Staatliche Untersuchung gefordert

Missbrauch in Irland

Nach der Veröffentlichung neuer Untersuchungsberichte über Missbrauchsfälle in sechs irischen Diözesen haben Politiker, Opfer und Menschenrechtler staatliche Ermittlungen gefordert. Einige verantwortliche Bischöfe werden in dem neuen Bericht schwer kritisiert. Im nordirischen Derry seien pädophile Priester oft nur versetzt worden, so dass sie auch in ihren neuen Gemeinden Kinder missbrauchen konnten.

 (DR)

Familienministerin Frances Fitzgerald sagte nach Angaben der Zeitung "Irish Examiner" (Donnerstag), die Berichte des kirchlichen Kinderschutzkomitees stellten "keine nationale Beurteilung der momentanen Kinderschutzeinrichtungen in der katholischen Kirche dar".



Weitere Ermittlungen gefordert

Der Sprecher für Kinderpolitik der Oppositionspartei Fianna Fail, Charlie McConalogue, erklärte, die Ergebnisse machten weitere Ermittlungen über die Rolle kirchlicher sowie staatlicher Institutionen nötig. Der Geschäftsführer von Amnesty International in Irland, Colm O"Gorman, sagte der Zeitung zufolge, er habe trotz Anzeichen einer Verbesserung des Kinderschutzes in der katholischen Kirche immer noch Bedenken. "Wir müssen uns bewusst sein, dass diese Berichte nur mit der Zustimmung der betroffenen Bischöfe veröffentlicht wurden", so O"Gorman.



Nach Einschätzung der Opfergruppe "One in Four" zeigten die Untersuchungsberichte "große Fortschritte" in der Zusammenarbeit zwischen Kirche und staatlichen Behörden. Viele Betroffene seien dennoch enttäuscht, dass der Umgang der Kirchenleitung mit den Missbrauchsfällen nicht besser beleuchtet worden sei. Ein Opfer bezeichnete die Untersuchungen gegenüber dem "Irish Examiner" als "Witz"; sie vernachlässigten jene Opfer, die keine offizielle Beschwerde eingelegt hatten. Es brauche eine staatliche Untersuchung.



Der Bischof von Dromore, John McAreavey, warnte laut Medienberichten davor, die Misshandlung von Kindern in anderen Gesellschaftsbereichen wegen der "exzessiven" Konzentration auf sexuellen Missbrauch in der Kirche zu vergessen. Kindesmissbrauch komme in allen Gesellschaftsschichten vor, so McAreavey. Sein persönlicher Einsatz bei der Aufklärung der Vorfälle in seiner Diözese war in den Untersuchungsberichten ausdrücklich gelobt worden.



164 Beschwerden gegen 85 Priester

Insgesamt sind in der am Mittwoch veröffentlichten Dokumentation des kirchlichen Kinderschutzkomitees "National Board for Safeguarding Children in the Catholic Church" (NBSCCC)  über den Zeitraum von 1975 bis 2010 in den sechs Diözesen 164 Beschwerden gegen 85 Priester registriert. Die Dokumentation verzeichnet alle gemeldeten Vorfälle sowie die Maßnahmen der Kirchenleitung.



Einige verantwortliche Bischöfe werden von dem Komitee schwer kritisiert. Im nordirischen Derry seien pädophile Priester oft nur versetzt worden, so dass sie auch in ihren neuen Gemeinden Kinder missbrauchen konnten. Viele Fälle seien nur ungenügend dokumentiert und erst verspätet angezeigt worden. Weiter bemängelt das Gremium ein Fehlen konsistenter Richtlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen.



"Niemand wird das entsetzliche Übel wiedergutmachen können"

Derrys Bischof Seamus Hegarty (71) war vergangene Woche aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten. Der Diözesanverwalter Eamon Martin, der erst vor wenigen Tagen eingesetzt worden war, entschuldigte sich in einer Pressemitteilung bei den Opfern. "Heute wird erneut ein schmerzhafter Tag für Euch. Ganz egal wie positiv die momentanen Anstrengungen der Kirche beschreibt, niemand wird das entsetzliche Übel wiedergutmachen können, dass euch angetan wurde."



Den drei Bischöfen, die die Diözese Raphoe während des Untersuchungszeitraums leiteten, wirft der Bericht "Fehlentscheidungen" vor. Zu ihnen gehört auch Hegarty. In keinem der dokumentierten Fälle habe es Beurteilungen darüber gegeben, welche Gefährdung die betreffenden Priester darstellten. Die Kirchenleitung habe Opfer und Beschuldigte ungleich behandelt. So hätten die Geistlichen und ihre Angehörigen eine persönliche Begleitung erfahren, während die Opfer unzureichend unterstützt worden seien.



Besonders im Fokus: das Bistum Raphoe

Raphoes amtierender Bischof Philip Boyce habe sich persönlich gegen die Laisierung eines Priesters eingesetzt, um dessen Familie zu schonen, so der Bericht. Die Zahl der Missbrauchsfälle in dem Bistum sei mit 52 besonders hoch.



Das Komitee benannte jedoch auch Fortschritte. So würden Verdachtsfälle inzwischen umgehend den Behörden gemeldet. Die Kirche habe wichtige Schritte zur Umsetzung von Kinderschutzmaßnahmen unternommen. Ausdrücklich gelobt werden die Diözesen Ardagh und Kilmore. In den kommenden Monaten will das Gremium auch die übrigen irischen Diözesen untersuchen.



Boyce entschuldigte sich unterdessen über die Presse bei den Opfern. In den vergangenen Jahrzehnten seien "sehr schlechte Entscheidungen getroffen und Fehler gemacht" worden. "Wir entschuldigen uns demütig bei den Opfern und bitten um Vergebung für den furchtbaren Schmerz, der ihn und ihren Familien zugefügt wurde."



Rückblick: Staatlicher Cloyne-Bericht erhob schwere Vorwürfe gegen den Vatikan

Im Juli war ein staatlicher Untersuchungsbericht über Kindesmissbrauch in der südirischen Diözese Cloyne veröffentlicht worden, der schwere Vorwürfe gegen den Vatikan und den damaligen Bischof John Magee enthielt. Der Report sorgte für harte Kritik der Regierung an der Kirchenleitung und für eine diplomatische Verstimmung mit dem Vatikan.



Der Vorsitzende des kirchlichen Komitees, John Morgan, sagte bei einer Pressekonferenz, Ziel der Untersuchungen sei es, Eltern, Kinder, Laien und Priester vom effektiven Umsetzung der kirchlichen Kinderschutzrichtlinien zu überzeugen. Zudem solle gezeigt werden, dass die Kommission Mängel herausstreiche und Maßnahmen zur Besserung einleite.