Jeder Mensch hat laut Verfassung das Recht auf Kenntnis von Vater und Mutter. Zwar wussten schon die Römer, dass "der Vater stets ungewiss ist" - siehe Kuckuckskinder. Mit der Samenspende seit 1970 wurde dies aber für die meisten der inzwischen schätzungsweise 120.000 Menschen, die auf diese Weise entstanden, zur Regel.
Der Gesetzgeber will dies nun ändern und über ein zentrales Register das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ermöglichen. Doch bei aller Zustimmung im Grundsatz äußern Ärzte, Betroffene und die katholische Kirche erhebliche Bedenken.
"Quantensprung" oder "Diskriminierung"?
Mit dem "Gesetzentwurf zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen" soll auch in Deutschland künftig jeder Mensch ab 16 Jahren, der vermutet, mittels einer Samenspende gezeugt worden zu sein, Auskunft aus einem Samenspenderregister erhalten. Dazu soll ein Register beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information personenbezogene Angaben von Samenspendern und Empfängerinnen einer Samenspende 110 Jahren speichern. Dies hatten Betroffene seit Jahren gefordert, und dies ist auch unstrittig.
Doch enthält der Gesetzentwurf eine "ergänzende Regelung" im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die ebenso umstritten wie weitreichend ist. Die "Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspenden" spricht von einem "Quantensprung", der "Verein Spenderkinder" sieht hingegen eine verfassungsrechtlich fragwürdige "Diskriminierung".
Die katholische Kirche kritisiert das geplante Abweichen von bisher anerkannten Prinzipien des Abstammungsrechts und sieht vor allem die Rechte des Kindes in Gefahr. Angesichts der grundlegenden Weichenstellung im Abstammungsrecht erstaunt aber vor allem das Schweigen der Fachpolitiker aller Parteien.
Ausschluss gerichtlicher Feststellung
Umstritten ist vor allem, dass "die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders" ausgeschlossen werden soll. "Damit wird der Samenspender insbesondere von Ansprüchen im Bereich des Sorge-, Unterhalts- und Erbrechts freigestellt", teilte das Gesundheitsministerium mit.
Der Gesetzentwurf befreit den Samenspender also umfassend von jeder rechtlichen Verantwortung. Nach Auffassung der Kirche berücksichtigt dies aber nicht, dass der Samenspender "bewusst und freiwillig mit einem maßgeblichen Beitrag an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt und hierfür eine soziale und ethische Verantwortung trägt".
"Neue Kategorie von Menschen"
Der Verein Spenderkinder begrüßt in einer Stellungnahme zwar "ausdrücklich das Anliegen, Samenspender, die ihre Keimzellen über eine Samenbank zur Verfügung stellen, von finanziellen Ansprüchen des Kindes freizustellen". Mit dem Ausschluss der Feststellung des Samenspenders als Vater liege aber "eine schwer mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz zu vereinbarende Diskriminierung" vor. Erstmals werde "mit durch Samenspende gezeugten Menschen eine Kategorie von Menschen geschaffen, die ihren genetischen Vater nicht als rechtlichen Vater feststellen lassen können".
Für die Ärzteschaft vermittelt der "Regelungsvorschlag" den Eindruck, "dass Erwachsene die Elternschaft miteinander vereinbaren können und dem genetischen Vater letztlich nur die Rolle im Hinblick auf die Abstammung zukommt". Anders gesagt, hier findet ein Vertrag zulasten Dritter statt. Maßgeblich ist damit der Wunsch Erwachsener nach einem Kind und die Sorge des Gesetzgebers, mögliche Spender nicht zu verprellen.
Ärztekammer: Klare Definition fehlt
Die Ärztekammer geht mit dem Entwurf auch anderweitig hart ins Gericht: Es fehle etwa eine klare Definition, bei wem eine künstliche Befruchtung mit gespendeten Samen vorgenommen werden dürfe oder wie mit sogenannten Becherspenden von privaten Spendern umgegangen werde solle. Dringlich sei aber eine systematische Regelung der gesamten Reproduktionsmedizin.
Seit Februar 2015 tagt ein Arbeitskreis Abstammungsrecht, den das Bundesjustizministerium eingesetzt hat. Er soll voraussichtlich im Sommer 2017 seinen Abschlussbericht vorlegen. Nicht nur die Bundesärztekammer fragt sich deshalb, warum hier "mit einer isolierten und mit Problemen behafteten Teilregelung vorgegriffen werden soll".