Gemeinsam mit Bootsflüchtlingen und Einheimischen hat Papst Franziskus auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa eine Messe gefeiert. Dabei forderte er mehr Solidarität mit den Menschen, die von Afrika über das Mittelmeer nach Europa kommen. Franziskus beklagte eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit". Diese mache alle zu "anonymen Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht".
Nach seiner Ankunft am Morgen hatte Franziskus bei einer Bootsfahrt vor der Küste einen Blumenkranz ins Wasser geworfen zum Gedenken an die Menschen, die bei der gefährlichen Überfahrt von Libyen oder Tunesien aus ums Leben kamen.
Vor der Messe mit rund 10.000 Flüchtlingen und Inselbewohnern im Hafen von Lampedusa traf der Papst mit Flüchtlingen zusammen, die in der vergangenen Woche auf Lampedusa gelandet waren. Derzeit halten sich noch 114 von ihnen im Aufnahmelager auf dem Eiland zwischen Sizilien und Tunesien auf. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind bei der Überquerung des Meeres Richtung Europa Schätzungen zufolge mindestens 20.000 Menschen ertrunken oder verdurstet.
Papst Franziskus mahnte "brüderliche Solidarität" mit den Flüchtlingen aus Afrika und Asien an. Niemand fühle sich verantwortlich für die alltäglichen "Dramen" während deren Überfahrt von Afrika nach Europa und das "Blut der Brüder und Schwestern", die hierbei ums Leben kämen, sagte Franziskus während der Messe.
Kritik an EU-Flüchtlingspolitik
Zugleich kritisierte Franziskus indirekt die EU-Flüchtlingspolitik sowie die politischen Führungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Er bat Gott um Vergebung für die "Grausamkeit in der Welt, in uns und auch in jenen, die in der Anonymität Entscheidungen sozialer und wirtschaftlicher Natur treffen, die den Weg für Dramen wie dieses ebnen".
Franziskus beklagte eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit". Diese mache alle zu "anonymen Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht". Unter dem Deckmantel der Anonymität versuche jeder, die Verantwortung von sich zu weisen. Ein Christ dürfe sich aber nicht aus der Verantwortung stehlen. Gott rufe jeden von ihnen beim Namen und verlange Rechenschaft von ihm.
Den Bewohnern von Lampedusa sowie den freiwilligen Helfern und Sicherheitskräften dankte der Papst. Ihr Einsatz für die Flüchtlinge sei ein "Vorbild der Solidarität". Die heutige Gesellschaft habe das Weinen verlernt, so Franziskus weiter. Niemand beweine die toten Bootsflüchtlinge, die Mütter, die mit ihren Kindern auf den Barken über das Mittelmeer setzten.
In der heutigen "Kultur des Wohlbefindens" sei der "Sinn für brüderliche Solidarität" abhandengekommen. Der Papst wörtlich: "Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es ist nicht unsere Sache." Die Menschen lebten wie in einer "Seifenblase" und seien unempfindlich für den "Schrei der anderen". Der Papst feierte die Messe als Bußgottesdienst. Er wolle Gott um Vergebung für die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Flüchtlinge bitten. Gegen 13 Uhr flog Franziskus zurück nach Rom. Es war seine erste Pastoralreise außerhalb Roms.
Positive Reaktionen
Politiker der Grünen und der Linken sowie Vertreter von Wohlfahrts- und Flüchtlingsorganisationen in Deutschland würdigten die Lampedusa-Reise des Papstes als wichtiges Zeichen. Der flüchtlingspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Josef Winkler, sagte, die Lampedusa-Reise des Papstes sei ein "starkes Signal" gegen europäische Abschottungspolitik. Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, forderte eine "humanere und liberalere Flüchtlingspolitik".
Caritas-Präsident Peter Neher sagte, die Reise des Papstes sei ein "starkes Signal", die Augen vor der Not von Migranten und Flüchtlingen nicht zu verschließen. Der Chef des Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Deutschland, Frido Pflüger, forderte in der "Berliner Zeitung" (Montagsausgabe), reiche Länder müssten mehr Flüchtlinge aufnehmen und sicherstellen, dass sie in Würde leben können. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, dankte Franziskus für dessen "zutiefst demütige als auch politische Geste".