Schlebuscher Gemeinde hat ihr Glockengeläut erweitert

Neue Heimat in St. Andreas

Mit zehn Glocken hängt seit einigen Monaten eines der umfangreichsten und interessantesten Geläute des Erzbistums Köln in der Kirche St. Andreas in Leverkusen-Schlebusch. Drei davon wurden aus einem profanierten Gotteshaus übernommen.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Blick in die Glockenstube nach der Ergänzung / © Jan Hendrik Stens (DR)
Blick in die Glockenstube nach der Ergänzung / © Jan Hendrik Stens ( DR )
Türme von St. Andreas in Leverkusen-Schlebusch / © Sebastian Schritt (privat)
Türme von St. Andreas in Leverkusen-Schlebusch / © Sebastian Schritt ( privat )

Wer durch die Fußgängerzone des Leverkusener Stadtteils Schlebusch läuft, kann sie gar nicht übersehen. In der Häuserreihe etwas zurückspringend mit einem kleinen Platz davor erhebt sich die St. Andreas-Kirche in Form einer mächtigen neuromanischen Basilika mit zwei stattlichen Türmen. In diesem Jahr konnte das Gotteshaus, welches auf eine vormalige Kapelle zurückgeht, die zur Pfarrkirche in Schlebuschrath gehört hatte, sein 130-jähriges Weihejubiläum feiern.

Schließung von St. Thomas Morus schmerzlicher Verlust

In diesem Jubiläumsjahr gab es für St. Andreas eine nach außen hin nicht sichtbare, aber sehr wohl hörbare Bereicherung. Denn seit dem Frühjahr hängen in den Türmen zum vorhandenen Geläut drei weitere Glocken, die aus der profanierten St. Thomas Morus-Kirche stammen. Das moderne Gotteshaus konnte schon seit 2016 wegen schwerer Schäden an der Dachkonstruktion nicht mehr betreten werden und wurde im Februar dieses Jahres durch den Kölner Erzbischof entwidmet. Die Pfarrei St. Thomas Morus war schon ein gutes Jahr zuvor aufgelöst und der Muttergemeinde St. Andreas zugeordnet worden.

"Die Schließung dieser Kirche war für die älteren Gemeindemitglieder, von denen viele noch den Aufbau miterlebt haben, ein schmerzlicher Verlust", berichtet Christian Kaltenbach, Küster von St. Andreas. Somit sei der Gedanke entstanden, etwas von der Kirche dauerhaft für die Menschen im Seelsorgebereich zu erhalten. Für die Einrichtungs- und Kunstgegenstände musste eine neue Verwendung gefunden werden, so auch für die drei Glocken, die beim Bau von St. Thomas Morus bereits auf das Geläut von St. Andreas abgestimmt worden waren. "So lag es nahe, diese Glocken in das Geläut von St. Andreas aufzunehmen, nachdem geklärt war, dass sowohl der Platz vorhanden als auch die Statik des Turmes diesem Vorhaben nicht entgegen sprach", erklärt Pfarrer Hendrik Hülz die Genese des Glockenumzugs.

Schon einmal zogen Glocken nach St. Andreas um

Obersatz der Annaglocke von 1491 / © Jan Hendrik Stens (DR)
Obersatz der Annaglocke von 1491 / © Jan Hendrik Stens ( DR )

St. Andreas besaß auch vor der Überführung der Thomas Morus-Glocken ein stattliches Geläut von insgesamt sieben Instrumenten, von denen allerdings in der Regel maximal vier Glocken gemeinsam erklangen. Grund dafür ist die sehr heterogene Zusammensetzung, die sich aus der wechselvollen Geschichte des Geläuts ergibt, die schon vor gut 200 Jahren eine Parallele zu heute aufwies. Nachdem die alte Pfarrkirche in Schlebuschrath aufgegeben worden war und die Vorgängerkapelle der heutigen Andreaskirche ihre Nachfolge angetreten hatte, wurde auch die Ausstattung von Schlebuschrath nach Schlebusch überführt. Dazu zählten auch die drei heute noch erhaltenen Glocken Anna, Maria und Andreas aus den Jahren 1490, 1491 und 1607, die somit eine neue Heimat fanden.

