Norwegen beim Schaulaufen. In diesem Jahr präsentiert sich das skandinavische Musterland mit kulturellen Großereignissen in Deutschland: Fokusland beim European Film Market während der Berlinale im Februar, Gastland auf der Messe jazzahead Ende April in Bremen und jetzt auch Ehrengast auf Frankfurter Buchmesse.
Im Rahmen eines norwegischen Kulturjahres wollen die Skandinavier, die seit Jahren Spitzenplätze als glücklichstes Land der Welt inne haben, mit der ganzen Bandbreite ihrer Musik, Kunst, Literatur, Film und Theater in der Bundesrepublik auf sich aufmerksam machen.
Motto "Der Traum in uns"
Unter dem Motto "Der Traum in uns" präsentieren sie sich rund um die weltweit größte Buchmesse in Frankfurt und Umgebung. Mehr als 100 norwegische Autorinnen und Autoren kommen in Begleitung von Literatur-Botschafterin, Kronprinzessin Mette-Marit. Dazu gibt es zahlreiche Ausstellungen: Das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt zeigt norwegische (Holz-)Architektur. Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt präsentiert Design und Handwerk Norwegens, und die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf zeigt "Edvard Munch, gesehen von Karl Ove Knausgard".
Norwegen ist ein Leseland, und das liegt nicht nur an den langen Winternächten. Der Staat betreibt aktive Literaturförderung.
Schriftsteller verdienen nicht an jedem Exemplar, sondern die Einnahmen der Verlage fließen in einen Fonds, der an alle Autoren ausgeschüttet wird. Auf Bücher entfällt keine Mehrwertsteuer. Das Lesen wird gezielt gefördert: 88 Prozent der Bevölkerung lesen mindestens ein Buch pro Jahr, in Deutschland liegt der Anteil bei unter 50 Prozent. 100 Verlage bringen jährlich an die 5.000 neue Titel auf den Markt.
Mit Norwegens Literatur verbinden sich klingende Namen
Mit nur 5,3 Millionen Menschen, die Norwegisch sprechen, ist es besonders wichtig, dass die Buchbranche aktiv ist - und auch für den internationalen Markt interessant bleibt. Die Agentur Norwegian Literature Abroad (Norla) kümmert sich um die internationale Vermarktung, zum Beispiel durch die Förderung von Übersetzungen.
Mit Norwegens Literatur verbinden sich klingende Namen: Henrik Ibsen, Sigrid Undset oder Knut Hamsun. 1950 erschien "Kon-Tiki" von Thor Heyerdahl. Das Buch wurde in fast 70 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft. Heyerdahl beschreibt darin, wie er 1947 mit einem Floß den Pazifik überquerte.
Doch das ist lange her. Mittlerweile ist wieder ein goldenes Zeitalter ausgebrochen: "Seit mehr als zwei Jahrzehnten zeichnet sich das wiedererwachte Interesse an der nordischen Literatur ab", beschreibt das Organisationskomitee für den Buchmessenauftritt eine Wellenbewegung. Auslöser des aktuellen Norwegen-Hochs war Jostein Gaarders 1991 erschienener Welterfolg "Sofies Welt" - ein eigentlich für Jugendliche gedachter Roman über die Geschichte der Philosophie, der auch Millionen Erwachsener begeisterte.
Lesevolk Norwegen
Deutsch ist inzwischen die Sprache, in die norwegische Literatur am häufigsten übersetzt wird, noch vor Englisch. Der absolute Besteller im Jahr 2017 war das Buch "Die Geschichte der Bienen" von Maja Lunde, die auch mit "Die Geschichte des Wassers" (2018) und dem im Oktober erscheinenden Roman "Die Letzten ihrer Art" den Umgang der Menschen mit der Natur thematisiert.
Als einer der hellsten Sterne an Norwegens Literaturhimmel gilt Karl Ove Knausgard, der mit seinem sechs Bände umfassenden, autobiografisch angelegten Romanzyklus Min Kamp (wörtlich: Mein Kampf) Furore machte. Autor Jo Nesbö hat vor allem mit seinen düsteren Krimis weltweit mehr als 30 Millionen Leser gefunden - Verbrechen und Mord sind neben Öl und Gas ein wichtiger Exportartikel dieses so friedlich scheinenden Landes.
Kulturministerin Trine Skei Grande unterstreicht dann auch, dass die Norweger das Volk seien, das weltweit am meisten liest. Kein Land habe, bezogen auf die Einwohnerzahl, so viele professionelle Schriftsteller. Für die Ministerin verbindet sich mit dem Ehrengast-Status auf der Buchmesse auch eine politische Absicht. Die norwegische Literatur sehe darin die große Chance, in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Polarisierung eine "gesamteuropäische Arena" für liberale Werte wie Meinungsfreiheit, Toleranz und Pluralität herzustellen.