Er halte den Text nicht für einen Bruch mit der bisherigen Haltung der Kirche, sagte Schneider der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag). Manche Formulierung habe möglicherweise diesen Eindruck erwecken können, so der Ratsvorsitzende. "Aber es geht uns gerade um ein Festhalten an der Ehe und ein Ausweiten ihrer entscheidenden Werte auf andere Formen von Familie."
In dem Papier plädiert die EKD für einen "erweiterten Familienbegriff", in dem die Ehe nicht mehr notwendigerweise Voraussetzung für Elternschaft ist. Dies müsse auch "in der Kirche wahrgenommen und in das kirchliche Handeln einbezogen werden". So solle die Kirche auch homosexuellen Paaren den Segen "nicht verweigern". Kritik an dem Dokument kam von der katholischen Kirche und vom Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, aber auch aus protestantischen Kreisen.
Meisner: Beliebigkeit und Relativierung
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner erklärte, er habe das Dokument "nicht ohne Erschütterung" zur Kenntnis genommen. Es rede "der Beliebigkeit und Relativierung von Ehe und Familie das Wort". Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Familienkommission der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Die deutschen Bischöfe seien sehr besorgt, wie in einem offiziellen EKD-Text "eine Relativierung der lebenslang in Treue gelebten Ehe erfolgt". Der evangelische Landesbischof Otfried July kritisierte, der institutionelle Aspekt der Ehe werde "fast lautlos aufgegeben oder pauschal zurückgewiesen".
Den Wunsch nach mehr innerkirchlichen Beratungen, wie ihn July geäußert hatte, wies Schneider zurück. "Es wäre sehr unpraktisch, wenn die Arbeitsergebnisse einer EKD-Kommission vor ihrer Veröffentlichung von allen Landeskirchen freigegeben werden müssten." Zugleich räumte der Ratsvorsitzende den Bischöfen gegenüber Defizite in der Kommunikation ein: "Sie hätten früher informiert werden sollen." Zur Zusammensetzung der Autoren, die das Papier erarbeitet hatten, sagte Schneider der Zeitung: "Die Kritik hat bei mir den Gedanken angestoßen, künftige Kommissionen um eine oder einen fachkundigen Bibelwissenschaftler zu ergänzen."
Das 160 Seiten zählende Dokument trägt den Titel "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken". Erarbeitet wurde es von einer aus 14 Fachleuten bestehenden Kommission unter Leitung der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) sowie der Soziologin Ute Gerhard.