch. Seit 27 Jahren ist Ilyas hier Pastor der Gemeinde. Heute leben noch etwa 5.000 assyrische Christen in Urmia, erzählt er. Alle Geschwister des Kirchenmannes sind entweder nach Europa oder Amerika ausgewandert. Nur Ilyas, seine Frau, sein 17-jähriger Sohn und seine 7-jährige Tochter sind noch da. "Das größte Problem ist die Auswanderung." Er will bleiben. "Wir waren schon hier vor dem Isla", sagt Ilyas selbstbewusst.

Nur knapp ein Prozent der iranischen Bevölkerung sind christlichen Glaubens - der Großteil von ihnen armenische oder assyrische Christen. Die Verfassung des Iran garantiert ihnen die freie Ausübung ihres Glaubens. Im Parlament ist für Christen eine feste Anzahl von Sitzen reserviert. Solange die Gemeinden untereinander bleiben, untereinander heiraten und keine Muslime konvertieren, gibt es wenige Probleme. Die Praxis ist liberaler als in anderen islamischen Ländern. Anschläge auf Christen, Kirchen und Gemeinden gibt es im Iran fast nie.

Anders ist die Sache mit den "Hauskirchen", deren Mitglieder vom Islam zum Christentum übergetreten sind und damit gegen die Gesetze verstoßen, die für Abfall vom Glauben sogar die Todesstrafe vorsehen können. Deshalb treffen sich diese Gemeinden heimlich in Privatwohnungen oder Häusern. In diesen Untergrundkirchen sammeln sich meist Anhänger evangelikaler Strömungen, die radikaler sind und sich auch bestimmter gegen die Regierung positionieren.

Weg nach Europa, die USA oder Armenien
Erst vor kurzem war der Konvertiten-Pastor Youcef Nadarkhani nach internationalen Protesten freigesprochen und wieder aus der Haft entlassen worden. Das Mitglied der Freikirche "Church of Iran" war wegen "Abfall vom Glauben" 2010 zum Tode verurteilt worden.

Die assyrischen Christen in Urmia sind nochmals in protestantische, orthodoxe und katholische Gemeinden unterteilt. Doch die Trennung, so sagt Ilyas, sei wenig streng. "Wir heiraten untereinander." Ostern und Weinachten würden die Familien zusammen feiern. Die Situation sei nicht immer einfach. "Der Iran ist ein islamisches Land." Aber in Syrien, wo viele assyrische Christen zu Hause sind, sei die Situation doch noch viel schwieriger, meint Ilyas. Da seien schon viele vor dem Bürgerkrieg aus ihrer Heimat geflohen.

Auch in Täbris, rund hundert Kilometer von Urmia entfernt, schrumpfen die christlichen Gemeinden. Hier im Zentrum der viertgrößten Stadt des Irans, unweit des alten Basars, steht St. Maria, eine armenische Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Schon Marco Polo hatte das Gotteshaus in seinem Reisebericht erwähnt, als er auf seiner Route nach China um 1275 nach Täbris kam. Gorgan, ein älterer Mann, öffnet das gut versteckte Tor zum Grundstück, das links und rechts von hohen Neubauten umgeben ist. Noch 800 armenische Christen leben in Täbris, meint Gorgan. "Sie sind alle weggegangen - nach Europa, in die USA, nach Armenien - oder nach Teheran und Isfahan."

( Agnes Tandler / epd )