Das große Geburtstagsinterview mit Prälat Norbert Feldhoff

"Die Kirche wird bleiben bis zum Ende. Auch wenn sie noch so einen Mist macht."

Am Sonntag wird der ehemalige Generalvikar und Dompropst Prälat Norbert Feldhoff 80 Jahre alt. Im Interview mit Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen spricht er über sein Leben, den Zustand seiner Kirche, Reformen und sein geistliches Testament.

Der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff (r.) mit dem Kölner Domkapite / © Robert Boecker (KNA)
Der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff (r.) mit dem Kölner Domkapite / © Robert Boecker ( KNA )

DOMRADIO.DE Wie sieht Ihre persönliche Lebensbilanz aus? Wenn Sie zurückblicken, was steht auf der Habenseite?

Norbert Feldhoff (Priester, emeritierter Generalvikar zweier Kölner Erzbischöfe und ehemaliger Kölner Dompropst): Ich habe wirklich, und das ist jetzt keine Formel, unendlich viel zu danken. Wie ich Priester geworden bin, weiß ich gar nicht. Das ist gewachsen. Es gibt keinen Augenblick, wo ich gesagt habe: "Jetzt wirst du Priester!" Auch das ist mir geschenkt worden. Ich musste ja sagen dazu.

Kaplan wurde ich in Neuss. Ich kannte Neuss aber gar nicht, obwohl die Wohnung in Neuss nur zwölf Kilometer von der Wohnung meiner Eltern entfernt war. Es war ein völliges Neuland, eine Liebe auf den ersten Blick, wunderschön.

Dann wurde ich Sekretär von Kardinal Höffner. Den hatte ich einmal bei einem Gottesdienst gesehen. Er kannte mich nicht. Wer mich vorgeschlagen hat, hab ich trotz meiner späteren Aufgaben nie herausgefunden. Das ist auch ein Glücksfall gewesen. Da war ich 35 Jahre.

Mein Vorgänger wurde Weihbischof. Und dann kam der Kardinal auf mich zu: "Wer wird der neue Generalvikar?" Da hatte ich natürlich überlegt und habe ihm drei Vorschläge gemacht. Und dann sagte er: "Und sie!" Da sagte ich, ich sei doch zu jung. Wir lebten zusammen, haben zusammen gearbeitet, gegessen und die Messe gefeiert. Ich habe das Thema nie mehr angesprochen. 20 Tage später kam er: "Haben Sie sich das überlegt?" Ich hatte zehn Punkte, die dagegen sprachen. Er hat sich alle angehört, hat sie alle widerlegt und gesagt: "So, jetzt müssen Sie entscheiden." Jetzt wusste ich, jetzt war ich dran. Einmal darüber geschlafen. Am nächsten Tag habe ich gesagt: "Herr Kardinal, ich mache das im Gehorsam!" Da hat er ganz nüchtern gesagt: "Das geht nicht. Generalvikar kann man nicht im Gehorsam machen." Und dann habe ich entgegen meiner sonstigen Art mit einem biblischen Text argumentiert: Die Jünger hatten ergebnislos versucht, Fische zu fangen. Dann war Jesus da und hat sie nochmal rausgeschickt. Er, der nichts vom Fischen verstand, sagt den Fischern, die negative Erfahrungen hatten: "Nun versucht es nochmal!" Und dann hat der Petrus entgegen seines Verstands als Fischer gesagt: "Auf dein Wort hin!" Dann habe ich dem Kardinal gesagt: "Ich traue es mir nicht zu. Auf ihr Wort hin riskiere ich das!"

Jeder wird mir hoffentlich glauben, dass ich mit 35 Jahren nicht das Ziel hatte, Generalvikar zu werden. Es ist mir geschenkt worden.

DOMRADIO.DE: Und als Kardinal Meisner kam?

