100 Tage vorab - Europäisches Taize-Jugendtreffen in Rostock

"Auch im Osten gibt es Christen"

Warten auf den "Gänsehautmoment": Wie ein evangelischer Pfarrer und sein Team in einer kaum kirchlich geprägten Ostsee-Region ein internationales Christentreffen vorbereiten.

Autor/in:
Nicola Trenz
Brennende Kerzen beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Brennende Kerzen beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )

Noch rund 100 Tage, dann werden in der Rostocker Hansemessehalle Kerzen leuchten und meditative Klänge zu hören sein. Bis zu 10.000 Jugendliche reisen über Silvester zum Europäischen Taize-Jugendtreffen an die Ostsee. Sie wollen in der Hansestadt gemeinsam beten und singen und sich zu Austausch, Workshops und Gottesdiensten treffen.

Blick auf Rostock / © Sean Pavone (shutterstock)

Drei Monate vorher sind die Dimensionen noch deutlich kleiner: In Bad Doberan, einem Nachbarort von Rostock, beten und singen an einem Donnerstagabend gerade einmal rund 20 Personen gemeinsam in der Tradition von Taize - einem Ort in Frankreich, in dem die internationale ökumenische Gemeinschaft lebt. Alljährlich pilgern Zehntausende Jugendliche aus aller Welt dorthin, um einige Zeit mit den rund 100 Mönchen dort unter einfachen Bedingungen zu leben und zu beten.

Positiver Akzent in der Region

Taizé

Taizé ist ein Symbol der ökumenischen Bewegung. Der Ort im südlichen Burgund ist Sitz einer christlichen Gemeinschaft und wurde zum Treffpunkt für Jugendliche aus aller Welt. Der Bruderschaft gehören rund 100 Männer aus etwa 30 Ländern an, die aus der evangelischen und katholischen Kirche stammen. Von ihnen lebt etwa ein Viertel in kleinen Gemeinschaften in Asien, Afrika und Südamerika. Diese Brüder teilen ihr Leben mit Straßenkindern, Gefangenen, Sterbenden und Einsamen.

Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )

"Ich war auch schon mal in Taize", diesen Satz hört Albrecht Jax momentan häufiger. "Auch von Leuten, von denen man es nicht erwartet hätte." Er ist einer der Hauptverantwortlichen für das Silvestertreffen und Pastor in Bad Doberan.

Viele junge Menschen beschreiben nach Taize-Fahrten, der Ort habe etwas mit ihnen gemacht. "Ich merke jetzt schon, dass Taize auch etwas mit den Menschen hier macht", sagt Jax mit Blick auf die gastgebende Region. Das Treffen löse vorab in Gemeinden und Ortschaften Zuversicht aus. In der strukturschwachen Gegend, wo sonst eher Kirchtürme verfallen, als dass etwas Neues entsteht, sei es ein positiver Akzent. "Das Taize-Treffen kann eine Chance sein, hier bei uns zu zeigen, dass Kirche mehr ist als Missbrauch und solche Geschichten", sagt der evangelische Pfarrer.

Rostock ist mit knapp 210.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt Mecklenburg-Vorpommerns. 17,6 Prozent der Bevölkerung in dem Bundesland sind Christen. "Ich erlebe keine latente Kirchenfeindlichkeit, aber es gibt schon eine große Zurückhaltung", erzählt der Pastor. Die Diasporaregion ist eine ungewöhnliche Wahl für das alljährlich stattfindende Treffen.

Dennoch ist er optimistisch, Privatquartiere für die jungen Gäste zu finden. Er setzt auf die Menschen aus dem nicht-kirchlichen Bereich: "Ich glaube, es gibt viele, die es gut finden, dass junge Menschen in Europa sich - gerade in diesen Zeiten - begegnen und die sich deshalb auch vorstellen können, Jugendliche bei sich unterzubringen", sagt der Pfarrer, der zu seinen Jeans ein kariertes Hemd trägt.

Gastfamilien gesucht

Gastfamilien müssten lediglich Platz für Isomatten haben und ein einfaches Frühstück stellen. Auch Theologiestudentin Franka Bertarelli engagiert sich bei der Vorbereitung des Treffens. "Wir freuen uns, den Gästen unsere Stadt zu zeigen". Lachend fügt sie hinzu: "Und zu zeigen, dass es im Osten auch Christen gibt."

Ende September eröffnen Taize-Brüder in der Rostocker Petrikirche das Vorbereitungszentrum. Außerdem sucht das Team um Jax den Kontakt zu anderen Akteuren, etwa der Jugendfeuerwehr. "Auch die Ministerpräsidentin ist mit ihm Boot", sagt er. Finanziert wird das Treffen - neben den Teilnehmerbeiträgen - von evangelischer und katholischer Kirche. "Wir müssen die Messehalle zahlen, ein Verkehrs-Kombiticket und Verpflegung", summiert Jax.

Er ist entspannt, obwohl es noch viele offene Fragen gibt. So weiß niemand, inwieweit Corona das Treffen im Winter beeinflussen wird. Außerdem ist unklar, inwieweit die politische Situation in Europa und steigende Preise dazu führen könnten, dass sich weniger junge Menschen anmelden. "Ukrainisch war in den vergangenen Jahren eine der stärksten Sprachgruppen bei den Treffen", sagt Jax. "Es ist völlig offen, wie das in diesem Jahr sein wird".

Seine Begeisterung für Taize hat dazu geführt, dass die Hansestadt zur Gastgeberin wurde. Nachdem er 2011 am Silvestertreffen in Berlin mit 28.000 Teilnehmenden dabei war, reifte in ihm die Idee, und er brachte Rostock bei den Brüdern der Gemeinschaft ins Spiel. Zuletzt war er Ende August mit einer Vorbereitungsgruppe in Taize. Mit kleinen Fläschchen, die mit Ostseesand gefüllt waren, luden sie junge Pilger dort in ihre Heimat ein. Besonders freut sich Jax auf das erste Abendgebet des Treffens in der Hansemesse. "Das wird ein Gänsehautmoment".

Quelle:
KNA