Adveniat-Expertin sieht Friedensprozess in Kolumbien in Gefahr

"Könnte noch scheitern"

Der Friedensprozess in Kolumbien ist längst angelaufen. Doch ganz reibungslos verläuft dieser nicht. Die Kolumbien-Expertin des kirchlichen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Monika Lauer Perez, hält ein Scheitern nach wie vor für möglich.

"Peace"  - Friedenszeichen für Kolumbien / © Leonardo Munoz (dpa)
"Peace" - Friedenszeichen für Kolumbien / © Leonardo Munoz ( dpa )

KNA: Sie haben sich in einem der 26 sogenannten Übergangslager der FARC vor Ort umgesehen. Diese sollen dazu dienen, den Transformationsprozess einer kämpfenden Guerilla in eine politische Partei und die Eingliederung in die Zivilgesellschaft voranzubringen. Welche Eindrücke haben Sie vor Ort gewonnen?

Lauer Perez: Ich habe die FARC als eine Gruppe wahrgenommen, die entschlossen ist, trotz aller Schwierigkeiten, die es derzeit gibt, den Friedensprozess fortzuführen. Das heißt, künftig eine Politik ohne Waffen zu machen. Sie haben sehr viel in diese Entwicklung investiert. Man muss feststellen, dass die FARC ihre Zusagen einhält. Vorwürfe aus kolumbianischen Medien, in denen über Sonderwünsche der Guerilla in den einzelnen Übergangszonen berichtet wurde, kann ich nicht bestätigen.

KNA: Sie haben das Lager besucht, in dem die FARC in einem symbolischen Akt die Waffen an die Vereinten Nationen abgegeben hat. Nun soll Politik gemacht werden. Ist das realistisch?

Lauer Perez: Die Organisationsstruktur der FARC kann dabei helfen, die Umwandlung von einer kämpfenden Guerilla in eine politische Partei zu unterstützen, denn der Wille zum Frieden ist inzwischen auf allen Ebenen der FARC in den Gesprächen herauszuhören. Zu einem Problem können allerdings die sogenannten FARC-Dissidenten werden. Es dürfen sich nicht zu viele FARC-Mitglieder absetzen. Es gibt in Kolumbien einige Gebiete, in denen es immer noch bewaffnete FARC-Gruppen gibt. Zum Glück hält sich deren Zahl aber in Grenzen. Im Vergleich zu anderen internationalen Konflikten ist sie sogar sehr niedrig.

KNA: Der Friedensvertrag ist unterschrieben, die Waffen sind abgegeben. Wie groß ist die Gefahr, dass dieser Prozess doch noch scheitert?

Lauer Perez: Man kann leider nicht die Augen davor verschließen, dass die Gefahr eines Scheiterns relativ groß ist. Da wird auch der Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle zukommen, sie muss Druck auf die Politik machen, den Weg des Friedensprozesses weiterzugehen. In meinen Augen tut der Staat und die Politik da noch viel zu wenig. Herausheben muss man die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen sowie das Engagement der kolumbianischen Kirche, die den Friedensprozess intensiv unterstützen und lebendig halten.

KNA: Sie sprechen die Rolle des Staates an. Welche konkreten Forderungen haben Sie an die kolumbianische Regierung, damit der Friedensprozess erfolgreich umgesetzt werden kann?

Lauer Perez: Ganz wichtig wäre der Schutz der Menschenrechtler und Aktivisten, die sich für eine Verbesserung der Menschenrechtslage engagieren. Es kommt ja immer wieder zu Morden an Interessenvertretern von Kleinbauern, Indigenen oder Afrokolumbianern. Das ist einfach nicht hinzunehmen. Ebenso wichtig ist der Schutz der Zivilbevölkerung, die sich in einigen Teilen des Landes wieder einmal Angriffen ausgesetzt sieht.

Darüber hinaus gibt es auch noch Gebiete, in denen die ELN aktiv ist und die nochmal ein besonderes Gefährdungspotenzial bedeutet, denn sie könnte eventuell abtrünnige FARC-Kämpfer in ihre Reihen aufnehmen. Und natürlich gibt es auch noch den Neo-Paramilitarismus, der in weiten Teilen des Landes eine echte Gefahr für die Zivilbevölkerung bedeutet. Hier muss der Staat Präsenz zeigen und für die Rechte seiner Bürger einstehen.

Das Interview führte Tobias Käufer.


Quelle:
KNA