Feldhoff: Als Kardinal Meisner kam, war das etwas anders. Da hatte ich zwölf Jahre Erfahrung. Und er hat mich dann nach Berlin eingeladen und gesagt: "Ich darf jetzt, ehe ich eingeführt bin, noch nichts entscheiden. Ich kenne eine Menge Kölner. Die einen haben mir gesagt, du musst auf jeden Fall den Feldhoff nehmen, der kennt sich aus, du bist da neu. Die anderen haben gesagt, um Gottes Willen, nehmen Sie den auf keinen Fall." Da habe ich gelacht und habe dem Kardinal gesagt: "Wenn man zwölf Jahre Generalvikar war und einigermaßen gut gearbeitet hat, hat man so vielen Leuten auf die Füße getreten. Da verstehe ich sehr gut, dass Sie vor mir gewarnt worden sind." Aber er hat da noch nichts entschieden und dann kam erst nach der Einführung im Dom die Entscheidung, dass ich sein Generalvikar wurde. Beworben habe ich mich nicht. Aber nach zwölf Jahren traute ich es mir schon zu und habe das auch sehr gerne gemacht.

Das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich auf eine kirchliche Stelle beworben habe, war der Dompropst. Ich hatte mit 60 Jahren Kardinal Meisner geschrieben und gesagt: "Ich verstehe, wenn ich jetzt Schluss machen soll, dann war ich knapp 25 Jahre Generalvikar." Aber er hat gesagt: "Mach weiter!" Und in dem Gespräch habe ich ihm gesagt: "Auf keinen Fall weiter als 65!" Ich hatte zu oft erlebt in der Kirche, aber auch in Politik und Wirtschaft, dass Leute zu lange machen. Und man darf nicht auf das hören, was einem in die Ohren geflüstert wird: "Mach doch weiter, das geht gar nicht anders. Kolumba ist noch nicht fertig, der Weltjugendtag steht an." Hintenrum sagt man, "Hoffentlich geht der Alte!" Und deshalb habe ich gesagt, auf jeden Fall Schluss mit 65.

DOMRADIO.DE: Und das Domkapitel hat Sie 2004 mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Feldhoff: Genau, nicht alle. Auch das war kein Wunder. Aber im ersten Wahlgang bin ich gewählt worden. Aber das war das erste Mal, dass ich mich auf eine solche kirchliche Stelle beworben habe. Insofern kann ich sagen, mir ist da unendlich viel geschenkt worden, sehr viel Verantwortung, ungewöhnlich viel für das Alter mit 35. Und natürlich habe ich Fehler gemacht. Das ist überhaupt keine Frage. Aber insgesamt, glaube ich, ist es gar nicht so ganz schlecht gewesen.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie das Leben als Geschenk betrachten und diese ganze Laufbahn, die Sie gerade noch einmal geschildert haben, zeigt, das ja. Ein Karriereschritt nach dem anderen, über so viele Jahre Generalvikar und Dompropst. Es hat sich viel verändert in dieser Zeit. Haben Sie sich auch verändert?

Feldhoff: Mit Sicherheit. Nur wenn ich jetzt sagen wollte, wie, fällt mir das schwer.

DOMRADIO.DE: Dann machen wir das an den Personen fest. Kardinal Frings hat sie geprägt. Was haben Sie von dem mitgenommen?

Feldhoff: Vor Frings hatten wir großen Respekt. Aber wir waren auch eine Priestergeneration, die sagte, "hoffentlich hört er bald auf." Ich habe ihn sehr gut kennengelernt, weil ich als Sekretär ja im selben Haus wohnte. Vor allem imponiert mir bei Frings sein Auftritt beim Zweiten Vatikanischen Konzil, wo er ja ganz entscheidend auf die Entwicklung des Konzils von Anfang an hin gewirkt hat. Und der Kardinal war ein gewissenängstlicher Mensch. Er hat später mit Kardinal Höffner öfter darüber gesprochen, ob er alles falsch gemacht hätte auf dem Konzil. Er hatte ja selber Schwierigkeiten. Aber er war außerordentlich klug in der Auswahl seiner Begleiter und Berater. Er hatte drei Begleiter auf dem Konzil. Das war der Konzils-Kenner, Professor Jedin. Das war der scharfe Generalvikar Josef Teusch und der kluge Theologe Ratzinger. Und zu den verschiedenen Beiträgen, die er gebracht hat, standen immer welche von diesen drei Beratern hinter ihm. Ich glaube, dass kaum ein Bischof so kluge Begleiter hatte. Was konnte ich von ihm lernen? Es kommt in solchen Leitungsämtern darauf an, wen man um sich hat, wen man als Berater hat. Und man darf auch keine Angst haben in solchen Rollen.

