Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper sieht in Papst Franziskus einen Hoffnungsträger für Europa. Statt Abgrenzung und Stacheldrahtzäunen brauche der Kontinent jetzt wieder eine Vision und eine Stimme, betonte Kasper am Freitagabend in Aachen. Papst Franziskus könne eine solche Stimme sein, "vielleicht die einzige".
Obwohl der Papst Auszeichnungen und Preisen eher abneigend gegenüberstehe, habe er den Karlspreis angenommen. Kasper deutete das als ein Zeichen dafür, dass sich Papst Franziskus für Europa verantwortlich fühle. Für die Preisverleihung am 6. Mai in Rom werden demnach Worte der Ermutigung und Ermahnung vom Papst erwartet.
Papst ist kein Außenseiter im europäischen Einigungsprozess
Dass er als Lateinamerikaner mit dem europäischen Einigungsprozess wenig zu tun habe, sei indes entgegen der geäußerten Kritik ein Vorteil, so Kasper: "Von außen, von der Peripherie her, sieht man die Dinge oft klarer und besser." Europa habe lange von der globalisierten Wirtschaft profitiert.
Dagegen habe Jorge Mario Bergoglio in der Megametropole Buenos Aires die negativen Auswirkungen der Globalisierung wie Armut und Elend jahrelang miterlebt. Seine Erfahrungen aus Südamerika seien hilfreich für den Umgang mit der Flüchtlingskrise in Europa, die wiederum die andere Seite der Globalisierung deutlich mache: "Sie zeigt uns, dass die Konflikte und Kriege, die Armut und das Elend anderer Erdteile auf uns durchschlagen", so der Kardinal. In der Situation halte der Papst Europa nun einen Spiegel vor und zeige, dass es sich "nicht zu einer Burg mit aufgezogenen Zugbrücken zurückentwickeln" könne.
Kasper äußerte sich im Krönungssaal des Aachener Rathauses. Der Vortrag des früheren "Ökumeneministers des Papstes" war Teil des Rahmenprogramms zur Verleihung des Karlspreises mit rund 40 weiteren Veranstaltungen.