Theologe Hoping schlägt Lösung gegen Priestermangel vor

"Verheiratete Diakone zu Priestern weihen"

An diesem Mittwoch war bei der Bischofsvollversammlung in Bensberg Studientag. Das Thema: die sinkende Zahl von Priestern in Deutschland. Der Freiburger Theologe Helmut Hoping hat dazu einen eigenen Lösungsvorschlag.

Da ist die Kirchenwelt in Ordnung: Priesterweihe im Vatikan / © Cristian Gennari (KNA)
Da ist die Kirchenwelt in Ordnung: Priesterweihe im Vatikan / © Cristian Gennari ( KNA )

domradio.de: Sie veröffentlichten unlängst zusammen mit dem Mainzer Pastoraltheologen Philipp Müller in der Herder Korrespondenz ein Plädoyer für die Weihe von verheirateten Diakonen zu Priestern. War Ihr Text zeitlich bewusst vor die Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe gelegt?

Prof. Dr. Helmut Hoping (Theologe/Freiburg): Nicht bewusst. Aber wir haben einen Vorschlag, den Kardinal Lehmann in letzter Zeit gemacht hat, aufgegriffen. Er fragte mehrfach – zuletzt in Freiburg –, was eigentlich dagegen sprechen würde, aus dem Kreis der verheirateten Diakone einige zu Priestern zu weihen. Dass es gelungen ist, noch in die März-Ausgabe der Herder Korrespondenz zu kommen, führte dann dazu, dass der Text vor der Vollversammlung der Bischöfe vorliegt.

domradio.de: Sie selbst bezeichnen ihren Vorschlag als strukturkonservativ. Was ist genau das Konservative an Ihrem Vorschlag?

Hoping: Wir haben ja nicht einen Vorschlag gemacht zur Abschaffung der Zölibatsverpflichtung, also zur Abschaffung der Verbindung von Priesteramt und Zölibat, sondern wir haben die Frage gestellt, ob es nicht möglich ist, im Sinne einer ergänzenden Regelung unter bestimmten Bedingungen aus dem Kreis der verheirateten Diakone einige zu Priestern zu weihen. Es ist ja so, dass wir in der katholischen Kirche, wenn man sich die unterschiedlichen Ritenfamilien anschaut, heute schon einen gemischten Klerus aus verheirateten und unverheirateten Diakonen haben, aber auch aus Priestern. Wenn ich mir etwa die mit Rom verbundenen Ostkirchen anschaue: Das sind Kirchen, die Teil der katholischen Kirche sind; und dort gibt es verheiratete Priester. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht für die katholische Kirche möglich ist, dem Priestermangel, der dramatisch ist, dadurch etwas entgegen zu wirken, indem man über verheiratete Priester nachdenkt. Was wir also nicht wollen, ist – wie das etwa vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken gefordert wird –, dass die Verbindung von Priesteramt und Zölibat insgesamt in Frage gestellt wird.

domradio.de: ZdK-Präsident Thomas Sternberg und auch einige Vertreter aus der CDU wünschen sich ja "viri probati", also in der Ehe bewährte Männer, die nicht über die Schiene des ständigen Diakonats zu Priestern geweiht werden. Was ist für Sie daran so wichtig, dass die Kandidaten aus dem Kreis der ständigen Diakone kommen?

Hoping: Nach geltendem Recht ist es ja so, dass keiner in der katholischen Kirche zum Priester geweiht werden kann, der nicht vorher zum Diakon geweiht worden ist. Man müsste also, wenn man diesen Vorschlag von Politikern der CDU oder auch vom Zentralkomitee aufgreifen wollte, die Diakonatsweihe als Voraussetzung der Priesterweihe erst einmal abschaffen. Dafür sehe ich gar keinen Konsens. Wir haben ja auch darauf hingewiesen, dass es zunehmend Pastoralreferenten gibt, die sich zu Diakonen weihen lassen. Und wir haben ja nicht gesagt, dass nicht aus dem Kreis der Pastoralreferenten auch verheiratete Männer zu Priestern geweiht werden können. Aber da ist es eben notwendig, dass sie vorher zu Diakonen geweiht werden. Eine Diakonatszeit von nur einigen Wochen macht ja gar keinen Sinn, sondern dann stellt sich die Frage, ob man nicht doch einige Zeit im ständigen Diakonat seelsorglich tätig sein sollte, bevor dann die Frage einer möglichen Priesterweihe steht. Wir haben einen Ordo in drei Stufen oder Ausprägungen und bislang ist es so, dass die Voraussetzung für die Priesterweihe – und das würde auch für verheiratete Männer gelten – die Diakonenweihe ist.

domradio.de: Glauben Sie, dass dieses Amt des ständigen Diakons durch Ihren Vorschlag eine Aufwertung erfahren kann, wenn es für bestimmte Leute wieder zum Durchlaufstadium wird?

Hoping: Es wird ja nicht zum Durchlaufstadium, weil nur bestimmte Kandidaten aus dem Kreis der ständigen Diakone überhaupt in Frage kommen. Denn wir haben ganz klar gesagt, dass es hier nicht nur um einen "vir probatus", sondern auch um einen "vir theologicus" gehen muss. Also die Kandidaten, die in Frage kommen, müssen die gleichen Anforderungen erfüllen, wie sie für zölibatär lebenden Priester gefordert sind. Das heißt also entsprechende menschliche Reife, geistliche Reife, dann aber auch die entsprechende theologische Kompetenz und die pastorale Kompetenz. Die theologische Kompetenz ist unseres Erachtens nicht etwa durch einen Würzburger Fernkurs gegeben. Es müsste also schon eine dem theologischen Vollstudium vergleichbare theologische Ausbildung vorliegen.

domradio.de: Also kommt nicht jeder der etwas mehr als 3.000 ständigen Diakone in Deutschland dafür in Frage?