Inschrift und Pilgerzeichen auf der Marienglocke von 1490 / © Jan Hendrik Stens (DR)
Inschrift und Pilgerzeichen auf der Marienglocke von 1490 / © Jan Hendrik Stens ( DR )

Der historische Glockenbestand von St. Andreas ist ein beeindruckendes Zeugnis der Kölner Werkstatt von Overath, welche ab dem späteren 15. Jahrhundert den Glockenguss im Kölner Raum für mehr als hundert Jahre bestimmte. Vom Werkstattgründer Heinrich I. stammen die beiden großen Glocken von 1490 und 1491, die dieser in seiner letzten Schaffensphase gemeinsam mit seinem Zunftkollegen Herman von Neuss gegossen hat. Beide Glocken sind reich mit Palmettenfriesen und Pilgerzeichen geschmückt. Die kleine Andreasglocke wurde 1607 von Christian von Unkel gegossen, der die Kölner Overath-Werkstatt übernommen und fortgeführt hatte. Er ist der letzte Vertreter dieser Werkstatt, dessen Glocken noch ganz im Stil der Renaissance gestaltet sind.

Stahlglocken aus der Experimentierphase

Wie in vielen anderen Kirchen auch, so waren die Glocken von St. Andreas in den beiden Weltkriegen von der Vernichtung bedroht. Hier war es Wilhelm Kaltenbach, der Großvater von Christian Kaltenbach und ebenso wie er Küster von St. Andreas, der in der Gemeinde das Bewusstsein für den kulturhistorischen Wert dieser Glocken schärfte und sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Rückführung der Glocken aus einem Hamburger Glockenlager engagierte. "Er konnte die Verantwortlichen auch überzeugen, sie kurze Zeit später wieder in Benutzung zu nehmen", erinnert sich Enkel Christian.

In der Zwischenzeit hatte St. Andreas jedoch vier neue Glocken erhalten. Diese wurden 1948 vom Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation geliefert und waren wegen des günstigeren Preises um ein Vielfaches größer als die bisherigen Bronzeglocken. Nach scharfer Kritik aus den Fachkreisen an der klanglichen Qualität seiner Stahlglocken begann für den Bochumer Verein in den Nachkriegsjahren eine Experimentierphase, aus der Instrumente mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften hervorgegangen sind. Die Schlebuscher Stahlglocken dokumentieren diese Phase ganz eindrücklich. Während die drei kleinen Glocken in der damals üblichen Versuchskonstruktion V 12 gegossen worden sind, wählte man für die große Regina Pacis-Glocke eine erheblich leichtere, weshalb diese Glocke zwar die größte, aber nicht die schwerste Glocke des Stahlgeläuts war.

Neue Bronzeglocken besser auf den Altbestand abgestimmt

Die beiden Glocken Christus und Paulus von 1976 / © Jan Hendrik Stens (DR)
Die beiden Glocken Christus und Paulus von 1976 / © Jan Hendrik Stens ( DR )

Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts besann sich die Gemeinde jedoch wieder verstärkt auf ihre wertvollen historische Bronzeglocken, die aus klanglichen Gründen nie zusammen mit den Stahlglocken erklungen waren. Auch hier war wieder Küster Wilhelm Kaltenbach die treibende Kraft. So wurden die beiden mittleren Stahlglocken, die im südlichen der beiden Türme untergebracht waren, abgehängt und durch zwei neue Bronzeglocken ersetzt, die 1976 von der Firma Mabilon in Saarburg gegossen worden waren und auf die beiden alten Glocken von 1490 und 1491 abgestimmt sind. Aus diesen vier Glocken bestand fortan das Festtagsplenum, während die große Regina Pacis und die kleine Gezelinusglocke im nördlichen Turm verblieben und fortan nur noch solistisch erklangen.

Solistisch erklang all die Jahre auch die kleine Andreasglocke von 1607, da sie klanglich zu weit von den vier Hauptglocken entfernt war. "Die Glocken aus St. Thomas Morus schließen nun diese Lücke und ermöglichen die Anbindung dieser kleinen Glocke an das Gesamtgeläut", erklärt Christian Kaltenbach die Ergänzung des Geläuts aus musikalischer Perspektive. "Darüber hinaus ist nun eine Vielzahl von Glockenkombinationen zu den unterschiedlichen liturgischen Anlässen klanglich möglich geworden."

