DOMRADIO.DE: Wie funktioniert das Projekt ganz praktisch?
Dr. Martin Fanroth, Leiter der Schulabteilung im Bistum Erfurt: "KathReliOnline" hat eine Entwicklungsgeschichte mit zwei Phasen: Eine Online-Phase und eine Präsenz-Phase. In der Online-Phase arbeiten die Schüler an einer Lernplattform Aufgaben ab, die ihnen die Lehrkraft dort hinterlegt hat. Sie stellen praktisch ihre Ergebnisse dort ein. Es gibt dann feste Zeiten, in denen die Schüler an diesen Aufgaben arbeiten, also wenn gleichzeitig zum Beispiel der evangelische Unterricht oder der Ethikunterricht stattfindet. Dann gibt es eine Präsenz-Phase: Das ist der zweite Teil, der genauso wichtig ist. Da begegnen die Schüler der Lehrkraft direkt, das heißt, sie finden sich an einem Ort zusammen oder werden dann, wenn sie weiter entfernt wohnen oder zur Schule gehen, per Live-Schaltung zugeschaltet. Das sind die beiden Hauptelemente. Die Online-Phase hat pro Halbjahr neun Doppelstunden, die Präsenz-Phase sechs - das ist die Größenordnung.
DOMRADIO.DE: Ich habe mich jetzt sofort gefragt: Wie werden denn da die Noten vergeben? Nur anhand von Tests?
Fanroth: Nein, die Noten werden in der Präsenz-Phase vergeben, denn die Noten sind ja nicht einfach nur Tests, sondern im Grunde werden Produkt, Prozess und Präsentation bewertet. Es kann aber auch bewertet werden, was die Schüler im Grunde während der Online-Phase erstellen und entwickeln. Die Frage der Notengebung ist so ungewöhnlich nicht, weil die Präsenz-Phase auch genauso stattfindet wie herkömmlicher Unterricht.
DOMRADIO.DE: Wie sieht das denn in Thüringen aus: Wie viele Schüler aus einem Jahrgang haben denn überhaupt Interesse am Religionsunterricht?
Fanroth: In Thüringen ist der Religionsunterricht ein Pflichtfach. Es gibt Ethikunterricht, evangelische Religion und katholische Religion. Insgesamt sind 7,8 Prozent der Schüler katholisch und 5,8 Prozent besuchen den Religionsunterricht. Wir haben das Problem, dass wir insbesondere in der Diaspora folgende Situation haben: Es gibt dort Klassenstufen übergreifenden, Schulart übergreifenden und Schule übergreifenden Religionsunterricht, der oft am Nachmittag stattfindet. Das sind natürlich sehr erschwerte Bedingungen. Und da merken wir im Laufe der Jahre, dass die Zahlen dort zurückgehen, dass sich die Schüler also abmelden auch weil das mit langen Fahrwegen verbunden ist.
DOMRADIO.DE: Und sie wollen jetzt eben eine Alternative schaffen: "KathReliOnline". Das allerdings verlangt ja doch eine ganze Menge eigenverantwortliches Lernen. Glauben Sie, dass das klappt?
Fanroth: Ich bin optimistisch. Natürlich sprechen wir immer über kleine Zahlen. Aber ich glaube, dass vielleicht das Medium nochmal zieht. Andererseits haben wir auch viele Schüler, die den Unterricht weiter besuchen wollen aber dann auf einmal ganz allein auf weiter Flur stehen. Da sind sie dann allein an ihrer Schule. Oder vielleicht ist an der Nachbarschule noch ein weiterer Schüler. Und dann fällt die Gruppe auseinander. Der Unterricht könnte somit nicht fortgeführt werden. Ich glaube auch, dass dieses Projekt eine Werbewirkung hat. Wenn wir also starten, wird es hoffentlich wachsen und in der Diaspora stärker ausbreiten. Das ist eigentlich mein großer Traum,
DOMRADIO.DE: Das Projekt ist schon 2015 vorgestellt worden. Warum hat es so lange gedauert bis zur Einführung?
Fanroth: So ein Projekt muss natürlich entwickelt werden. Wir haben gemeinsam mit dem Landesinstitut für Lehrerfortbildung gearbeitet. Da musste natürlich ein Konzept entwickelt werden und das hat jetzt etwas gedauert. Es gab auch noch notwendige Überzeugungsarbeit. Aber durch das Gespräch zwischen den Bischöfen und dem Ministerpräsidenten ist der Durchbruch gelungen, damit der Start tatsächlich stattfinden kann. Und so können wir die Schüler in der Diaspora im ländlichen Raum erreichen. Das ist eigentlich unsere Hauptzielgruppe, die sonst wirklich abfallen würde und wo dann kaum noch Unterricht stattfinden würde.
DOMRADIO.DE: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat ja gerade auch nochmal bekräftigt, wie wichtig ihm das Projekt ist. Das Bonifatiuswerk unterstützt das Projekt auch. Was bedeutet Ihnen das Projekt?
Fanroth: Wir stehen alle vor der Frage nach der Zukunft des Religionsunterrichts. Wir könnten die Hände in den Schoß legen und sagen: Na gut, die Zahlen werden weniger und dann macht der Letzte irgendwann das Licht aus. Das ist aber nicht unser Ansatz. Wir denken gemeinsam mit der evangelischen Kirche über konfessionelle Kooperationen für die Klassen eins bis acht nach. Auch da gab es einen Durchbruch im Gespräch zwischen Bischöfen und Ministerpräsident. Und dann haben wir an die Oberstufenschülern gedacht. Die sind ja auch nochmal vereinzelt, das sind ja schon weniger, wie kann man die erreichen? Deshalb wurde das Konzept ausgedehnt auf die Klassenstufen neun und zehn. Wir hoffen jetzt, dass wir im kommenden Jahr erstmal mit den Klassen neun und zehn beginnen können, um dann eventuell aufbauen zu können in Richtung Oberstufe.
DOMRADIO.DE: Hoffen Sie denn auch, dass ihr Projekt über die Grenzen Thüringens hinaus Schule macht?
Fanroth: Das liegt natürlich zunächst in der Verantwortung eines jeden Bistums. Ich denke aber schon, dass das Interesse sehr groß ist. Es gibt natürlich Erfahrungen mit Lernen über Distanzen aus Flächenländern wir Kanada und Australien. Es wäre wirklich erstmalig ein Projekt, das wir hier in Deutschland auf diese Weise starten könnten. Insofern bin ich da sehr zuversichtlich. Es kamen direkt Anfragen aus anderen Bistümern. Insofern denke ich, dass wir da eine Vorreiterrolle haben. Wir sind natürlich auch immer bereit zu lernen. Wir werden da auch noch verschiedene Dinge nachsteuern müssen, aber ich denke, es ist ein Projekt das deutschlandweit schon Aufmerksamkeit erreichen wird.
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.