Für einen Geistlichen in Leitungsposition ist Davide Pagliarani mit 47 Jahren fast noch jung. Man wird von ihm Großes erwarten, wo er jetzt an der Spitze der traditionalistischen Piusbrüder steht. Die Frage ist nur, ob er sich als Brückenbauer nach Rom oder als Verteidiger der Festung profilieren will. Vorerst sieht es nach Letzterem aus.
Frischer Wind gewünscht
Das Generalkapitel der von Rom getrennten Priesterbruderschaft St. Pius X. wählte Pagliarani am Mittwoch mit Zweidrittelmehrheit im schweizerischen Econe zum Generaloberen. Für die nächsten zwölf Jahre soll er die Gemeinschaft von weltweit 650 Priestern und rund 150.000 Gläubigen leiten. Sein Vorgänger, der 60 Jahre alte Bischof Bernard Fellay, hätte wohl ein weiteres Mandat erhalten können; dass die Mehrheit der 41 Mitglieder Wähler anders entschied, lässt annehmen, dass nach fast einem Vierteljahrhundert unter Fellay frischer Wind gewünscht ist.
Pagliarani wurde am 25. Oktober 1970 in Rimini geboren, jener Adria-Stadt, die jeden Sommer das "Meeting" beherbergt, eine Art italienischen Katholikentag - jung, konservativ, aber weltoffen. In Pagliaranis Jugend zählten zu den Gästen der Theologe Hans Urs von Balthasar, der Widerstandskämpfer Paolo Emilio Taviani, der spätere UNO-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali und Mutter Teresa. Es war nicht seine Welt.
Gerade volljährig, trat Pagliarani ins Priesterseminar der Piusbrüder im französischen Flavigny-sur-Ozerain ein. Priesterweihe 1996 in Econe, sieben Jahre Seelsorge in Rimini, dann Singapur, 2006 die Ernennung zum Distriktoberen für Italien. Eine Karriere. 2012 wurde Pagliarani Leiter des Priesterseminars im argentinischen La Reja.
Dort wurde er Nachfolger von Alfonso de Galarreta, einem der mächtigsten Männer der Piusbruderschaft in Südamerika. Dieser ist womöglich eine Schlüsselfigur für die jetzige Wahl.
Risse heilen
De Galarreta gehört zu jenen vier Bischöfen der Bruderschaft, deren Exkommunikation Benedikt XVI. 2009 im Bemühen um eine Aussöhnung aufhob. Dies sollte den Riss heilen helfen, der 1969 mit der Gründung der Gemeinschaft durch den traditionalistischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) und 1988 durch die unerlaubten Bischofsweihen entstanden war. Aber de Galarreta gilt als besonders widerborstigster unter den verlorenen Söhnen Roms.
Seit Ende 2009 gab es im Vatikan mit Fellay mehrere Gesprächsrunden über strittige Lehrfragen. Im September 2011 legte der Vatikan den Piusbrüdern eine verbindliche "Lehrmäßige Erklärung" vor, in der es um die Überwindung der theologischen Differenzen geht. Papst Franziskus vollzog weitere Gesten, etwa die Anerkennung des Bußsakraments und der Trauungen von Geistlichen der Bruderschaft. Den Piusbrüdern steht eine eigene Struktur innerhalb der katholischen Kirche in Aussicht, sollten sie sich zur Rückkehr entschließen. De Galarreta scheint nicht wild darauf.
Umso bedeutsamer vielleicht, dass de Galarreta zu einem von zwei "Assistenten" des neuen Generaloberen gewählt wurde. Beobachter vermuten, der 61-jährige Spanier habe Pagliarani als Kandidaten unterstützt. In das Bild, dass die Bruderschaft sich ein internationales und zugleich homogenes Leitungsteam geben wollte, passt auch die Wahl des zweiten Assistenten, des französischen Distriktoberen Christian Bouchacourt (59).
Bouchacourt gilt ebenfalls als Konservativer unter den Traditionalisten, auch wenn er im Mai 2017 die römische Anerkennung von Eheschließungen gegen Kritik in eigenen Reihen verteidigte. Von 2003 bis 2014 war der Straßburger Bouchacourt Distriktoberer in Lateinamerika; in dieser Zeit soll er verschiedentlich mit dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires gesprochen haben, Jorge Mario Bergoglio, dem heutigen Papst Franziskus.
Annäherung an Rom weiter offen
Von Pagliarani gibt es ein Interview von 2011, in dem er klarstellt, die Einigung mit Rom hänge nicht von den Piusbrüdern ab, sondern davon, ob Rom den Wert der Tradition für die Erneuerung der Kirche anerkenne. Das Bewusstsein dafür, hoffe er, wachse in dem Maß, in dem sich der "Prozess der Selbstzerstörung der Kirche" beschleunige.
Es hätte auch jemand Generaloberer werden können, der einer Annäherung offener gegenübersteht; der Vatikan-Experte des "Figaro", Jean-Marie Guenois, nennt den Benelux-Distriktoberen Patrick Duverger. Jetzt aber waren die am Zug, die sich als "resistants" bezeichnen: Widerstandskämpfer gegen die Macht in Rom.