So idyllisch wie die kleine Kirche im pfälzischen Herxheim am Berg liegen vermutlich nur wenige Gotteshäuser. Von einer Anhöhe aus wandert der Blick über ein grünes Rebenmeer bis in die Rheinebene. Das jährliche Weinfest unter den alten Bäumen im Schlossgarten nebenan wurde 2005 zum schönsten der Pfalz erklärt.
Aber im Turm der 1000 Jahre alten Jakobskirche verbirgt sich ein Überbleibsel aus furchtbaren Zeiten. Eine Glocke mit Hakenkreuz und der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland Adolf Hitler". Alle Viertelstunde gibt der 240 Kilo schwere und mit Tauben- und Falkenkot bekleckste Klangkörper den Ton an.
Glocke hängt seit 82 Jahren
Obwohl die Bronzeglocke seit 82 Jahren in der evangelischen Kirche hängt, ist sie erst seit kurzem Gesprächsstoff. Die Zeitung "Die Rheinpfalz" hatte darüber berichtet. Die pensionierte Musiklehrerin Sigrid Peters, die in Kirchen mitunter die Orgel spielt, hatte nach eigenen Angaben auf das Thema aufmerksam gemacht.
Die 73-Jährige ist empört, dass die Glocke noch immer genutzt wird und nichts auf ihre Geschichte hinweist. "Die Glocke sollte abgestellt werden", fordert sie. Bürgermeister und Pfarrer sehen das anders. Es läuft eine rege Diskussion zum Umgang mit der Glocke, die die Sachverständige Birgit Müller als "Rarität" einstuft. Sie kenne keine andere mit Hakenkreuz.
Die sogenannte Polizeiglocke gehört der Gemeinde. Sie war 1934 zusammen mit zwei Kirchenglocken in das Gotteshaus gekommen, in dem es zuvor gebrannt hatte. Sie sollte bei Feuer- und später bei Fliegeralarm warnen. Als die beiden anderen 1942 eingeschmolzen wurden, blieb die "Notglocke" hängen. 1951 kamen neue Kirchenglocken. Bis heute klingen sie zusammen mit der "Hitler-Glocke" im Turm.
Organistin Peters stört deren unkommentierte Verwendung. "Es ist der Geist, der da wirkt", sagt sie. "Das geht nicht, dass ein Täufling getauft wird, und da läutet eine Glocke mit der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland"". Das wirke, als ob das Kind Kanonenfutter werden solle. Dort heirateten zudem viele Paare aus der Region, "und die wissen es alle nicht". Man dürfe sie nicht an der Nase herumführen.
Bürgermeister möchte nichts ändern
Es sei eine historische Glocke, und man müsse zur Geschichte stehen, sagt Bürgermeister Ronald Becker (Freie Wähler). "So etwas soll nicht mehr passieren", erklärt der Elektroingenieur mit Blick auf die NS-Zeit. An der Glocke ändern wolle man aber nichts. Sie sei in das neue Geläut integriert. "Wenn etwas gut funktioniert, warum soll man es ändern?" Es gehe ja nur um die Inschrift. Und die Schrift abschleifen? "Jede Änderung bringt einen Misston", so der 54-Jährige. Außerdem würde eine neue Glocke laut Expertin 50 000 Euro kosten.
"Ein Ärgernis ist es für alle, dass man auch Glocken so missbraucht hat", sagt Pfarrer Helmut Meinhardt. "Aber aus Kirchengemeindesicht würde ich nicht sagen: Wir dürfen die Glocke nicht benutzen."
Der ehrenamtliche Ortshistoriker Eric Hass ist dafür, die Glocke "als Mahnmal" im Turm zu lassen. "Wir überlegen sogar, eine Gedenktafel zu installieren", sagt er. Auch die Glockensachverständige Müller plädiert dafür, die unter Denkmalschutz stehende Glocke als Mahnmal einzustufen. Sie abzustellen, lehnt sie ab. Auch im Kölner Dom seien viele Steine mit Hakenkreuzen eingebaut. "Würden diese rausgenommen, müsste der Dom nochmal aufgebaut werden."