Kritik am weißen Gewand von Benedikt XVI.

Ein falsches Zeichen

Fast vier Jahre ist Papst Franziskus nun im Amt. Ab und an sind der Papst und sein Vorgänger Benedikt XVI. zusammen bei Zeremonien zu sehen. Beide tragen Weiß. Vatikan-Experten sehen das kritisch und fordern neue Regelungen.

Autor/in:
Melanie Trimborn
Zwei Päpste (KNA)
Zwei Päpste / ( KNA )

Gut drei Wochen war es her, dass Benedikt XVI. sich aus Rom verabschiedet hatte, da stieg sein Nachfolger Papst Franziskus in den Hubschrauber und besuchte seinen Amtsvorgänger in Castel Gandolfo. Es war das erste Aufeinandertreffen der beiden. Die Bilder, wie sie sich auf dem Flugplatz begrüßen und umarmen, gingen um die Welt. Auf einmal standen zwei Päpste in ihren weißen Gewändern nebeneinander. Der eine etwas gebrechlicher, der andere größer und aufrechter im Gang. Benedikt mit einer weißen Jacke über seinem Gewand.

Dieses Bild hatte es so noch nie gegeben. Doch zwei Päpste im Papstgewand – das blieb nicht ohne Kritik. Gleiche Optik, gleiches Amt? Das dürfe nicht sein, kritisierte der deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf schon öfters. Er plädiert für eine eindeutigere Unterscheidung zwischen Papst und Papst emeritus. "Nach katholischem Amtsverständnis gibt es nur einen Papst", sagte Wolf aktuell im Gespräch mit der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" und erneuerte sein Anliegen. Nur dieser eine habe das Recht, "mit 'Heiliger Vater' angeredet zu werden und die weißen Gewänder zu tragen".

Gewöhnungsbedürftig für Gläubige

Auch der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger steht dem Gewand kritisch gegenüber. "Ich würde mich wohler fühlen, wenn die weiße Kleidung nur vom regierenden Papst getragen würde." Der Eschweiler Theologe gilt als einer der renommiertesten Vatikankenner.

So bekommt er auch tagtäglich die Stimmungen der Katholiken mit. Für viele Gläubige sei es noch gewöhnungsbedürftig, bei Zeremonien im Vatikan zwei Männer im päpstlichen Weiß nebeneinander zu sehen, erklärt der Autor gegenüber domradio.de. "Auf nicht wenige wirken diese Bilder verstörend. Sie sind ihnen auch nur schwer in einer angemessenen Deutung zu vermitteln", erklärt er. Verstärkt würde dieses Gefühl durch die nicht geringe Zahl von Fotografien, die Besucher des ehemaligen Papstes der Presse zur Verfügung stellen oder im Internet öffentlich machten. "Bilder sagen mehr als Worte", sagt Nersinger. Noch deutlicher wird da Kirchenhistoriker Wolf: "Auf der Ebene der symbolischen Kommunikation ist es eine Katastrophe."

"Neuland" für die katholische Kirche

Als Benedikt als erster Papst seit dem Mittelalter freiwillig im Februar 2013 zurückgetreten ist, wurde in gewisser Weise "Neuland" betreten. Das erklärt der 59-jährige Nersinger, der sich zum Kreis derer zählen kann, die Franziskus bereits persönlich begegnet sind. Während im Normalfall die Päpste durch Tod aus dem Amt scheiden, so war bei diesem Fall alles etwas anders. Plötzlich stand der Vatikan vor der Frage, wie er kirchenrechtlich und praktisch einen solchen Schritt handhaben könnte.

Wie nennt sich ein zurücktretender Papst und was soll er dann tragen? Hubert Wolf erklärt im Interview, dass es zwei historische Beispiele gebe: "Da haben die Zurückgetretenen den Kardinalspurpur wieder angenommen und ihren Papstnamen abgegeben." Was Benedikt XVI. dazu bewege, sich anders zu verhalten, wisse er nicht, sagte der Wissenschaftler. Klug beraten sei Benedikt aber nicht.

Versäumnisse in der Zeit ohne Papst

Aber hauptsächlich wurde in der Zeit ohne Papst verpasst, zu klären, was in einem so außergewöhnlichen Fall passieren könnte. "Das wurde während der Sedisvakanz nicht oder nur unzureichend diskutiert", erklärt Nersinger. "Vielleicht schien dies auch nicht so gravierend, da man davon ausging, dass sich der ehemalige Papst in eine vollkommene Abgeschiedenheit begeben würde." Benedikt XVI. selbst hatte bei seinem Rücktritt deutlich gemacht, dass er der Kirche künftig mit einem zurückgezogenen Leben im Gebet helfen wolle. Doch von der Öffentlichkeit abgeschirmt lebt Benedikt XVI. nicht. Immer wieder tritt er in Erscheinung, empfängt Besuch, Bilder gelangen an die Öffentlichkeit. Darin sieht Nersinger hauptsächlich das Problem.

Bei der Kleiderfrage hat aber auch der neue Papst Franziskus keine Anstalten gemacht, diese zu klären. Vor allem, da er selber bei der Gewandwahl auf Wappen oder Schulterkragen und andere Kleidungsteile, die die Vorgänger häufiger trugen, verzichtet. Für ihn scheint also diese Thema nicht so wichtig. "Nach seinem Amtsantritt sah er keinen Grund, in die Kleiderpraxis seines Vorgängers regulierend oder verbietend einzugreifen", sagt der Vatikan-Experte Nersinger. Als es öffentlich zu Nachfragen um die Rolle von Benedikt kam, machte Franziskus im Sommer 2016 eine klare Ansage: Benedikt XVI. sei kein zweiter Papst, sondern ein emeritierter – und damit gebe es auch kein geteiltes Papstamt. Damit war auch das Thema erst einmal wieder vom Tisch.

Forderungen nach einer rechtlichen Regelung

Nach vier Jahren Franziskus fordert Hubert Wolf nun erneut, sich Gedanken über eine klare rechtliche Regelung zur Amtsenthebung bei Päpsten zu machen: "Angesichts der modernen Medizin kann es einen Punkt geben, wo ein Papst seinen Rücktritt nicht mal mehr erklären kann. Die Voraussetzung, einen gültigen Rechtsakt in der Kirche zu setzen, ist die Fähigkeit zum Vernunftgebrauch in Freiheit." Deshalb brauche es "natürlich" eine Regelung zur Amtsenthebung.

Das bestätigt auch Nersinger. Der Verzicht auf das päpstliche Weiß mindere nicht im Geringsten die herausragenden Verdienste und das hohe Ansehen des zurückgetretenen Papstes. "Der Respekt vor ihm - seine Würde - hängt nicht von der Farbe des Gewandes, dem Titel oder der Anrede ab", sagt er.


Hubert Wolf, deutscher Historiker, in der Diözesanbibliothek Münster.  / © Andreas Kühlken (KNA)
Hubert Wolf, deutscher Historiker, in der Diözesanbibliothek Münster. / © Andreas Kühlken ( KNA )

Ulrich Nersinger / © privat
Ulrich Nersinger / © privat
Quelle:
DR