Beim Kampf gegen Armut geht es nach den Worten des Berliner Kardinals Rainer Maria Woelki auch um die Würde des Menschen. Die Armutserfahrung gehe gerade bei Jugendlichen mit einem Verlust an Selbstwertgefühl einher, sagte der Kardinal am Freitag auf dem Katholikentag in Regensburg. Oft herrsche bei ihnen das Gefühl vor: "Ich bin ja nichts wert". Der Berliner Erzbischof forderte zugleich eine politische Sensibilisierung, um stärker in Prävention und Resozialisierung zu investieren.
Woelki erinnerte zu Beginn der Diskussion an die Worte von Papst Franziskus, der in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium von einer "Diktatur der Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel" gesprochen habe. Dies sei eine neue Form der Entmenschlichung. Woelki fasste die Analyse des Papstes mit den Worten zusammen: "Eine Politik und eine Wirtschaft, die nicht dem Menschen dienen, die dienen zu nichts".
Die Vorsitzende des Sozialausschusses im Bundestag, Kerstin Griese (SPD), sagte die verfestigte Armut sei eine der größten Herausforderungen der Politik. Es gehe um jenen Teil von Menschen, die keine Arbeit mehr fänden und bei denen Armut bereits an die eigenen Kinder vererbt werde. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn wolle die Regierung jetzt zumindest jenen helfen, die trotz Arbeit arm seien. Dies sei ein großer Schritt für die Gesellschaft und habe auch etwas mit Würde zu tun.
Der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Georg Cremer, forderte ein Recht auf Armutsprävention. Sie müsse ebenso wie die Sozialhilfe gesetzlich verankert werden. Dies sei eine zentrale Herausforderung für die Bundesregierung. Es gebe zwar eine konstante Debatte zur Frage des Armutsrisikos, sagte Cremer, die Prävention werde aber zu wenige in den Blick genommen.
Bei der Glaubensweitergabe wird nach den Worten des Münsteraner Bischofs Felix Genn jeder Christ zur "Power-Point-Präsentation" Jesu. "Jesus selbst hat nie geschrieben, weil er seinen Jüngern keine katechetische Bibliothek geben wollte, sondern sie zu seiner Power-Point-Präsentation machte", sagte der Bischof am Freitag beim Katholikentag in Regensburg.
Um andere vom Glauben zu begeistern, müssten die Christen innerlich brennen, andere anzünden und ihnen deutlich machen, wie viel ihnen das Evangelium bedeute. Zudem sei es wichtig, dass sich jeder Christ seiner Taufwürde erinnere und sie lebe. "Die Taufe ist nicht für mich, sondern ein Sakrament für die Welt", so der Bischof.
In der heutigen Zeit sei dabei das persönliche Zeugnis mehr gefragt denn je. "Eine Kirchengestalt, die den äußeren Rahmen vorgibt, gibt es heute in dieser Form nicht mehr", so Genn. Heute komme es darauf an, dass jeder einzelne "die Glut" des Glaubens entfache. Als Beispiele nannte der Bischof Initiativen aus dem Kirchenleben in Münster wie etwa Jugendkatechesen, Ehe-Rendezvous in einem Café oder Versöhnungskurse für Eltern. "Menschen gestalten Strukturen und nicht Strukturen gestalten Menschen", betonte Genn.
Die Wiener Theologieprofessorin Regina Polak sagte, dass der Glaube nach katholischem Verständnis eine Gnade Gottes sei. "Glaube ist kein Päckchen, das man einfach so weitergeben kann, sondern eine Lebenspraxis", so Polak. "Man ist nicht Christ und hat nicht Glauben, sondern die Kirche ist ein Raum zu verstehen, wie man Christ wird", so die Wissenschaftlerin.
Jesus ist aus Sicht des Theologen Mouhanad Khorchide ein "Brückenbauer" zwischen Christentum und Islam". "Jesus und Mohammed sind beide Propheten, und man darf den einen nicht über den anderen stellen", sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster (ZIT) am Freitag auf dem Katholikentag in Regensburg. Für alle Weltreligionen gelte das Gleiche: "Es kommt darauf an, den eigenen Glauben im Alltag zu bezeugen." Der Katholikentag sei dabei "ein wichtiger Ort für den interreligiösen Dialog".
