Auf seinem Twitter-Account zog Boff am Freitag zudem eine Parallele zu Adolf Hitler. Brasilien verzeichnete am Donnerstag 1.473 neue Corona-Tote und übernahm mit mehr als 34.000 Toten von Italien den dritten Platz in der weltweiten Corona-Opferstatistik.
"Wir haben derart viele Verbrechen gegen seine Pflichten gesehen, so viele Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht gegenüber dem Leben, dass der Präsident zum Rücktritt gezwungen werden sollte", so Boff. "Er ist ein Völkermörder, dem das menschliche Leid egal ist. Brasilien hat diese Strafe nicht verdient. Und was machen die verantwortlichen Autoritäten? Sie müssen agieren!"
Heftige Kritik auf Twitter
Bolsonaro hatte die Corona-Pandemie stets als "kleine Grippe" verharmlost. Angesichts der hohen Opferzahlen äußerte er sich schulterzuckend. "Mein zweiter Name ist zwar Messias, aber Wunder kann ich auch nicht vollbringen." In dieser Woche sagte er: "Es tut mir leid um alle Toten, aber das ist nun einmal unser aller Schicksal."
Gleichzeitig fordert Bolsonaro ein Ende der von den Bürgermeistern und Gouverneuren angeordneten Einschränkungen. Allerdings hatte ihm der Oberste Gerichtshof untersagt, die Maßnahmen auszuhebeln.
Boff kritisierte am Freitag in einem zweiten Tweet zudem ein präsidentielles Dekret von Donnerstag, dass umgerechnet rund 15 Millionen Euro aus dem Sozialprogramm "Bolsa Familia" abzieht und für PR-Kampagnen der Regierung bereitstellt. Nur eine grausame und lieblose Person wie der Präsident könne das Brot aus dem Mund der Kinder nehmen, um damit seine Eitelkeit zu finanzieren, so Boff. "Jeder Tyrann, so sagen es die Psychoanalytiker, ist egozentrisch und eitel, so wie es Hitler war."
Die Regierung hatte die Umschichtung der Beträge gerechtfertigt. Da derzeit an Dutzende Millionen Brasilianer, darunter Millionen Empfänger von "Bolsa Familia", die höheren Corona-Hilfsgelder gezahlt würden, seien Gelder auf den "Bolsa Familia"-Konten der Regierung übrig geblieben. Diese würden nun für andere Aufgaben bereitgestellt. Ein Schaden sei den Empfängern nicht entstanden.
Renommmierter Befreiungstheologe
Boff ist einer der renommiertesten Befreiungstheologen. Er trat 1959 in den Franziskanerorden ein und promovierte 1970 in Philosophie und Theologie. 1984 sanktionierte ihn die römische Glaubenskongregation für seine Verbindung zwischen Befreiungstheologie und Marxismus. 1992 verließ Boff das Priestertum. Seitdem ist sein Denken und Engagement stark auf ökologische Themen gerichtet.
Zu seinem 80. Geburtstag am 14. Dezember 2018 schickte ihm Papst Franziskus ein Glückwunschschreiben, in dem er ihn als "Bruder" bezeichnete. Dies wurde teilweise als späte römische Anerkennung für Boff gewertet.