Der Katholik und Optimist Konrad Adenauer

"Ein Netz, das ihn in dunklen Zeiten auffängt"

Der erste Bundeskanzler Deutschlands wurde auf den Tag vor 145 Jahren geboren. Er war aber nicht nur Politiker, sondern auch Katholik. Dr. Michael Borchard von der Konrad-Adenauer-Sitftung blickt zurück.

Konrad Adenauer auf dem Katholikentag 1956 in Köln / © N.N. (KNA)
Konrad Adenauer auf dem Katholikentag 1956 in Köln / © N.N. ( KNA )

DOMRADIO.DE: Kann man sagen, dass Konrad Adenauer ein überzeugter Katholik war? 

Dr. Michael Borchard (Konrad-Adenauer-Sitftung e.V: Leiter Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/ Archiv für Christlich-Demokratische Politik): Wir wissen relativ wenig über seine eigenen Glaubensvorstellungen. Es gibt nur wenige Quellen, die darüber etwas verraten. Da ist insbesondere das Tagebuch von seinem Sohn Paul, der ja auch Priester war, ganz aussagekräftig. Es zeigt zum Beispiel, dass er täglich gebetet hat, dass das für ihn wichtig war. Aber gleichzeitig hat Paul auch verraten: Man kann nicht so richtig erkennen, was er eigentlich glaubt. Wie stark glaubt er an die Auferstehung?

Er war übrigens ein Katholik, der Liturgie ganz wichtig genommen hat, der den Kirchgang unter allen Umständen auch in der Zeit als Bundeskanzler hochgehalten hat, beispielsweise bei der Reise nach Moskau. Da hat er nach einer katholischen Kirche gesucht und sie besucht. Das war für ihn unglaublich wichtig. Am wöchentlichen Kirchgang hat er auch unter schwierigsten Bedingungen festgehalten.

DOMRADIO.DE: Und neben diesem Sichtbaren wie dem Kirchgang zum Beispiel waren Adenauer ja vor allem auch christliche Werte unheimlich wichtig. Würden Sie sagen, das hatte auch starken Einfluss auf seine Politik?

Borchard: Das hatte einen starken Einfluss auch auf seine Politik, wobei er immer die Sphären gut getrennt hat.

Für ihn war Glauben eine Sache, das hat er auch seinem Pressesprecher mal gesagt, "Kirche eine andere Sache". Politik war für ihn nochmal eine ganze andere Angelegenheit. Er hat immer abgelehnt, dass man eine christlich-katholisch dominierte Politik betreibt. Er hat gesagt, man kann ein Programm für eine Partei schreiben, aber das darf eben nicht das Glaubensbekenntnis sein. Er hat das betont, weil er immer politisch strategisch ausgerichtet war. Aber für ihn war Glaube eben auch eine ganz persönliche Lebenshilfe.

Was vielleicht ganz interessant ist, ist die Zeit des Nationalsozialismus, wo er ja selber in große Schwierigkeiten geraten ist, weil die Nazis ihn 1933 abgesetzt und ihn wirklich an Leib und Leben bedroht haben und er dann im Kloster Maria Laach Unterschlupf gefunden hat. Und da gibt es ganz schöne, wirklich anrührende Sätze. Er hat dann Heiligen Abend 1933 seiner Frau in Maria Laach gesagt: “Mit Gott ist der Verfolgte stärker als ohne Gott selbst der mächtigste Verfolger.” Und an seine Vertraute Dora Pferdmenges hat er geschrieben: “Man muss sich im wahrsten Sinne des Wortes Gott ganz in die Hand geben. Und das erfordert starken Glauben und starkes Vertrauen.” Für ihn war das wirklich, wenn man so will, das Netz, das ihn in dunklen Zeiten auffängt. Aber er hat eben nicht intensiv darüber geredet. In seinen  politischen Reden fehlen Hinweise auf große theologische Auseinandersetzungen. Trotzdem hat ihn das wahnsinnig beschäftigt.

DOMRADIO.DE: Sie haben selbst ein Buch über Konrad Adenauer geschrieben: “Eine unmögliche Freundschaft”, - zwischen dem ersten Bundeskanzler und dem ersten israelischen Ministerpräsidenten. Adenauer war es ein ganz großes Anliegen, Deutschland und Israel auszusöhnen, oder?

