Zur Verteidigung der Einheit der Kirche "sehe ich mich gezwungen, die von meinen Vorgängern gewährte Möglichkeit zu widerrufen", schreibt Franziskus im Begleitbrief zu einem neuen Erlass, den der Vatikan am Freitag veröffentlichte. In dem Motu Proprio "Traditionis custodes" (Hüter der Tradition) schränkt das Kirchenoberhaupt Möglichkeiten, Messen im bisherigen "außerordentlichen Ritus" zu feiern, stark ein.
Künftig entscheidet allein ein Diözesanbischof oder Ordensoberer, in welcher Kirche an welchen Tagen welcher Priester im alten Ritus die Eucharistie feiern darf. Lesungen müssen in der Landessprache, nicht in Latein, vorgetragen werden. Reguläre Pfarrkirchen sind ausgeschlossen; auch dürfen für solche Feiern keine Personalgemeinden mehr gegründet werden. Alle bisherigen Regelungen, die dem neuen Erlass widersprechen, sind ab sofort aufgehoben.
Rücksicht Benedikts XVI. "wurde ausgenutzt"
"Der verzerrte Gebrauch" der bisherigen Möglichkeiten, so Franziskus an die Bischöfe, stehe in Widerspruch zu jenen Absichten, mit denen Benedikt XVI. der Verwendung des vorkonziliaren Messbuchs von 1962 mehr Freiheiten einräumte. Sein Vorgänger habe mit dem Erlass "Summorum Pontificum" von 2007 die Einheit der Kirche stärken wollen, indem er auf liturgische Bedürfnisse mehr Rücksicht nahm.
Diese angebotene Erleichterung, so der Papst, "wurde ausgenutzt, um Gräben zu vergrößern, Divergenzen zu verstärken und Unstimmigkeiten zu fördern", die die Kirche der Gefahr der Spaltung aussetzten. Daher sei ab sofort der ordentliche, von Paul VI. und Johannes Paul II. approbierte Messritus die "einzige Ausdrucksweise" des Römischen Ritus.
Vor dem Problem von Spaltungen entlang liturgischer Präferenzen stand auch schon der internationale Malteserorden. Daher untersagte der frühere Großmeister Fra Giacomo Dalla Torre 2019, Messfeiern bei offiziellen Anlässen im alten Ritus zu feiern.
Dass Papst Franziskus den Erlass seines Vorgängers modifizieren würde, war vermutet worden; kaum aber, dass es eine regelrechte Kehrtwende würde - wenn auch kein gänzliches Aus. Franziskus, der in Sachen Liturgie bislang einen eher leidenschaftslosen Eindruck machte, zeigt im Begleitbrief ungewöhnlich viel Emotion.
Entscheidung nach Umfrage durch die Glaubenskongregation
Zwar gebe es in alle Richtungen Missbräuche in der Liturgie. "Aber ich bin dennoch traurig, dass der instrumentalisierte Gebrauch des Missale Romanum von 1962 oft durch eine Ablehnung nicht nur der Liturgiereform, sondern des Zweiten Vatikanischen Konzils selbst gekennzeichnet ist."
Für seine Entscheidung beruft sich der Papst auf eine in den vergangenen beiden Jahren durchgeführte Umfrage der Glaubenskongregation. Die wollte von Bischöfen wissen, welche Erfahrungen sie mit dem außerordentlichen Ritus gemacht haben. Was genau die Bischöfe antworteten, hat die Kongregation bislang nicht verraten; nicht einmal die Tatsache der Befragung wurde offiziell kommuniziert. Laut Franziskus zeigt sie aber die erwähnten Missstände.
Autoren traditionalistischer Foren meinten vor Monaten, die Befragung habe ergeben, wie beliebt der alte Ritus oft auch bei jungen Katholiken sei. Ein solcher Trend lässt sich hier und da feststellen. In einigen Ländern ist die alte Liturgie auch bei einer Reihe angehender Priester beliebt.
Johannes Paul II. hatte bei seinen ersten Erlassen 1984 und 1988 zur Feier nach altem Ritus eine mögliche Einigung mit der schismatischen Priesterbruderschaft Pius X. im Blick. Auch Benedikt XVI. hoffte mit "Summorum Pontificum", eine Brücke zu den abtrünnigen Anhängern von Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) schlagen zu können - obschon sein Anliegen darüber hinausging.
Franziskus sieht Ablehung des Zweiten Vatikanischen Konzils
Davon ist bei Franziskus keine Rede. Ihm geht es allein um die Tendenz, dass sich rund um die "Alte Messe" traditionalistische Kreise und Geistliche scharen, die das Konzil (1962-1965) mit seinen Errungenschaften ablehnen und sich mitunter als einzig wahre Kirche begreifen.
Das Anliegen Benedikts XVI., mit zwei Formen des einen lateinischen Ritus konservative und progressive Strömungen in der katholischen Kirche zu versöhnen, sieht er als gescheitert an. Auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller bezeichnete im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die damalige Entscheidung Benedikts als "unklug".
Ob Franziskus' Kehrtwende die Lage beruhigt, steht dahin. In seinem Brief beschwört er die Bischöfe, es sei an ihnen, mit ihren Entscheidungen vor Ort für Einheit zu sorgen. Anhänger des alten Ritus indes empören sich an diesem "Black Friday" im Internet bereits über die Aufkündigung eines "liturgischen Friedens".