Der Vorstoß von Jens Spahn (CDU) und anderen Bundestagsabgeordneten zu einer stärkeren Verpflichtung der Bürger zur Organspende stößt auf unterschiedliche Reaktionen.
Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery begrüßte den Vorschlag am Montag. Die Widerspruchslösung zwinge die Menschen dazu, sich bewusst mit der Frage auseinandersetzen, ob sie spenden wollten. Bislang gebe es viele Bürger, die zwar der Organspende positiv gegenüberständen, sich aber nicht klar äußerten.
Auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, befürwortete den Spahn-Vorschlag. Es sei angemessen und vertretbar, die Bürger angesichts der Möglichkeit, Leben zu retten, zu einer Entscheidung zu bewegen, sagte sie der "Rheinischen Post" (Dienstag). Die Spende bleibe wie bisher freiwillig.
Dagegen wandte sich der katholische Essener Bischof Franz-Josef Overbeck gegen eine Widerspruchslösung. Sie stehe dem Recht auf Selbstbestimmung entgegen, heißt es in einem Thesenpapier, das Overbeck und der Rat für Gesundheit und Medizinethik im Bistum Essen am Montag veröffentlichten. Die Organspende behalte nur dann ihren Spendencharakter, wenn sie mit der freiwilligen Entscheidung verbunden sei. Die Widerspruchslösung könnte zu einem Paradigmenwechsel hin zu einer Organabgabepflicht führen.
Breite Kritik kam aus der FDP. Die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus, kritisierte ein Vorpreschen von Spahn und lehnte die Widerspruchslösung ab. "Das übereilte Handeln Spahns ist unfair und zeigt seine Nervosität, für den eigenen Antrag keine Mehrheit zu erhalten. Der fraktionsübergreifende Gegenentwurf ist die bessere Lösung." Die Widerspruchslösung beschneide das Selbstbestimmungsrecht und hebele den Grundsatz des Zustimmungserfordernisses bei jeder medizinischen Maßnahme aus.
FDP-Chef Christian Lindner sagte dem Sender n-tv: "Schweigen als eine Zustimmung zu werten, halte ich für nicht vereinbar mit dem Bild des selbstbestimmten Individuums, gerade in solchen besonders wichtigen Fragen." Auch FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae bezeichnete den Spahn-Vorschlag als unverhältnismäßig. "Alle Menschen pauschal qua Gesetz zu Organspendern zu erklären, geht aus meiner Sicht deutlich zu weit", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Dienstag).
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf der Gruppe um Spahn und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach vor, sie setze auf "die Brechstange". Denn anders als bislang spiele die Meinung der Angehörigen keine Rolle mehr.
Der Chef des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, äußerste sich im Deutschlandfunk ebenfalls ablehnend: "Die Körper werden nach dem Tod zum Objekt der Sozialpflichtigkeit." Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) mahnte: "Die Organspende ist ein freiwilliges Geschenk und muss es bleiben". Es gebe keine moralische Pflicht zu dieser Solidarität. (KNA, 1.4.19)