Borchard: Ja, und ich glaube, das hat ganz viel nicht nur mit dem pragmatischen Kanzler zu tun, der natürlich nach dem Krieg deutlich gemacht hat: Wir müssen das Eintrittsticket zurück in die freie Welt lösen. Und dafür ist eine Aussöhnung auch mit Israel und mit den Juden außerordentlich wichtig. Sondern das war ihm auch immer ein inneres Bedürfnis. Und ich glaube, das hat, um mal ein bisschen Lokalkolorit in die Sache zu bringen, ganz viel mit seiner Schulbildung zu tun. Das Apostel-Gymnasium, das hat er später selber gesagt, war ein Ort, an dem Juden und Christen ganz zwanglos miteinander zu tun hatten. Und da hat sich für ihn großes Interesse gegenüber dem jüdischen Glauben entwickelt. Er hatte ganz viele jüdische Freunde.

Er ist auch ein bisschen so was wie ein rheinisch-katholischer Zionist gewesen, weil er 1927 einer zionistischen Vereinigung beigetreten ist, dem Pro-Palästina-Kommittee. Für ihn war klar: Also im Grunde brauchen die Juden eine Heimstatt in Israel, nicht um sie, wie das viele Nazis getan haben, auf diese Weise loszuwerden, sondern weil er gesagt hat: Das ist beinahe vorprogrammiert. Darauf besteht ein Anrecht. Ich glaube im Übrigen, dass seine Beziehung zum Judentum total viel mit seinem Katholizismus zu tun hatte, weil er einer dieser Katholiken war, der sich sozusagen nicht über den Karfreitag definiert, also über die Kreuzigung von Jesus, sondern - auch wenn das jetzt eher die nachkonziliäre Liturgie ist -  eher über den Ostersamstag, nämlich über die Verbindung von Christentum und Judentum, die sich in den entsprechenden Lesungen wiederspiegelt und die niemals ausblendet, dass Jesus Jude war. Das war für ihn ganz, ganz klar. Als er nach Israel gefahren ist, war das für ihn auch eine Reise an die Quellen seiner Christlichkeit. Und die hatte immer auch etwas mit dem jüdischen Dasein von Jesus Christus zu tun. Ich glaube, dass das sein Verhalten zum Judentum stark mit beeinflusst hat.

DOMRADIO.DE: Was denken Sie, können wir heute noch von dem Katholiken Adenauer lernen?

Borchard: Man kann heute immer noch lernen, dass er auch ein bisschen den rheinischen Katholizismus repräsentiert hat. Also er war tief fromm, aber nicht frömmelnd, katholisch, aber nicht klerikal konservativ, aber zugleich voll liberaler Offenheit. Prinzipienfest, aber auch ein realistischer Pragmatiker, moralisch und sittenstreng, aber wenn es angebracht schien auch großzügig, streng, aber auch menschlich, also einfach fest im Leben stehend. Und ich glaube, ein Glaube, der sich so manifestiert, ist auch einer, der gut nachvollziehbar ist. Der nicht dogmatisch ist, sondern der in diese säkulare Welt gut reinpasst. Die Säkularität hat ihn immer wahnsinnig beschäftigt. Und er war der Auffassung, dass auch der Nationalsozialismus entstanden ist, weil das Christentum in den Hintergrund gedrängt wurde.

Aber er hat eben auch immer eine kompatible Haltung zu dieser Dynamik gehabt. Und ich glaube vor allem, Adenauer, auch wenn er immer skeptisch seinen Mitmenschen gegenüber war, fast schon bis ins Misanthropische gehend, er war nie ein Fatalist. Er war immer der Auffassung: Fatalismus hilft uns überhaupt nicht weiter. Er war immer ein grundgelegter Optimist. Ich glaube, das ist etwas, das wir auch heute von Adenauer, auch vom Katholiken Adenauer lernen können: Dieses Gottvertrauen und zu wissen, dass es immer irgendwo eine Lösung gibt.


Adenauers Haus und Garten in Rhöndorf / © Roland Breitschuh (Greven)
Adenauers Haus und Garten in Rhöndorf / © Roland Breitschuh ( Greven )

Konrad-Adenauer-Denkmal auf dem Bundeskanzlerplatz in Bonn / © John Kehly (shutterstock)
Konrad-Adenauer-Denkmal auf dem Bundeskanzlerplatz in Bonn / © John Kehly ( shutterstock )
Quelle:
DR