Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil zur Arbeitszeiterfassung die Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer zu dokumentieren. Die Entscheidung des EuGH ist im Rahmen seiner institutionellen Verfassung richtig und nachvollziehbar. Das Gericht als Institution wägte in einem Streit zwischen den Akteuren Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab. Das Urteil fällte das Gericht auf Grundlage der beiden Größen Arbeitszeit und Arbeitsort. Jetzt wurde zugunsten einer genaueren Erfassung von Arbeitszeit entschieden und es wird über die Frage, wie zeitgemäß eine solche Entscheidung ist, diskutiert. Diese Diskussion offenbart die Krise der Institution im Allgemeinen.
Institution neu denken
Die Institution ist ein System von Regeln, das den Menschen beim Zusammenleben helfen soll. Der Begriff ist weit gefasst und beinhaltet je nach Art der Institution auch die Kontrolle der Einhaltung des Regelsystems. Klassisch gedacht geht die Institution von festen Größen aus. Das Gericht als Institution, das wie hier in dem Streit zwischen Arbeitnehmervertretern und einem Arbeitgeber nach einer Lösung gesucht hat, setzt für die Arbeit einen Arbeitsort und eine Arbeitszeit voraus.
Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer zum Arbeiten irgendwo ist, irgendwann mit dem Arbeiten beginnt und diese Arbeit auch irgendwann wieder beendet. Diese Auffassung von Institution ist heutzutage aber nicht mehr auf alle Arten von Arbeit anwendbar.
Arbeitszeit und Arbeitsort
Es gibt zwar auch immer noch Arbeiten, die sich über Arbeitsort und Arbeitszeit abbilden lassen. Hierfür ist eine exakte Dokumentation gut. Sie ermöglicht Transparenz für den Arbeitgeber und Sicherheit für den Arbeitnehmer. Die Institution des Gerichts als wegweisendes Sicherungsorgan für ein gutes menschliches Miteinander funktioniert.
Allerdings ist die Institution als Einrichtung, die das menschliche Miteinander in einem ihr zugetragenen Handlungsbereich regeln soll, längst nicht mehr in allen Arbeitsverhältnissen abbildbar. Arbeit ist nicht mehr überall durch die klassischen Größen von Arbeitsort und Arbeitszeit definierbar. Der Institution fehlt eine Größe, um sich auch für andere Arbeitsverhältnisse als relevante Einrichtung mit Kompetenzen zu behaupten.
Eine Stechuhr gegen Flexibilität
Natürlich kann die klassische Stechuhr am Werkseingang nicht die einheitliche Lösung sein. Es gibt bessere Techniken, die auch die Forderung des Gerichts erfüllen. Der Einsatz einer App ermöglicht eine ortsunabhängige Zeiterfassung, wie z.B. für das Arbeiten von zu Hause. Ein dienstliches Smart-Phone kann dabei helfen, eine klarere Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Aber auch eine solche Grenzziehung, die eine Institution einfordert, ist heute unzureichend.
Die Institution als feste und statische Einrichtung, die im Rahmen ihrer Gesetzmäßigkeiten das menschliche Miteinander absichern soll, kommt also an ihre Grenzen. Das, was im kirchlichen Bereich als Zeichen der Zeit, als signa temporum bezeichnet wird, ist die ständige Anfrage an die Institution, sich weiterzuentwickeln. Die Diskussion zum Urteil der Zeiterfassung zeigt an, dass im Hinblick auf die Institution ein Anfragepunkt erreicht ist, der außerhalb der klassischen Größen von Ort und Zeit liegen, die wiederum die Grundlage der Institution sind.
Mobilität ist Teil der Realität
Zu den Punkten Ort und Zeit ist ein weiteres Element getreten: Die Mobilität. Das, was die Institution gewährleisten sollte, nämlich im Rahmen von Arbeitszeit und Arbeitsort die Mobilität der Arbeitnehmer unter den kontinuierlichen Veränderungen zu sichern, fehlt jetzt in der Institution selbst. Das aktuelle Urteil erfüllt die Aufgabe der Institution des Gerichts, bleibt aber für viele Bereiche fern der Realität. Die Institution braucht eine Weiterentwicklung, wenn sie als Einrichtung zur Sicherung des Miteinanders weiter befähigt sein soll.
Eine Institution, die Ort, Zeit und Mobilität umfasst, ist nicht ausschließlich mit dem Abgleich von Gesetz und Realität beschäftigt, sondern schafft die Möglichkeit für Menschen in ihrer Realität zu sein.
Der Autor ist Volontär bei DOMRADIO.DE.