Erneut setzte Khorchide mit seinen Ausführungen ein Zeichen für eine Auslegung des Korans, die den historischen Kontext berücksichtigt. "Man darf nicht selektiv aus dem Koran zitieren", sagte der Wissenschaftler. Für seine Koranauslegung wird der ZIT-Leiter vor allem aus eigenen Reihen immer wieder kritisiert: "Die Stimmen gegen mich sind nicht viele, aber laut", sagte Khorchide. Er bezeichnete die gegnerische Kritik als "plakativ und primitiv". Man dürfe nicht vergessen, dass er auch viel Zuspruch erfahre.
Immer mehr Menschen leben nach Einschätzung des Wiener Theologen und Soziologen Paul Zulehner gegen eigene Überzeugungen. Beim Katholikentag in Regensburg sagte er am Freitag, Priorität habe für viele Beziehung, Kinder, Familie und Freunde, tatsächlich stehe dann aber die Arbeit im Vordergrund. Nach Zulehners Erkenntnis gibt es deshalb eine zunehmende Zahl von "Aussteigern".
Für Zulehner wird es zunehmend wichtiger, Lebensarbeitszeit organisieren zu können. Dann könne man sich besser um Kinder oder die Pflege der Eltern kümmern. Es fehle eine Politik, die die Flexibilität junger Menschen begünstige. Der Theologe geht davon aus, dass die Rollen von Frauen und Männern künftig "weich wie Wachs werden". Die Menschen seien indes insgesamt oft "besser, als wir Katholiken denken".
Zulehner verfasste 1992, 2002 und 2012 Studien über die Entwicklung der Geschlechterrollen in Österreich. Typisch für die jetzige Situation ist demnach, aushandeln zu können, was wann passieren soll. Dabei komme es dazu, dass sich "moderne Phasen" und "traditionelle Phasen" gegenseitig und immer wieder neu ablösen könnten. Es sei allerdings schwer, den Wunsch nach Wählbarkeit sozialpolitisch zu unterstützen.
Christen müssen beim Umweltschutz aus Sicht des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke Vorbilder sein. Schließlich sei der Lebensstil der Bescheidenheit und des Maßhaltens etwas Urchristliches, sagte der Bischof am Freitag beim Katholikentag in Regensburg. Christen sollten weder Überfluss, Reichtum noch Übersättigung suchen, sondern vielmehr teilen und sozial Handeln, so Hanke. Als Beispiele führte er die Fastenzeit oder den Fleischverzicht am Freitag an. "Wir Christen haben schon lange den Veggie-Day", so Hanke. "Wir hatten ihn nur wieder vergessen."
Das Aufzeigen drohender Klimakatastrophen helfe hingegen nur wenig weiter. "Wenn wir den Menschen nur Schreckensszenarien vor Augen halten, können wir sie nicht zu positivem Handeln motivieren", so der Bischof. Anstatt die Endlichkeit der Welt hervorzuheben, sei es wichtiger, den Glauben an die Schöpfung als unendliches Netz zwischen Gott und seinen Werken zu bewahren.
Hanke warb zudem für den Umweltschutz in katholischen Gemeinden. Kirchenverwaltungen und Pfarrgemeinden sollten zu mehr Eigenverantwortung im Klimaschutz angeregt werden. Im Bistum Eichstätt steht Hanke Pate für eine Klimaoffensive, die das Ziel hat, bei der kirchlichen Umweltarbeit bis 2030 die CO2-Emissionen um 50 Prozent zu senken.
In seiner Zeit als Abt im oberpfälzischen Benediktinerkloster Plankstetten hatte Hanke eine sukzessive Ökologisierung des Klosters angeregt. Von der Landwirtschaft, über die Küche bis hin zur Wäscherei wurde das Kloster entsprechend umgewandelt. Bereits in seinem ersten Hirtenbrief sprach sich Hanke für eine "Ökologie des Herzens" aus, die sich weniger an einer "Nützlichkeit" der Umwelt orientiert als an einer Liebe zur Natur und zur Schöpfung.
Für eine historische Aufarbeitung der Katholikentage hat sich der Fuldaer Erzbischof und Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, Heinz Josef Algermissen, ausgesprochen. Algermissen bezog sich dabei am Freitag in Regensburg besonders auf die Rolle des Katholikentags vor dem Ersten Weltkrieg. Bei einer Diskussion über die Rolle der Kirche im Ersten Weltkrieg bedauerte er, dass es das Katholikentreffen seinerzeit nicht geschafft habe, deutlich gegen das Blutvergießen Stellung zu beziehen. Außer Appellen von Einzelpersönlichkeiten, die keinen Einfluss gehabt hätten, habe es keinerlei Initiativen gegeben.