DOMRADIO.DE Dann kam Kardinal Höffner, den Sie ja auch erst als Geheimsekretär und dann als Generalvikar erlebt haben.

Feldhoff: Sechs Jahre als Sekretär und zwölf Jahre als Generalvikar, also 18 Jahre. Ich habe immer gesagt, das ist zweifellos ein hochintelligenter, begabter und frommer Mann. Für mich ist es aber vor allem der Westerwälder Bauernsohn, der wachsen lässt. Das hat er oft gesagt, der von Güte bestimmt war. Mir ging das in manchen Fällen zu weit, wenn wir über einzelne Fälle sprachen. Aber er hat sich da überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das ist meines Erachtens der wesentliche Charakterzug an ihm. Und ich glaube nie, dass ich das an Güte erreicht habe, was er an Güte hatte.

DOMRADIO.DE: Als dann Erzbischof Meisner aus Berlin kam, war das für alle damals in Köln nicht ganz so einfach. Sie haben ihm aber hier in Köln ermöglicht, Fuß zu fassen. Sie haben ihm als Generalvikar den Weg geebnet.

Feldhoff: Höffner und Meisner haben im Unterschied zu Kardinal Woelki heute am Anfang erheblichen Widerstand gehabt. Von Kardinal Höffner weiß man das heute nicht mehr so. Aber meine Priestergeneration stand ihm sehr skeptisch gegenüber. Er hat allmählich gewonnen durch sein persönliches Auftreten. Er hat jedes Jahr drei Dekanate selber visitiert und da gefirmt. Und da haben die Leute ihn kennengelernt.

Der Widerstand gegen Kardinal Meisner war wesentlich heftiger. Und er hat massiv darunter gelitten. Er hatte von seinem Temperament her die Art, direkt dagegen anzugehen. Ich habe ihm dann gesagt: "Das ist nicht unbedingt klug. Du kannst nicht einfach stehen lassen. Aber nimm dir so einen Deich an der Nordsee als Beispiel. Da steht nicht eine Wand, gegen die die Wellen direkt schlagen, sondern da ist ein Vorflutbereich und die Wellen laufen sich tot. Lass die langsam rankommen. Rede mit den Leuten."

Viele Leute haben ja Krach mit ihm gehabt. In manchen Fällen konnte ich da beide Seiten verstehen. Wir beide waren in einem Punkt sehr unterschiedlicher Meinung: Das war die Frage: Können wir in der anerkannten Schwangerenkonfliktberatung bleiben oder müssen wir raus? Ich war und bin heute noch der Meinung, es wäre theologisch nicht unbedingt erforderlich gewesen, dass wir rausgehen. Der Papst hat aber anders entschieden.

In dem Punkt haben wir immer offen reden können. Er kannte meine Position, die genau gegenteilig war zu seiner Position. Er wusste, ich würde nie gegen ihn arbeiten, aber ich konnte immer offen mit ihm darüber sprechen. Und ehe die Papstentscheidung kam, musste ich im Dom predigen und habe entgegen meiner sonstigen Gewohnheit sehr kurzfristig eine Predigt vorbereitet mit dem Ziel, den Menschen klarzumachen: Wir dürfen nicht wegen dieser Frage auseinandergehen. Man kann aus Gründen so denken und anders denken. Ich habe beide Positionen klargemacht, habe dann auch meine Position gesagt. Das Ziel war nicht, die Leute für meine Position zu gewinnen, sondern um zu sagen: Es gibt solche Fälle, aber man darf da nicht total gegeneinander gehen. Kardinal Meisner meinte dann nur: "Da hättest du aber auch sagen können, der Kardinal ist anderer Meinung". Also man konnte mit ihm, auch wenn man anderer Meinung war, friedlich, offen, kontrovers reden.