Glocken-Katechese mit Kindern im Kirchenschiff

Die drei Glocken aus St. Thomas Morus im Kirchenschiff von St. Andreas / © Jan Hendrik Stens (DR)
Die drei Glocken aus St. Thomas Morus im Kirchenschiff von St. Andreas / © Jan Hendrik Stens ( DR )

Der Ausbau der drei Glocken aus St. Thomas Morus sei problemlos verlaufen, berichtet Pfarrer Hendrik Hülz. Die Instrumente aus den Jahren 1960 und 1962 mit den Namen Thomas Morus, Barbara und Engel des Herrn hätten bereits aufgrund einer vorangegangenen Turmsanierung auf einer Ebene gestanden. So habe man sie nur noch vom Turm herunterholen und nach St. Andreas bringen müssen. Hülz weiter: "Dort waren sie einige Wochen in der Kirche ausgestellt und dienten zur Anschauung, aber auch für die Katechese mit Kindergartengruppen, Schulkinder und natürlich im Gottesdienst." Danach wurden die drei Glocken mit einer Seilwinde über die Orgelempore in den südlichen Turm gebracht, wo sie nun bei den anderen fünf bronzenen Schwestern zusammen mit der Andreasglocke auf einer Ebene zwischen den beiden großen von 1976 und den beiden Glocken des 15. Jahrhunderts hängen.

Die drei Glocken aus St. Thomas Morus zusammen mit der Andreasglocke am neue Ort / © Jan Hendrik Stens (DR)
Die drei Glocken aus St. Thomas Morus zusammen mit der Andreasglocke am neue Ort / © Jan Hendrik Stens ( DR )

Nicht weniger als insgesamt zehn Glocken hängen nun in den beiden Kirchtürmen. Damit besitzt St. Andreas das nach dem Dom und der Basilika St. Kunibert in Köln drittumfangreichste Geläut des gesamten Erzbistums. Pfarrer Hülz ist froh, für die Glocken eine gute neue Nutzung gefunden zu haben. Und als der Geistliche zum ersten Mal das erweiterte Geläut seiner Pfarrkirche hören konnte, war er ganz begeistert vom vollen Klang. "Natürlich war es vom Hören erst etwas fremd, weil es eben neu und ungewohnt war. Ich finde es großartig!" Auch Küster Kaltenbach ist ein wenig stolz. "Immerhin darf ich als Küster dieses schöne Geläut ja regelmäßig zum Klingen bringen." Besonders froh ist er darüber, dass die Verantwortlichen bereit waren, dem Vorschlag zu folgen und die Thomas-Morus-Glocken in die Pfarrkirche St. Andreas zu holen. Die hierfür erforderlichen Gelder wurden von der Pfarrgemeinde wie auch vom Erzbistum bereitgestellt.

Positive Reaktionen von Mitgliedern der ehemaligen Pfarrei

Eine neue Läuteordnung soll in Zukunft dafür sorgen, dass das zehnstimmige Geläut in all seinen Facetten und mit all seinen klanglichen Möglichkeiten im Laufe des Kirchenjahres zu hören sein wird. Auch die bislang fast ausschließlich solistisch erklungenen beiden Stahlglocken werden in einige Teilkombinationen einbezogen werden. Das volle, zehnstimmige Gesamtgeläut ist hingegen den höchsten und feierlichsten Anlässen vorbehalten.

Erste Reaktionen auf die Erweiterung des Geläuts von St. Andreas konnte Christian Kaltenbach bereits entgegennehmen. "Mir wurde zugetragen, dass sich die Menschen aus dem ehemaligen Pfarrgebiet St. Thomas Morus sehr gefreut haben, dass sie jetzt wieder 'ihre Glocken' hören können." Die Idee habe also guten Anklang gefunden. Auch Pfarrer Hülz hat von Mitgliedern der ehemaligen Pfarrei St. Thomas Morus positive Reaktionen erhalten. "Nun können sie ihren vertrauten Glockenklang hören und 'ein Stück Thomas Morus' lebt in St. Andreas weiter."

Quelle:
DR
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