Als einen Grund für die nationale Gesinnung vieler Katholiken und Bischöfe nannte er die leidvolle Erfahrung des Kulturkampfes. Aus dieser Erfahrung heraus hätten sich die Katholiken als "besonders gute Staatsbürger ausweisen wollen". Als Beispiel nannte die fragwürdige "persönliche Ergebenheitsadresse" des späteren Münchner Erzbischofs Michael Faulhaber an den Kaiser.
"Der Kriege beginnt immer in den Herzen der Menschen, niemals auf dem Schlachtfeld", betonte Algermissen. Deshalb sei auch der Erste Weltkrieg mit Begriffen wie dem vom "Todfeind" vorbereitet worden. Schließlich habe ein Großteil der Bevölkerung den Beginn des Krieges als so etwas wie einen "heiligen Vorgang" erlebt. Nach Ansicht des Präsidenten von Pax Christi gibt es auch heute noch eine Disposition der Menschen, einem solchen "Sog" zu folgen und "gegen die eigene Gewissensüberzeugung mitzuziehen". Deshalb sei die Kirche weiterhin aufgerufen, solche Entwicklungen im Vorhinein "nicht zuzulassen oder zu bekämpfen".
Ein Diakon ist nach den Worten des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa, "alles andere als ein gesegneter Sozialarbeiter". Vielmehr über er "den Dienst der Liebe vom Altar her aus", sagte Zdarsa am Freitag beim Katholikentag in Regensburg. Der Dienst des Diakons stehe vor der Herausforderung von Einheit und Einmütigkeit, so der Bischof. Dabei müsse "Einmütigkeit das Streben aller sein", während die Einheit sich dann als Geschenk einstelle. Zdarsa äußerte sich bei einem Gottesdienst mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Ständiger Diakonat in Deutschland.
Der Diakonat ist in der katholischen Kirche die erste Stufe des Weiheamts. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) war er nur eine Durchgangsstufe zum Priesteramt. Seit 1968 können auch verheiratete Männer zu "Ständigen Diakonen" geweiht werden; sie streben kein Priesteramt an. Ständige Diakone dürfen taufen und predigen, nicht aber die Messe lesen oder Beichte hören. Viele Ständige Diakone üben neben ihrem liturgischen Dienst einen Zivilberuf aus.
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode ist dafür, dass Laien stärker Verantwortung in der katholischen Kirche übernehmen. Eine neue Rollenverteilung sollte in Zeiten des Priestermangels aber mehr sein als nur eine Notlösung, betonte der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag beim Katholikentag in Regensburg: "Not treibt auch zu Dingen, die tiefer und richtiger sind", sagte Bode.
"Das gemeinsame Priestertum ist längst Realität", betonte Elfriede Schießleder, Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes KDFB. Andernfalls könne die Kirche gar nicht überleben, so Elfriede Schießleder: "In der Realität haben wir mehr Möglichkeiten als wir uns alle zutrauen."
Geistliche und Laien seien immer stärker aufeinander verwiesen, erklärte der Paderborner Professor für Christliche Gesellschaftslehre, Günter Wilhelms. Gerade in Zeiten der Krise der Kirche stelle sich aber auch die Frage, wie heute Mitbestimmung zu gestalten sei.
Der Hildesheimer Generalvikar Werner Schreer warb für eine andere Kultur des Miteinanders in der Kirche. Derzeit gebe aber nicht nur Priester, die sich den Laien widersetzten, sondern auch Laien, die sich an der Hierarchie festhielten.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat zu einem rücksichtsvollen Umgang mit der Natur und den Ressourcen der Erde aufgerufen. "Die Erde wird nicht unwichtiger", ermahnte der Bischof am Freitagabend auf dem Katholikentag in Regensburg. Sie sei den Menschen anvertraut und müsse geschützt werden. Hochachtung verdienten daher besonders Landwirte und die ländliche Bevölkerung weltweit, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Durch diese Menschen werde nicht nur Nahrung angebaut, sondern die Erde auch kultiviert.
Zuvor hatten Vertreter der Internationalen Katholischen Landvolkbewegung FIMARC auf die Sorgen von Bauern und der ländlichen Bevölkerung aufmerksam gemacht. 1,2 Milliarden Menschen litten weltweit an Hunger, davon lebten 75 Prozent in ländlichen Gebieten, sagte FIMARC-Geschäftsführer George Dixon Fernandez.