Es gibt wenige Geistliche in der katholischen Hierarchie Lateinamerikas, die Kompetenz, Demut und Geradlinigkeit so verbinden wie der künftige Kardinal Gregorio Rosa Chavez. Nach der Ermordung seines großen Vorbilds, Erzbischof Oscar Arnulfo Romero, im mittelamerikanischen Bürgerkrieg im Jahr 1980 ist Rosa Chavez gewissermaßen der Sachwalter des geistlichen und kirchenpolitischen Erbes von Romero geworden. Nach seiner Ernennung zum Weihbischof 1982 hat er die bleibende Botschaft des Ermordeten in Lateinamerika, in Rom und weltweit in unzähligen Vorträgen, Schriften und Interviews wachgehalten.
Die Ermordung am Altar, eine rein politische Tat
Dass Romero 2015 seliggesprochen wurde, ist nicht zuletzt eine Konsequenz dieses hartnäckigen Bemühens von Rosa Chavez. Der asketisch wirkende und stets konzentriert und klar sprechende Geistliche aus dem Provinzstädtchen Sociedad im Osten El Salvadors hat mit den immer gleichen Argumenten für die Seligsprechung des Märtyrerbischofs geworben. Letztlich ist es ihm gelungen, in Rom die Bedenken zu zerstreuen, dass es sich bei der Ermordung am Altar um eine rein politische Tat gehandelt habe, die nichts mit dem Glauben zu tun hätte. Nun tritt Rosa Chavez mit derselben Hartnäckigkeit für eine Heiligsprechung der großen Kirchengestalt Mittelamerikas ein.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sein Bemühen im Pontifikat von Papst Franziskus abermals von Erfolg gekrönt sein wird.
Er weiß, wie schwierig die Situation auch nach dem Krieg ist
Doch man würde Rosa Chavez Unrecht tun, wenn man seine Lebensleistung, für die er demnächst mit dem Kardinalstitel belohnt wird, auf die Seligsprechung Romeros verkürzen würde. Die "ewige Nummer zwei" in der Kirchenhierarchie San Salvadors ist zudem einer der klarsten Analytiker der gesellschaftlichen Entwicklung in Mittelamerika. Die Illusion, dass mit dem Ende des jahrzehntelangen Bürgerkrieges, der Ende des 20. Jahrhunderts vor allem Nicaragua, Guatemala und El Salvador heimsuchte, nun eine Epoche des Friedens und des Wohlstandes ausbrechen würde, teilte er nicht.
Da er in seinem Amt als Weihbischof auch weiterhin die Arbeit eines Pfarrers in einer der Gemeinden der Hauptstadt San Salvador verrichtet, weiß er, wie schwierig die Situation auch nach dem Krieg ist. In einem Interview mit Radio Vatikan beschrieb er vor wenigen Monaten den Zerfall der Familien als eine der Ursachen für das scheinbar unaufhaltsame Vordringen von Drogen und Gewalt unter der Jugend Mittelamerikas. Seit langem richtet er deshalb sein besonderes Augenmerk auf die Jugendseelsorge sowie auf die Arbeit der Caritas, die er mittlerweile auch in ganz Lateinamerika zu koordinieren versucht.
Keine ganz einfache Situation
Für seinen Chef in San Salvador, den um 16 Jahre jüngeren Erzbischof Jose Luis Escobar Alas, schafft die unerwartete Ernennung des älteren Weihbischofs zum Kardinal keine ganz einfache Situation - steht doch ein Kardinal im innerkirchlichen Renomme quasi eine Stufe höher als der Erzbischof. Wenn Papst Franziskus eine solch ungewöhnliche Konstellation gewählt hat, zeigt das unter anderem auch, wie sicher er sich ist, dass Rosa Chavez auch im Kardinalspurpur seine Demut nicht ablegen wird.