Über die Teilnahme an Katholikentagen gab es häufiger Streit

Ein schmaler Grat

Die AfD ist nicht die einzige, die draußenbleiben muss. 1986 wurde den Grünen die Teilnahme am Katholikentag verwehrt. Die Frage, wem die Christentreffen ein Podium bieten, wurde schon im 19. Jahrhundert diskutiert.

Autor/in:
Christoph Arens
Leipzig macht mobil für den Katholikentag / © Sebastian Willnow (dpa)
Leipzig macht mobil für den Katholikentag / © Sebastian Willnow ( dpa )

Thomas Sternberg zeigt klare Kante. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) will AfD-Vertreter beim 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig von den Podien fernhalten. Er wolle der Protestbewegung, die sich aus einer Ansammlung von Euroskeptikern zu einem Sammelbecken für rechtspopulistisches Gedankengut entwickelt habe, keine Bühne bieten, so der Mitgastgeber des Christentreffens.

Streit über Teilnahme bereits im 19. Jahrhundert

Sternberg ist nicht der erste ZdK-Chef, der sich mit der Frage beschäftigen muss, wer seine Positionen präsentieren kann und wer draußenbleiben muss. Schon im 19. Jahrhundert wogte hinter den Kulissen der Streit darüber, ob die Katholikentreffen eher Heerschau des katholischen Volksteils oder ein Ort der innerkirchlichen und gesellschaftlichen Debatte sein sollten.

"Die Einigkeit, mit der sich die Katholiken zwischen 1848 und 1869 präsentierten, beeindruckte Freunde wie Feinde", sagt der Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Doch diese Einigkeit hatte ihren Preis: "Ins Hintertreffen gerieten diejenigen Katholiken, die liberalere, aufgeklärtere Ideen vertraten und die bereit waren, den modernen Staaten und Wissenschaften umfassendere Zugeständnisse zu machen."

Prinzipientreue oder Dialog, Ort der Selbstvergewisserung oder Plattform der Auseinandersetzung mit unbequemen Positionen, denen man zugleich eine Bühne bietet - der Grat, auf dem sich die Katholikentage bewegten, war oft sehr schmal.

Heerschau der katholischen Zentrumspartei

Viele Jahrzehnte galten die Treffen als Heerschau der katholischen Zentrumspartei und - nach 1945 - der Unionsparteien. Es dauerte lange, bis Sozialdemokraten Mitglied im Zentralkomitee - der spätere Verteidigungsminister Georg Leber war das erste Mitglied mit rotem Parteibuch - und offiziell Mitdiskutierende bei Katholikentagen sein konnten.

Zwist mit den Grünen

Unvergessen der Streit mit den Grünen: Das Tischtuch zwischen den Alternativen und der katholischen Kirche sei zerschnitten. Dieses geflügelte Wort prägte 1986 der damalige Präsident des Laienkomitees, Bayerns Kultusminister Hans Maier (CSU). Im Mai 1986 hatten sich die Grünen für die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 ausgesprochen. Der Kölner Kardinal Josef Höffner erklärte die Partei als für Christen nicht wählbar. Zum Aachener Katholikentag im September 1986 wurde kein einziger Grünenpolitiker eingeladen - was kurz nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl peinlich wirkte.

Prominente Grüne wie Petra Kelly und Joschka Fischer fanden jedoch Asyl auf dem parallel veranstalteten "Katholikentag von unten". In Berlin 1990 - beim ersten Katholikentag nach der Einheit - waren die Grünen in kleiner Besetzung wieder dabei. Christa Nickels bezeichnete die Kirche als "ein glorioses, verkrustetes Gemäuer" mit hochgezogener Zugbrücke.

"Katholikentag von unten" als Parallelveranstaltung

Auch die innerkirchliche Opposition blieb zeitweise dem offiziellen Christentreffen fern: Vor dem Berliner Katholikentag 1980 beschlossen 24 Reformgruppen, erstmals einen eigenen "Katholikentag von unten" parallel zum großen Katholikentag zu organisieren. Mit dabei waren der Tübinger Theologe Hans Küng (dem wegen seiner Kritik an der päpstlichen Unfehlbarkeit kurz zuvor die Lehrbefugnis entzogen worden war), der Münsteraner Theologieprofessor Johann Baptist Metz (dem wegen seiner linksorientierten politischen Theologie ein Lehrstuhl für ökumenische Theologie in München verweigert worden war) und der Tübinger Pastoraltheologe Norbert Greinacher (der anlässlich der Küng-Affäre das Komitee "Christenrechte in der Kirche" gegründet hatte, um "kirchliche Amtsanmaßungen anzuprangern", wie er sagte).

Seit 2000 keinen "Katholikentag von unten" mehr

In den 90er Jahren änderte sich die Streitkultur der Katholikentage wieder; auch innerkirchlich wurden Mauern abgebaut: 1992 in Karlsruhe diskutierte die streitbare Hanna-Renate Laurien mit Eugen Drewermann, dem gerade amtsenthobenen Priester und Psychotherapeuten. 1994 in Dresden trat Hans Küng erstmals seit Jahrzehnten wieder im offiziellen Programm auf. Auch die Gruppen "Wir sind Kirche" und "Initiative Kirche von unten" (IKvu) beteiligten sich und holten sogar die Initiative "Homosexuelle und Kirche" (HuK) auf die Kirchenmeile. Seit dem Jahr 2000 gab es keinen eigenen "Katholikentag von unten" mehr.


Quelle:
KNA