DOMRADIO.DE: Als Dompropst hatten Sie dann großen Einfluss, als es um den Nachfolger ging, oder?

Feldhoff: Ich habe ja zweimal wählen können. Ich war ja schon im Kapitel, als Meisner gewählt wurde. Lange bevor Kardinal Meisner im Ruhestand war, habe mit dem Kapitel gesprochen. Wir wollten in einer Zeit, wo nichts Kontroverses ist, organisatorisch formal jeden Schritt genau festlegen. Das hat mindestens drei Sitzungen gedauert. Ich habe Entwürfe gemacht, die sind kritisiert worden. Wir haben wieder darüber geredet. Wir hatten einen minutiösen Plan, denn die Statuten sind klar. Aber wie man mit Statuten umgeht, das kann dann, wenn es schon Namen gibt, zu wahnsinnigen Kontroversen führen. Allein der Schritt: Wie kommen wir zu unserem Vorschlag? Das ist ja der erste Schritt. Da hatte ich konkrete Erfahrung von der ersten Wahl. Da kann man sich die Köpfe einschlagen. Deshalb haben wir das so abgewickelt. Das ist absolut friedlich gelaufen, weil wir vorher jeden Schritt ohne Namen geplant hatten.

DOMRADIO.DE: Wie ist das im Moment mit Kardinal Woelki? Sucht er auch Ihren Rat?

Feldhoff: Er hat in ein oder zwei Fällen mit mir über Personalien gesprochen. Ich halte mich völlig zurück. Wenn er mich fragt, würde ich immer ehrlich meine Meinung sagen. Aber ich halte überhaupt nichts davon, dass Leute, die so lange in solchen Funktionen waren, dann hinterher glauben, sie wüssten immer, was richtig ist. Natürlich habe ich manche Meinungen, aber die Zeit geht weiter. Nehmen wir den Pastoralen Zukunftsweg: Ich lese die Texte nicht. Ich halte mich da völlig raus. Ich bilde mir da gar keine Meinung. Ich weiß, wie schwierig das ist, und lass die in Ruhe arbeiten. Wenn ich da überhaupt sachlich was sagen wollte, dann müsste ich ja arbeiten, und das würde meinem Streben, im Ruhestand zu leben, total widersprechen.

DOMRADIO.DE: Priesterliches Leben ist zölibatär. Wie bewerten Sie die aktuelle Debatte um den Pflichtzölibat?

Feldhoff: Zunächst einmal wehre ich mich schon heftig gegen das Wort Pflichtzölibat auf meine Person bezogen. Bei mir ist das gewachsen, weil ich Priester werden wollte, und das war selbstverständlich. Ich habe mich aber in keiner Sekunde gezwungen gefühlt, jetzt den Zölibat noch zusätzlich in Kauf zu nehmen. Das war eine Einheit. Dann bin ich 1971, noch als Sekretär von Kardinal Höffner, auf der damals sehr bedeutenden und auch noch heute berühmten Bischofssynode in Rom gewesen, die sich mit der Priesterfrage auseinandergesetzt hat. Damals waren alle Bischofskonferenzen der Welt auch zu der Frage Zölibat gefragt worden. Und ein erheblicher Teil dieser Konferenzen hatte mehrheitlich gewisse Modifizierungen wie Viri Probati oder anderes angepeilt. Kardinal Höffner hatte eine zentrale Rolle in dieser Bischofssynode. Er bat mich, herauszufinden, wie die Bischofskonferenzen im Vorfeld zur Zölibatsfrage votiert hatten. Es gab dann eine deutliche aber keine überwältigende Mehrheit für die Beibehaltung, obwohl vorher so viele unterschiedliche Voten da waren. Meines Erachtens hatte Kardinal Höffner, der ja bekannt war für seine zehn Thesen zum Zölibat und der auch in der Synode Bedenken angemeldet hat, maßgeblichen Anteil. Er sagte: "Wenn wir an irgendeiner Stelle regional agieren oder in Sachen Viri Probati etwas öffnen, hat das auf Dauer eine Sogwirkung, dass der Zölibat ganz fällt. Bei der Frage nach dem Pflichtzölibat hat er mit der alt-katholischen Kirche argumentiert, die damals bei der Gründung den freiwilligen Zölibat ermöglicht hatte. Und faktisch hat sich das so entwickelt, dass meines Wissens heute alle alt-katholischen Priester verheiratet sind. Er hat daraus gefolgert: Es wird dann eine Entwicklung kommen, dass es nur noch zufällig unverheiratete Priester gibt. Aber als Zeichen bleibt das nicht mehr erhalten. Das, glaube ich, war auch maßgeblich für die Mehrheitsverhältnisse auf der Synode.

