Einen dieser Romane hat fast jeder in der Schule gelesen: "1984" von George Orwell oder "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley.
Beide sind auf ihre eigene Art erschreckend. Bei Orwell werden die Menschen von einer anonym-totalitären Herrschaft bestimmt, in Huxleys Szenario haben sie sich in einer kontrollierten Wohlfühl-Stimmung eingerichtet, in der Kunst und individuelle Freiheit abgeschafft wurden. Der literarische Bestseller von 1932 gilt heute manchem als prophetisch.
Gute Ausbildung mitsamt Studium in Oxford
Sein Autor wurde vor 125 Jahren, am 26. Juli 1894, im südenglischen Godalming geboren. Schon Vater Huxley war Schriftsteller, mehrere Familienmitglieder waren erfolgreiche Wissenschaftler. So war eine gute Ausbildung für den jungen Aldous vorgezeichnet - bis zum Studium in Oxford. Sein erstes Buch veröffentlichte er mit 22 Jahren.
In der Folgezeit betätigte er sich als Lehrer, Journalist und Kunstkritiker; Orwell zählte gegen Ende des Ersten Weltkriegs zu seinen Schülern. Das Schreiben betrachtete Huxley indes als seine Haupttätigkeit. Ihn beschäftigte stets die Frage, was den Menschen im Kern ausmacht.
Warnung vor einer "technologischen Diktatur"
Wenn die Gesellschaft von Großkapitalisten bestimmt würde, seien diese "Feinde der Freiheit", so seine Überzeugung. Ein Gedanke, der aktueller kaum sein könnte: "Die Zunahme von populistischen, antidemokratischen, gewaltbereiten und totalitären Bewegungen gemeinsam mit steigender digitaler Kontrolle, Überwachung und Steuerung scheinen immer alltäglicher zu werden", schreiben die Autoren Uwe Rasch und Gerhard Wagner in ihrer Huxley-Biografie, die im Mai erschienen ist.
Die Warnung vor einer "technologischen Diktatur" bleibe bedeutungsvoll, so die Biografen weiter. Denn in "Schöne neue Welt" steht eine subtile Form von Untergrabung der Freiheit im Mittelpunkt: Schon Föten und Embryos werden medizinisch behandelt, Kinder manipuliert, um jeden Einzelnen auf eine Kaste zu prägen.
Die Erwachsenen werden mit Konsum, Sex und der Droge Soma bei Laune gehalten, die kritische Denkansätze unterdrückt. Der Titel des Romans ist bei Shakespeare entlehnt, durch dessen Werk wiederum die Hauptfigur John Savage ins Nachdenken gerät.
Vielfältiger Einfluss auch auf andere Künstler
Auch religionsnahe Themen spielen in dem Roman eine Rolle, insbesondere die Frage, wie religiöser Kult entsteht und funktioniert. Fünf Jahre nach seinem erfolgreichen Roman, der von den Nazis verboten wurde, zog der Autor nach Kalifornien. Dort wandte er sich unter dem Einfluss buddhistischer Lehren der Mystik zu. In seiner theoretischen Schrift "The Perennial Philosophy" legte er 1946 seinen eigenen philosophischen Standpunkt dar.
Vielfältig wie Huxleys Interessen war auch sein Einfluss auf andere Künstler. Sein Essay "The Doors of Perception" (1954) - zu deutsch "Die Pforten der Wahrnehmung" - behandelt etwa die Wirkung des psychedelischen Wirkstoffs Meskalin, den Huxley bei einem Experiment selbst ausprobierte. Der Titel spielt auf ein Gedicht William Blakes an, dessen entsprechender Vers lautet: "Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene dem Menschen alles, wie es ist: unendlich." Die amerikanische Rockband The Doors, Rauschmitteln ebenfalls nicht abgeneigt, benannte sich 1965 ihrerseits nach Huxleys Klassiker.
Den großen Fragen nicht aus dem Weg gehen
Psychedelischen Stoffen wurde immer wieder eine mystische Komponente zugesprochen. Der Londoner Autor Jules Evans konstatierte im Frühjahr eine "psychedelische Renaissance". Zu Zeiten der Heiligen Teresa von Avila (1515-1582) seien mystische Erfahrungen von der Wissenschaft noch weitgehend abgetan worden; heute würden sie im Labor erforscht, so Evans' weiter Bogen.
Bereits als Jugendlicher litt Huxley an einer schweren Augenkrankheit, die ihn zeitlebens begleiten sollte. 1960 erhielt er eine Krebsdiagnose und starb drei Jahre später an der Krankheit - am 22. November 1963. Dieses Datum verbinden viele Menschen mit dem Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy; am selben Tag starb auch C.S. Lewis, Autor der "Chroniken von Narnia". Die Berichterstattung über Kennedy stellte die Schriftsteller damals in den Schatten - was nichts daran ändert, dass Huxley bis heute dazu einlädt, den großen Fragen nicht aus dem Weg zu gehen.