Hoping: Richtig! Wir haben ja eine ganz große Anzahl von ständigen Diakonen. Das ist übrigens die Gruppe, die am stärksten wächst, weil das Interesse nach einem Theologiestudium in einem kirchlichen Beruf zu arbeiten, dramatisch abnimmt. Und das betrifft nicht nur die Priesterkandidaten, sondern das betrifft auch jene, die Interesse am Beruf des Pastoralreferenten haben. Aber die Gruppe der ständigen Diakone wächst. Ich habe jetzt keine zuverlässigen statistischen Zahlen, aber nach meiner Erfahrung sind es doch einige hundert unter den ständigen Diakonen, die die Voraussetzungen, wie wir sie formulieren, erfüllen würden.

domradio.de: Drehen wir den Spieß mal um: Trotz weniger Gottesdiensten sind die Kirchen nicht voller. Und mancherorts – wie zum Beispiel hier in Köln – sieht man nicht selten mehrere Priester hinter dem Altar stehen. Haben wir nicht vielmehr einen Gläubigenmangel, an den sich die Zahl der Priester angepasst hat?

Hoping: Natürlich haben wir einen dramatischen Gläubigenmangel. Aber was wir in den großen seelsorglichen Räumen haben, ist die Erfahrung, dass wir teilweise zu wenig priesterliche Bezugspersonen haben. Ich halte nichts davon, dass man durch pastoralpragmatische Kompensationsstrategien jetzt das Problem löst, dass man immer weiter genuin priesterliche Aufgaben an Nicht-Priester delegiert. Priester können letztendlich in ihren spezifischen Aufgaben nur durch Priester ersetzt werden. Natürlich haben wir bei Konzelebrationen teilweise den Eindruck, wir haben genügend Priester. Aber das betrifft bestimmte Teile – etwa in Städten vor allem –, aber wenn Sie sich das mal in größeren seelsorglichen Räumen wie etwa auf dem Land anschauen bei Seelsorgeeinheiten mit bis zu zehn Pfarreien, dann wäre es für die Seelsorge sehr vorteilhaft, wir würden über mehr Priester – eventuell auch nebenberuflich – verfügen.

domradio.de: Sie selbst sind sowohl ständiger Diakon als auch Theologieprofessor. Bewerben Sie sich mit Ihrem Vorschlag gleichzeitig für das Priesteramt, das über den ständigen Diakonat läuft?

Hoping: Nein, der Artikel ist überhaupt nicht pro domo (in eigener Sache) formuliert. Ich bin im Dezember letzten Jahres 60 Jahre alt geworden. Ich weiß auch, dass wir einen Diskussionsprozess über verheiratete Priester brauchen. Und ich hoffe auch, dass jetzt die Gespräche in der Deutschen Bischofskonferenz etwas intensiver werden. Es gibt ja gewisse Anzeichen dafür, dass die Bischöfe auch die dramatische Lage erkennen. Aber ich glaube nicht, dass das angesichts meines Alters für mich noch in Frage kommt.

domradio.de: Kardinal Marx sagte in seinem Eröffnungsstatement, man wolle sich vor allem mit dem Verhältnis von Priestern und Laien beschäftigen, um Priester zu entlasten. Weihbischof Geerlings aus Münster hingegen wünscht sich ein ideologiefreies Gespräch auch über verheiratete Priester. Glauben Sie, dass das Anliegen von Professor Müller und Ihnen bei der Frühjahrsvollversammlung zur Sprache gebracht wird?

Hoping: Ich weiß nicht, ob man direkt ausgehend von diesem Vorschlag diskutieren wird. Aber der Vorschlag, den wir gemacht haben, der ist ja nicht ganz neu. Kardinal Lehmann, Joseph Ratzinger, Walter Kasper und andere haben ja diesen Vorschlag schon mal gemacht. Und es ist interessant, dass in letzter Zeit verstärkt – auch von Kardinal Lehmann – verheiratete Diakone ins Spiel gebracht wurden. Mich hat die Pressekonferenz von Kardinal Marx zur Eröffnung der Vollversammlung nicht überzeugt, denn wir versuchen schon seit längerem in den Diözesen, das Verhältnis von Priestern und Laien neu zu bestimmen, um Priester zu entlasten.

Das sind aber, wenn ich das so deutlich sagen darf, doch teilweise Kompensationsstrategien. Da, glaube ich, ist der Vorschlag von Weihbischof Geerlings doch tief führender, doch jetzt wirklich ideologiefrei darüber zu diskutieren. Denn was mich schon ein bisschen wundert – da spreche ich jetzt aber für mich und nicht für den Kollegen Müller mit – ist, dass sich die Bischöfe etwa in der katholischen Ehelehre sehr flexibel zeigen, auch in ihrer Antwort auf das Schreiben "Amoris laetitia"; und in der Ehelehre ist göttliches Recht betroffen. Aber in einer Frage, die nicht göttliches Recht betrifft, nämlich die Verbindung von Zölibat und Priesteramt, agieren die Bischöfe doch sehr zögerlich. Uns geht es auch gar nicht darum, die Abschaffung des Zölibats zu fordern. Das ist ja auch eine Forderung, die im Raum steht, also die Lebensform völlig frei zu stellen - sowohl vor als auch nach der Weihe. Sondern wir machen einen Vorschlag, der sich innerhalb des katholischen Amtsverständnisses bewegt und der darauf hinweist, dass wir jetzt schon einen gemischten Klerus mit verheirateten Priestern und Diakonen in der katholischen Kirche haben.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

 

Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg
Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg
Quelle:
DR
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