Ich glaube aber, diese Frage wird niemals endgültig entschieden sein. Und insofern wundert es mich überhaupt nicht, dass jetzt die Frage wieder neu aufbricht. So sehr ich für mich persönlich überzeugt bin, dass es die richtige Entscheidung war, nehme ich an, dass es auf Dauer Viri Probati und andere Lösungen geben wird. Mich hat immer Karl Rahner beeindruckt, der geschrieben hat, so sehr er auch den Zölibat schätze, das Entscheidende sei, ob wir genug Priester haben, damit die Messe gefeiert werden kann.

DOMRADIO.DE: Sie waren ja auch immer jemand, der Macht ausgeübt hat. Das gehört zu diesen Funktionen. Wenn man Generalvikar ist, ist man einer der mächtigsten Männer. In der aktuellen Debatte erleben wir, dass gerade diese Macht stark hinterfragt wird. Wie verträgt sich Kirche und Macht?

Feldhoff: Mein Vorgänger Generalvikar Josef Deutsch meinte, ein Generalvikar müsse Blut sehen können. Das ist ein Element der Macht in sehr radikaler Weise formuliert. In Leitungsämtern muss man entscheiden können und muss man Macht haben. Alles andere ist eine Illusion. Ich war sehr für eine noch stärker kontrollierte Macht in der Kirche. Ich hatte die Hoffnung, dass bei der Überarbeitung des jetzt geltenden Kirchenrechts eine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt worden wäre. Das heißt, jede Kirchengemeinde, die glaubt, durch eine Entscheidung des Generalvikars ungerecht behandelt worden zu sein, hätte zum Verwaltungsgericht gehen können. Und diese Entscheidung wäre überprüft worden. Ist nicht gekommen. Man hat mir gesagt, dass Papst Johannes Paul dagegen war, weil er Sorge hatte, dass in den damals noch kommunistischen Ländern in solche Verwaltungsgerichte auch antikirchliche Leute hätten kommen können, die dann Einfluss auf kirchliche Arbeit genommen hätten. Ich war aber dafür, weil das präzise kontrollierte Macht gewesen wäre. Im Moment ist das wieder ein Topthema. Kontrollierte Macht ist notwendig. Menschen machen Fehler, und es ist gut, wenn man das kontrollieren kann.

DOMRADIO.DE: Wenn man ein Leben lang wie Sie für das Reich Gottes gekämpft hat und jetzt sieht, dass sich viele Dinge auflösen. Was macht das mit einem?

Feldhoff: Natürlich ist es im Moment besonders schrecklich. Und das hat auch konkrete Gründe. Dennoch sage ich immer, das kommt in der Heftigkeit und auch in der Zerrissenheit, die innerhalb der Kirche zurzeit ist, nicht völlig aus dem luftleeren Raum. Ich habe schon mit Kardinal Höffner in darüber gesprochen. Er war ziemlich bedrückt, er meinte, die Kirche müsse doch wachsen und verkündigen. Damals habe ich ihm schon gesagt: "Das ist auch meine Meinung, meine Überzeugung. Aber es gibt Zeiten, wo wir faktisch nicht wachsen können, wo wir es nur darauf ausrichten können, den Stand zu halten. Aus unserem Glauben, aus unserer Überzeugung."

Ich habe mehrfach auf der Kanzel, auch im Dom, gesagt: "Ich hoffe, dass dieser Dom immer Gottesdienststätte ist." Ich bin aber in Hippo gewesen, wo Augustinus Bischof war, die frühere Kornkammer Italiens. Tunesien ist heute Wüste. Das Gebiet, wo früher der Weizen wuchs, ist Wüste. Diese blühende Bischofsstadt Hippo ist heute eine Ruinenstadt und religiös gesehen ist ganz Tunesien ein islamisches Land. Die Christen sind da weg. So etwas kann es auch bei uns geben. Ich habe immer wieder aus der Geschichte heraus gedacht: Wir dürfen hier nicht sicher sein. Es kann bei uns alles zu Grunde gehen.

Ich habe meine Aufgabe darin gesehen, zu arbeiten, dass ich nicht wesentlich mit schuld bin, wenn es so weit kommt. Es ist traurig, was im Moment ist. Aber es wäre falsch zu meinen, das komme aus heiterem Himmel. Das ist allmählich gewachsen. Als ich Priester wurde, hatte Köln etwa 2,6 Millionen Katholiken. Vor 20 Jahren habe ich überlegt, wann wir nur zwei Millionen Katholiken haben. Dieses Jahr ist noch nicht erreicht. Und heute? Wir sind schon unter zwei Millionen Katholiken. Und die neuen Prognosen? Wir werden kleiner, wir werden schwächer. Wir werden unbedeutender in der Gesellschaft, eindeutig. Ein solcher Schrumpfungsprozess kann auch auf Dauer wieder zu einer Neubesinnung führen. Aber das Schrumpfen allein führt nicht zur Verbesserung.

DOMRADIO.DE: Was liegt noch vor Ihnen? Worauf freuen Sie sich?

Feldhoff: Natürlich setzt man sich, wenn man älter wird, automatisch mit dem Ende auseinander. Ich möchte nicht mehr so lange leben. Nicht, weil es mir schlecht geht. Dieser Weg dahin, das macht mich schon bedenklich. Wie sieht das denn danach aus? Ich habe mich für mein Beten und Denken auf einen einzigen Begriff konzentriert, das ist Ruhe. In der Beerdigungszeremonie ist immer von der ewigen Ruhe die Rede. Ruhe ist für mich alles. Das ist nicht tot. Eine wirklich gefüllte Ruhe hat auch mit Leben zu tun. Insofern verstehe ich mein jetziges Leben im Ruhestand als die vorsichtige Vorbereitung auf die ewige Ruhe.

DOMRADIO.DE: Haben Sie ein geistliches Testament?

Feldhoff: Mein Glaube hat mein Leben so lange geprägt, er war mir eine gute Orientierung bei allen Schwierigkeiten, die die Kirche hat. Insofern würde ich sagen: "Versucht nie, ohne Kirche zu leben. Lasst euch nicht irre machen durch irgendwelche Kleriker."

Ich habe als Kind viele, viele Priester kennengelernt. Ich würde fast sagen, der größere Teil ist für mich kein Vorbild gewesen. Es gab natürlich einige, die Vorbild waren, aber das war der geringere Teil. Und ich habe mit meinen Eltern immer gelernt, offen auch über Fehler von Priestern zu sprechen. Bei uns war das zu Hause nicht tabu. Insofern würde ich sagen: "Wenn euch ein Papst oder Bischof nicht gefällt, das ist alles kein Problem. Die Kirche wird bleiben bis zum Ende. Auch wenn sie noch so einen Mist macht."

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen, Chefredakteur von DOMRADIO.DE.


Quelle:
DR